Warnschild Asbest (Symbolbild)
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Gewerkschaft warnt vor "Asbest-Welle" auf dem Bau

Gewerkschaft warnt vor "Asbest-Welle" auf dem Bau

Wenn mehr Gebäude saniert werden, fürchtet die Gewerkschaft IG Bau eine Asbest-Welle. Denn der krebserregende Asbest wurde in vielen Gebäuden in den 50er bis 80er Jahren verbaut. Die IG Bau fordert bessere Informationen und ein Förderprogramm.

Über dieses Thema berichtet: Rundschau Magazin am .

Ein Wohnhaus im oberbayerischen Markt Schwaben: Werner Lutz bricht mit einem Stemmeisen weiße Platten von der Fassade. Es ist weißer Asbest, oft verbaut in den 60er- bis 90er-Jahren als Wärmedämmung. Möglichst bruchfrei sollte man die Platten entfernen, damit kein Asbeststaub entsteht, erzählt der Asbest-Sanierungs-Profi Lutz: "Das geht aber meistens nicht, weil die so vernagelt sind, dass die ab und zu mal brechen."

Lutz trägt deshalb einen blauen Schutzanzug, Handschuhe und eine Atemmaske, um die Asbestfasern nicht einzuatmen. Die Platten bestehen aus Asbest mit Zement vermischt. Die Fasern sind so klein, "die sieht man nicht", sagt Lutz. Aber wer viel davon einatmet, kann eine Asbeststaublunge bekommen oder Jahrzehnte später Lungen- oder Kehlkopfkrebs. Deshalb muss bei Arbeiten immer ein speziell geschulter Fachmann wie Werner Lutz dabei sein.

Asbest kann auch in Putz und unter Fliesen enthalten sein

Asbest in Fassaden oder in Wellplatten von Dächern ist eine Gefahr, die viele vor Augen haben dürften. "Es gibt’s auch in Innenräumen, hauptsächlich in Böden", sagt Lutz, "dann gibt’s Fensterbretter aus Asbest, Putze mit Asbest, Fliesenkleber". Asbest ist früher an vielen Stellen verwendet worden. Mit dem Auge kann man nicht erkennen, ob zum Beispiel der Putz an der Wand Asbest enthält. Dazu muss eine Probe im Labor untersucht werden.

Für die Bewohner ist das ungefährlich, solange die krebserregende Mineralfaser im Putz oder unter den Fliesen gebunden bleibt. Erst wenn umgebaut oder saniert wird, wird der Asbest zur Gefahr: die kleinen Fasern verteilen sich dann im Baustaub in der Luft. Da in den nächsten 20 Jahren viel saniert werden muss, zum Beispiel um die Klimaziele einzuhalten oder eine Wohnung altersgerecht umzubauen, warnt Carsten Burckhardt von der Gewerkschaft IG Bau: "Mit der Sanierungswelle droht deshalb jetzt eine 'Asbest-Welle' auf dem Bau." Er sieht darin eine Gefahr für Bauarbeiter, aber auch für Heimwerker.

IG Bau: Altbauten sind oft Asbest-Lager

Altbauten seien ein "Millionen Tonnen schweres Asbest-Lager", sagt Burckhardt und rechnet vor, dass zwischen 1950 und 1989 bundesweit gut 9,5 Millionen Wohnhäuser gebaut wurden. In der Zeit seien Asbest-Baustoffe intensiv genutzt worden, bis der Stoff 1993 in Deutschland verboten wurde. Burckhardt geht deshalb davon aus, dass es in jedem dieser 9,5 Millionen Gebäude Asbest gibt – "mal mehr, mal weniger".

Die IG Bau fordert daher unter anderem eine Aufklärungskampagne von Bund und Ländern für die Bauwirtschaft – aber vor allem auch für Heimwerker, die oftmals nicht wissen, dass sie mit Asbest in Berührung kommen könnten, wenn sie im Bad alte Fliesen herausreißen.

IG Bau fordert Asbest-Gebäudepass

Außerdem wünscht sich die IG Bau einen Asbest-Gebäudepass und ein kommunales Asbest-Kataster, in dem erfasst ist, welche Gebäude von dem Schadstoff betroffen sind. Das würde allerdings auch einen hohen bürokratischen Aufwand bedeuten. Die IG-Bau fordert darüber hinaus Geld vom Staat: Sie hätte gern eine Art Sanierungsprämie für Asbest-Häuser, zum Beispiel über ein Förderprogramm der KfW-Bank, um die Kosten abzufedern.

Schon jetzt gibt es klare Regeln beim Asbest: Für Abriss oder Sanierungsarbeiten mit Asbest braucht es eine spezielle Schulung, erklärt Thomas Kuhlbusch von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Generell muss ein Unternehmen, das eine Sanierung an einem Gebäude durchführt, vorher eine Gefährdungsbeurteilung machen, die neben anderen Stoffen auch Asbest umfasst. "Die Schutzmaßnahmen greifen", sagt Kuhlbusch. Das Risiko einer Asbest-Erkrankung habe mit der Einführung der aktuellen Schutzmaßnahmen deutlich abgenommen.

Gefahrstoffverordnung wird derzeit überarbeitet

Das Bayerische Verbraucherschutzministerium erklärt, dass im Falle eines Anstiegs von Sanierungen im Altbau damit zu rechnen sei, dass die Anzahl an sachkundigen Unternehmen in Bayern und damit auch die Anzahl der Personen, die mit Asbest umgehen, steigen werde. Bei Einhaltung der bestehenden Arbeitsschutzvorschriften sei aber nicht mit einer erhöhten Gefährdung der Beschäftigten zu rechnen.

Darüber hinaus überarbeitet das Bundesarbeitsministerium im Moment die Gefahrstoffverordnung, die die im Moment unverbindlichen Leitlinien zur Asbesterkundung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz verbindlich regeln sollen. Das unterstützt auch das bayerische Bauministerium, wie es auf BR24-Anfrage heißt. Die Neufassung soll bis Ende 2023 kommen.

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