Schärfere Kontrollen und wenn nötig auch häufigere Exportstopps, dafür hat die EU-Kommission am Mittwoch die Rahmenbedingungen geschaffen. Die bereits im Februar eingeführte Exportkontrolle wurde entsprechend abgeändert.
Ausfuhrsperren werden erlaubt, jedoch kein generelles Exportverbot
Ausnahmeregelungen der geltenden Genehmigungspflicht für die Ausfuhr von Impfstoffen wurden gestrichen, zudem gilt ein neuer Grundsatz: Ausfuhrsperren werden erlaubt, wenn das Zielland eigens produzierten Impfstoff nicht exportiert, oder beim Impfen der Bevölkerung bereits weit fortgeschritten ist. Von einem generellen Exportverbot wurde aber abgesehen.
„Es ist nicht unsere Absicht, Dinge zu blockieren“, hieß es aus Kommissionskreisen. Brüssel setze daher auf die Prinzipien Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit.
Neue Maßnahmen: Reaktion auf Lieferengpässe bei Astrazeneca
Auslöser für die Verschärfungen sind die Lieferengpässe des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte dem Konzern mehrfach mit Exportverboten gedroht. Zu Beginn der Woche erklärte auch die Leiterin des europäischen Impfprogramms, Sandra Gallina, „alle Maßnahmen ergreifen zu wollen“, um der EU die Menge an Impfstoffdosen zu sichern, die ihr zusteht. Statt den vertraglich zugesicherten 300 Millionen Dosen bis Ende Juni will Astrazeneca lediglich rund ein Drittel an die EU liefern.
EU-Kommission: Großbritannien gefährdet Impfstoffversorgung in der EU
Hinzu kommt der Streit mit Großbritannien. Die EU-Kommission wirft der Regierung in London vor, die Ausfuhr von Astrazeneca-Impfstoffdosen aus britischer Produktion gemäß vertraglicher Abmachungen zu verhindern. In den Augen der Kommission ist dieses Vorgehen „eine Gefahr für die Impfstoffversorgung der EU“.
Mitgliedstaaten sollen ebenfalls Ausfuhr unterbinden können
Mit den neu geschaffenen Bedingungen sollen nun umgekehrt die Mitgliedstaaten „Ausfuhrgenehmigungen dementsprechend verweigern“, teilte die Kommission mit. Die Regelung ziele dabei nicht nur auf Großbritannien ab, sondern gelte grundsätzlich für Länder, „in denen die Impfquote höher ist als in der Union oder die aktuelle Infektionslage weniger ernst ist“.
Über den bisher geltenden Exportkontrollmechanismus wurden Impfstoffhersteller dazu verpflichtet, die Ausfuhr von Impfstoff in Drittländer genehmigen zu lassen. Lässt sich ein geplanter Export eines Herstellers nicht mit dessen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der EU vereinbaren, kann die Ausfuhr unterbunden werden. Von dieser Möglichkeit wurde bislang nur in einem Fall Gebrauch gemacht, als Astrazeneca eine Lieferung von Italien nach Australien vornehmen wollte.
Weitere Verstrickungen um Astrazeneca
Am Mittwoch richtete sich der Blick dann erneut nach Italien, wo der Fund von 29 Millionen Astrazeneca-Impfstoffdosen weitere Fragen aufwirft. Der Konzern soll angegeben haben, die Dosen seien für die EU die internationale Impfinitiative Covax vorgesehen. Die italienische Zeitung „La Stampa“ hingegen berichtete, Astrazeneca habe den Bestand nach Großbritannien exportieren wollen.
Die europäische Impfstrategie, die Einhaltung der Verträge und der Umgang mit Nachbarländern – schon am Donnerstag wird diese Debatte auf dem EU-Videogipfel der Staats- und Regierungschefs fortgesetzt.
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