Beim EU-Gipfel hat es eine hitzige Debatte über das ungarische Gesetz zur Homosexualität gegeben. Einige Staats- und Regierungschefs seien den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban scharf angegangen. Rückendeckung habe Ungarn hingegen aus Polen und Slowenien bekommen. Nach zwei Stunden unterbrach EU-Ratschef Charles Michel die Sitzung.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte machte bereits zuvor deutlich, dass er für Ungarn keinen Platz mehr in der EU sieht, wenn die Regierung in Budapest so weitermacht. "Für mich haben sie dann in der Europäischen Union nichts mehr zu suchen", sagte er auf die entsprechende Frage eines Journalisten. Zugleich machte Rutte deutlich, dass er von Orban keinen Kurswechsel erwartet. "Er ist schamlos", sagte er.
Auch Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel fand auf dem EU-Gipfel klare Worte für Orbans Haltung zur Homosexualität. Wer glaube, dass jemand wegen einer Werbung, eines Buches oder eines Films schwul geworden sei, verstehe das Leben nicht, sagte der mit einem Mann verheiratete Politiker.
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Viel Kritik an Gesetz
Das neue ungarische Gesetz sieht unter anderem ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhaltsträgern vor, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Darüber hinaus wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen.
Kritik hatte Orban bereits zu Beginn des Gipfels zurückgewiesen. Das Gesetz sorge dafür, dass Eltern exklusiv darüber entscheiden könnten, wie sie die sexuelle Erziehung ihrer Kinder gestalten wollten, erklärte er. Das Gesetz richte sich nicht gegen Homosexualität, er selbst verteidige die Rechte von Homosexuellen, sagte Orban.
Die EU-Kommission und zahlreiche andere EU-Staaten sind der Auffassung, dass das Gesetz Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert.
Furcht vor Delta: EU-Länder wollen Außengrenzen nur vorsichtig öffnen
Es gibt auf dem EU-Gipfel allerdings auch Themen, bei denen sich Länder einig waren. Aus Furcht vor Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus wollen die EU-Staaten ihre Grenzen für Reisende aus Drittstaaten nur vorsichtig und koordiniert öffnen. Dies berichteten Teilnehmerkreise aus der Debatte beim EU-Gipfel. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor einheitlichere Regeln für die Einreise aus Gebieten mit Virusvarianten gefordert. Die Delta-Variante gilt als ansteckender als andere Formen des Coronavirus und breitet sich auch in der EU aus.
Deshalb wollen die 27 EU-Staaten die Impfkampagne auch weiter vorantreiben, wie aus der Gipfelerklärung zu Covid-19 hervorgeht. Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden bis Sonntag rund 220 Millionen Europäer mindestens einmal geimpft sein - rund 60 Prozent der Erwachsenen in der EU. Im zweiten Halbjahr sollen weiter große Mengen Impfstoff kommen. "Jetzt gilt es, das Tempo der Impfkampagnen in den Mitgliedstaaten zu erhöhen", schrieb von der Leyen auf Twitter.
Die Pandemie war das erste große Thema bei dem zweitägigen Gipfeltreffen - und das vielleicht am wenigsten umstrittene. Daneben standen die Migrationspolitik, das Verhältnis zur Türkei und die Strategie im Umgang mit Russland auf der Tagesordnung.
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