Eine Strategie gegen Hass und Judenfeindlichkeit
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Gegen Hass: Wie die Regierung gegen Antisemitismus vorgehen will

Seit Jahren nehmen judenfeindliche Straftaten zu. Jetzt hat die Bundesregierung zum ersten Mal eine nationale Strategie gegen Antisemitismus beschlossen. Für den zuständigen Bundesbeauftragten ist sie dringlicher denn je.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Erst vor rund zwei Wochen sind Orte des jüdischen Lebens in Deutschland zum Ziel von Angriffen geworden. Betroffen waren Synagogen in Essen und Berlin. Daran erinnert Felix Klein, der Bundesbeauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus, als er die nationale Strategie gegen Judenfeindlichkeit vorstellt. Dass die Regierung jetzt ein solches Konzept beschlossen hat, nennt er einen Meilenstein. Denn es handle sich um die erste Strategie dieser Art auf Bundesebene.

Bundesbeauftragter: Krisen verstärken judenfeindliche Klischees

Der russische Überfall auf die Ukraine, steigende Preise und die Corona-Pandemie: Krisenzeiten wie diese seien eine Bewährungsprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sagt Klein. Denn in solchen Zeiten "neigen Menschen verstärkt zu vermeintlich einfachen Antworten", führt er aus. "Antworten, die polarisieren, ausgrenzen und spalten." Antisemitismus gehöre zu diesen vermeintlich einfachen Antworten, so Klein.

Konzept gegen Antisemitismus soll auf allen staatlichen Ebenen wirken

Mit der nationalen Strategie will die Bundesregierung jüdische Menschen besser vor Anfeindungen, Hass und Gewalt schützen. Das Ziel an sich ist nicht neu. Doch zum ersten Mal soll der Kampf gegen Judenfeindlichkeit systematisch auf allen staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen wirken: von Polizei und Justiz über Schulen und Unis bis hin zu Sportvereinen. Sie alle lädt der Bundesbeauftragte ein, das Konzept im Arbeitsalltag zu nutzen.

Kampf gegen Judenfeindlichkeit: Positiv-Beispiel aus Bayern

Die Strategie enthält fünf Handlungsfelder: Konkret gehört beispielsweise dazu, genau zu schauen, was im Kampf gegen Antisemitismus fehlt und entsprechende Daten zu erheben. In diesem Zusammenhang wird im Strategiepapier der Bundesregierung ein Online-Meldeverfahren aus Bayern genannt, bei dem die Justiz mit der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus zusammenarbeitet. Opfer von judenfeindlicher Hassrede könnten sich hier melden – auf Wunsch der Betroffenen werde die Information direkt an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergegeben.

Deutsch-israelisches Jugendwerk vereinbart

Außerdem setzt die Bundesregierung auf Bildung und Aufklärung: über die jüdische Geschichte, den Völkermord an jüdischen Menschen durch das NS-Regime und die besondere Bedeutung des israelischen Staats für Jüdinnen und Juden weltweit. Die Ampel-Parteien haben bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, ein deutsch-israelisches Jugendwerk einzurichten. Inzwischen haben beide Seiten eine entsprechende Absichtserklärung unterschrieben, wie im Strategiekonzept der Regierung nachzulesen ist.

Konsequentes Vorgehen gegen Antisemitismus angemahnt

Darin geht es auch um ein gezieltes Vorgehen von Polizei und Justiz gegen Anfeindungen und Straftaten, damit jüdische Menschen in Sicherheit leben können. Die rechtstaatlichen Möglichkeiten müssten konsequent genutzt werden. Das Spektrum reiche von einer effizienten Aufklärung antisemitischer Delikte über die Strafverfolgung bis hin zu Vereinsverboten.

Höchststand bei antisemitischen Straftaten

Die einschlägigen Zahlen aus der Kriminalstatistik sprechen für sich. Das Bundesinnenministerium hat im vergangenen Jahr mehr als 3.000 judenfeindliche Straftaten registriert – ein neuer Höchststand. Die meisten dieser Delikte wurden Rechtsextremisten angelastet. Und bei ungefähr der Hälfte der Taten sehen die Ermittlungsbehörden einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Hintergrund ist, dass Verschwörungserzählungen oft einen antisemitischen Charakter haben. Auffällig ist laut Innenministerium aber auch ein islamistisch geprägter Antisemitismus, der Hass auf Juden und Israel offen befördere.

Kritik von Opposition, Lob vom Zentralrat der Juden

Aus Sicht der größten Oppositionsfraktion ist das Konzept der Bundesregierung zu unkonkret. Der CDU-Abgeordnete Michael Breilmann stellt fest, es gebe "kein Erkenntnis-, sondern ein Vollzugsdefizit". Lob bekommt der Bundesbeauftragte dagegen vom Zentralrat der Juden in Deutschland: Jüdische Verbände und Organisationen seien bei der Arbeit an dem Konzept eingebunden worden. "Ein wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit", findet Zentralratspräsident Josef Schuster.

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