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Schild mit der Aufschrift "Ohne Gentechnik"

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Gentechnik: EuGH entscheidet über Crispr/Cas9

Präziser, schneller, günstiger: Mit neuen Verfahren kann man Pflanzen effizient genetisch verändern. Am bekanntesten ist die Crispr/Cas9- oder kurz Crispr-Methode. Ob es sich dabei rechtlich um Gentechnik handelt, ist umstritten. Von Yvonne Maier

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Gestritten wird auch darüber, ob mit Crispr veränderte Waren als gentechnisch verändert zu kennzeichnen sind. Heute verkündet der Europäische Gerichtshof sein Urteil dazu. Geklagt hatten französische Umweltschützer. 

So langsam geht die Ernte los in Bayern, erste Felder sind schon abgemäht und alle sind bis auf ganz wenige im Dienste der Wissenschaft: frei von Gentechnik. Das könnte sich bald ändern, denn heute Vormittag entscheidet der Europäische Gerichtshof, ob die Methode Crispr/Cas9 oder kurz Crispr Gentechnik ist, oder nicht.

Einst wartete man auf den Zufall

Schon immer haben Saatgutzüchter gehofft, dass zufällige Änderungen im Erbgut ihre Pflanzen so verändern, dass sie widerstandsfähiger werden oder mehr Ertrag haben. Zum Beispiel die Gerste: Vor 12.000 Jahren war sie ein schmächtiges Gras. Bauern haben über Jahrhunderte immer wieder die Pflanzen mit den dicksten Körnern miteinander gekreuzt. Am Ende stand dann die Gerste, wie wir sie heute kennen.

Mit Genome-Editing zum Ziel

Solche Mutationen werden aber auch absichtlich im Saatgut erzeugt, mit Chemie oder Röntgenstrahlung - Züchter hoffen, dass brauchbare Veränderungen dabei sind. Mutationszüchtung heißt das dann. Doch das soll bald viel schneller gehen: mit der gentechnischen Methode Crispr. Sie ist auch bekannt als Genome-Editing - Erbgutbearbeitung - sagt Joachim Schiemann vom Bundesinstitut für Kulturpflanzen in Quedlinburg. Crispr kann mehrere Dinge. Eines davon:

"Ich kann mithilfe des Genome Editing Gene ausschalten." Joachim Schiemann, Bundesinstitut für Kulturpflanzen

Falsche Gene werden abgeschaltet

Man kann sich das fast wie bei einer Textbearbeitung vorstellen: Die DNA, unser Erbgut, besteht aus einer bestimmten Reihenfolge an Buchstaben, den sogenannten Basen. Die Information eines Gens steckt - wie bei einem Text - in der Abfolge dieser vier Basen. Manchmal hat man im DNA-Text aber einen Rechtschreibfehler oder falsche Worte, die den ganzen Text, das Erbgut, durcheinanderbringen. Mit Crispr kann man solche Gene ausschalten:

"Indem ich zum Beispiel Basen entferne. Wenn ich das relativ weit vorne in der Gensequenz mache, ist alles, was nach der Veränderung abgelesen wird, Unsinn, wir nennen das Nonsense-Mutation, oder die Information für eine Aminosäure wird umgewandelt in die Information für einen Stopp der Ablesung des Gens und damit wird also dann die Information dieses Gens nicht mehr übersetzt." Joachim Schiemann, Bundesinstitut für Kulturpflanzen

Erbgut schneiden mit der Gen-Schere

Crispr kann auch Teile oder ganze Gene austauschen oder umschreiben. Man spricht von der sogenannten "Gen-Schere" - wobei man sich das nicht wie eine Mini-Schere vorstellen darf. Es sind Enzyme, die zu den Zellen geschüttet werden, deren Gene man verändern will. Im Labor machen sie dann ihre Arbeit von ganz allein. Die Gen-Schere ist ziemlich präzise - vor allem im Gegensatz zu ganz normalen Mutationen, die quasi ungesteuert überall vorkommen können.

So diskret wie die Natur

Mehr noch, Crispr lässt sich später von Mutationen, die zufällig entstehen nicht oder kaum mehr unterscheiden. Ist die Gen-Schere also nur eine andere Form der Mutation und deswegen nicht kennzeichnungspflichtig? Ricarda Steinbrecher sieht das anders: Sie ist Molekulargenetikerin und arbeitet für die Organisation EcoNexus in Großbritannien und für die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler. Sie verweist auf die Vorsorgepflicht der EU:

"Vorsorgeprinzip heißt, wenn irgendwelche Hinweise dafür da sind, dass etwas ernsthafte Folgen haben kann, muss der Staat handeln, und kann nicht warten, bis alles absolut abgesichert ist." Ricarda Steinbrecher, Molekulargenetikerin

Streit über die Kennzeichnung

Also lieber auf Nummer sicher gehen und die Kennzeichnungspflicht auch für Crispr und ähnliche Methoden einführen. Viele Forscher halten das für überzogen - denn bei der Mutationszüchtung mit Röntgenstrahlen entstehen ja noch viel mehr Mutationen. Joachim Schiemann:

"Negative Effekte oder ungewollte Effekte treten auch bei einem nicht optimierten Crispr/Cas-System mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit auf als zum Beispiel bei der Gentechnik oder insbesondere bei der Mutationszüchtung. Das heißt also, in der fertigen Pflanze habe ich auch noch eine ganze Reihe von Mutationen, die aber offensichtlich die Pflanze nicht wesentlich beeinträchtigen." Joachim Schiemann, Bundesinstitut für Kulturpflanzen

Was zählt? Die Methode oder das Resultat?

Der Europäische Gerichtshof muss also urteilen: Ist der Prozess entscheidend? Crispr greift definitiv in das Erbgut ein. Das spricht für die Bezeichnung "gentechnisch veränderter Organismus". Oder ist das Ergebnis entscheidend – an der späteren Pflanze ist nicht erkennbar, ob nun eine Mutation oder Crispr für eine Eigenschaft verantwortlich ist. Dann wäre die Methode nicht kennzeichnungspflichtig.