Juli 2020. Es ist heiß und trocken. Landwirt Gerhard Stadler geht im Landkreis Straubing-Bogen an einem Gewässer entlang. Besser gesagt, an einem ausgetrockneten Graben. Hier muss er rechts und links davon einen fünf Meter breiten Randstreifen einhalten, den er nicht bewirtschaften darf. Denn in einer Karte des Vermessungsamtes ist das Gewässer eingezeichnet. Unverständlich, findet Gerhard Stadler: "Da sieht man kein Wasser. Das war ein Graben, der vor Jahrzehnten künstlich angelegt worden ist und eigentlich das ganze Jahr kein Wasser hat. Vielleicht mal im Frühjahr zur Schneeschmelze, aber sonst ist da das ganze Jahr kein Wasser."
Wasserwirtschaftsämter kartieren Bäche
Bayern besitzt etwa 90.000 Kilometer kleine Bäche, sogenannte Gewässer III. Ordnung. Diese Bäche bilden einen Großteil des Gewässernetzes in Bayern und werden jetzt kartiert. Denn nur an diesen natürlichen Bächen müssen die Landwirte Uferrandstreifen ohne Bewirtschaftung einhalten, nicht aber an künstlich angelegten Entwässerungsgräben. Doch die Unterscheidung ist oft schwierig.
Was ist der Unterschied zwischen Bach und Graben?
Wer kann beurteilen, was künstlich angelegt oder natürlich ist? Um den Unterschied festzustellen, macht Almut Puschmann vom Wasserwirtschaftsamt München gerade Detektivarbeit im Landkreis Erding. Sie muss ermitteln, welche Fließgewässer natürlich entstanden sind und welche von Menschenhand gemacht wurden, also künstlich sind. Historische Karten helfen dabei.
Vor Ort ist es oft schwierig
Ein Beispiel: Bei Berglern im Landkreis Erding ist es besonders knifflig. Ein künstlicher Entwässerungsgraben fließt in den natürlichen Hechtenbach. Rein optisch unterscheiden sich die Gewässer kaum, beide führen Wasser. Hier hilft ein Blick in eine historische Karte. Almut Puschmann vom Wasserwirtschaftsamt München erklärt: "Der Graben ist in der historischen Karte nicht eingezeichnet im Gegensatz zum Hechtenbach, der schon im 19. Jahrhundert mäandrierend eingezeichnet ist."
Fragwürdig: Warum kein Gewässerschutz für Gräben?
Doch auch in und entlang von künstlichen Entwässerungsgräben gibt es oft eine artenreiche Flora und Fauna.
- "Rettet die Bienen" – gemischte Zwischenbilanz nach zwei Jahren
Warum die künstlichen Gewässer bei der Umsetzung des Bienenvolksbegehrens von der Randstreifenpflicht ausgenommen wurden, erschließt sich dem Leiter des Wasserwirtschaftsamtes München Christian Leeb deshalb nicht: "Fachlich würde das Sinn machen, auch an diesen Gewässern einen Randstreifen einzuhalten, weil auch in ein künstliches Gewässer kann Feinmaterial eingetragen werden."
Bäche ohne Wasser
In vielen alten Karten sind Bäche eingezeichnet, in denen heute gar kein Wasser mehr fließt. Das müssen die Wasserwirtschaftsämter nun überprüfen. Ein Beispiel ist der Schwarzbach bei Lohkirchen im Landkreis Erding. Im Oberlauf ist er seit vielen Jahren trocken. Im früheren Bachbett findet man einen terrestrischen Bewuchs, also Landpflanzen. Deshalb stuft Almut Puschmann den Bach als sogenannten grünen Graben ein: "Das zählt dann nicht mehr als Gewässer und von daher muss man keinen Gewässerrandstreifen einhalten."
Allerdings, ab einem bestimmten Punkt wächst am Schwarzbach wieder Schilf und es fließt wieder Wasser. Auch das muss nun genau kartiert werden, damit die Landwirte wissen, wo sie Randstreifen anlegen müssen.
Die ausgetrockneten Bäche werden mehr
Eine mühsame Vorgehensweise. Denn allein im Landkreis Erding gibt es einige Bäche, die kein Wasser mehr führen. Seit dem Bau des Flughafens hat sich der Grundwasserspiegel gesenkt. Hinzu kommt, dass es immer weniger regnet. Auch in Franken berichten die Wasserwirtschaftsämter von immer mehr ausgetrockneten Bächen.
Viele bisherige Karten stimmen mit den Gegebenheiten vor Ort nicht mehr überein und müssen überarbeitet werden.
In ganz Bayern werden Gewässer neu eingestuft
Begonnen haben die Wasserwirtschaftsämter in den Pilot-Landkreisen Erding, Neustadt an der Aisch und Schweinfurt, dort ist man mit der Kartierung fast fertig. Bis man in ganz Bayern fertig ist, wird es allerdings noch drei bis vier Jahre dauern.
Bevor die Gewässerkarten in den einzelnen Landkreisen dann geändert werden, haben die Landwirte in einer öffentlichen Anhörung die Möglichkeit, Einwände vorzubringen. Erst dann ist endgültig geklärt, wo Randstreifen angelegt werden müssen und wo nicht.
Bis dahin werden Landwirte nicht sanktioniert, wenn sie bei strittigen Fällen den Randstreifen nicht einhalten.
Warum Gewässerrandstreifen?
Durch Abschwemmung von Erdreich und Nitrat aus angrenzenden Äckern kam es in der Vergangenheit in vielen Gewässern zu einer Verschlammung, die einen gravierenden Schwund der Artenvielfalt zur Folge hatte. Auch Pestizidrückstände können ins Wasser gelangen, wenn bis zur Uferkante gespritzt wird. Darunter leiden Wasserinsekten und Fische. Bayern war das letzte Bundesland, in dem am 1. August 2019 die Bewirtschaftung der Gewässerrandstreifen verboten wurde.
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