Israels Militär hat den geplanten Einmarsch in den Gazastreifen einem US-Medienbericht zufolge wegen widriger Wetterbedingungen um einige Tage verschoben. Die Bodenoffensive hätte eigentlich schon dieses Wochenende beginnen sollen, sei aber wegen des bewölkten Himmels und der deswegen erschwerten Sicht für Piloten und Drohnen vertagt worden. Das berichtete die "New York Times" unter Berufung auf drei namentlich nicht genannte, ranghohe israelische Offiziere.
Gaza: Hunderttausende Menschen auf der Flucht
Ziel ist es, die politische und militärische Führungsebene der Islamistenorganisation Hamas auszulöschen, die vor einer Woche Massaker mit Hunderten Todesopfern in Israel begangen hat. In der Nacht hat Israel seine Luftangriffe auf den Gazastreifen fortgesetzt.
Mitarbeiter der ARD in Gaza berichten, dass alle Teile des schmalen Küstenstreifens bombardiert werden. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. Es gibt keinen Strom, kein Wasser, keinen Treibstoff, und die Lebensmittel gehen zur Neige. Die Hamas setzt unterdessen ihren Beschuss auf israelische Städte fort.
Bodenoffensive mit vielen Risiken
Die Militäroperation berge die Gefahr, dass sich Israel in monatelange blutige Häuserkämpfe verstricke, heißt es in dem Bericht. Es werde angenommen, dass sich Zehntausende von Hamas-Kämpfern in Bunkern und Hunderte Kilometer langen unterirdischen Tunnelsystemen unter Gaza-Stadt und den umliegenden Teilen des nördlichen Gazastreifens verschanzt haben.
Israels Armee gehe davon aus, dass die Hamas versuchen wird, ihr Vorankommen zu behindern, indem sie Tunnel sprenge, während die Bodentruppen über sie vorrücken. Die Hamas plane zudem, durch geheime Tunnelausgänge hinter die israelischen Linien zu gelangen und von hinten anzugreifen. Ein strategisches Dilemma sei zudem, dass die Terroristen sich unter der Erde besonders effektiv mit Geiseln verschanzen könnten.
Neben Infanterieeinheiten wird Israels Eingreiftruppe auch Panzer und Pioniere umfassen, fügten die Offiziere laut der Zeitung hinzu. Die Bodentruppen bekämen Deckung von Kampfflugzeugen, Kampfhubschraubern, Drohnen und Artillerie vom Land wie auch vom Meer aus, hieß es. Israelische Beamte warnen davor, dass die Hamas israelische Geiseln töten und Zivilisten als menschliche Schutzschilde einsetzen könnte. Zudem hätten sie das Gebiet mit Sprengfallen übersät, berichtete die "New York Times" weiter.
Israels Antwort auf blutiges Massaker der Hamas
Palästinensische Terroristen hatten vergangenes Wochenende im Auftrag der Hamas ein Massaker unter israelischen Zivilisten in Grenzorten und auf einem Musikfestival angerichtet. Mehr als 1.300 Menschen wurden getötet. Israel antwortet seither mit heftigen Luftangriffen auf Ziele im Gazastreifen, wo nach palästinensischen Angaben vom Sonntag mindestens 2.450 Menschen getötet und 9.200 weitere verletzt wurden. Auch im Westjordanland führte Israel Einsätze durch.
Die Opferzahl überstieg damit am Sonntag die des dritten kriegerischen Konflikts zwischen Israel und der Hamas im Sommer 2014, als nach UN-Angaben 2.251 getötete Palästinenser, darunter 1.462 Zivilisten, gezählt wurden.
Humanitäre Krise im Gazastreifen spitzt sich zu
Die "Massenflucht aus dem Norden in den Süden des Gazastreifens ist im Gange", erklärte das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) am Sonntag in Genf. Ausgelöst worden sei dies durch den Aufruf Israels an 1,1 Millionen Einwohner der Stadt Gaza und umliegender Gebiete im Norden des Gazastreifens, in den Süden des Palästinensergebietes zu fliehen.
Partner-Hilfsorganisationen hätten berichtet, dass "die Zahl der Binnenvertriebenen innerhalb der vergangenen 24 Stunden deutlich gestiegen" sei, erklärte Ocha. Ihre genaue Zahl sei nicht bekannt. Zuvor hatte Ocha mitgeteilt, dass bis Donnerstag am späten Abend 423.378 Binnenvertriebene im Gazastreifen gezählt worden seien. Knapp zwei Drittel davon wurden demnach vom UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) in insgesamt 102 Notunterkünften beherbergt.
Die UN rechneten damit, dass den Generatoren der Krankenhäuser in Gaza innerhalb von zwei Tagen der Treibstoff ausgeht, nachdem Israel das etwa 40 Kilometer lange Gebiet nach dem Hamas-Angriff vollständig abgeriegelt hat. Auch an der Schließung des Grenzübergangs Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen wurde am Sonntag zunächst festgehalten.
Reisewarnung für Israel ausgesprochen
Derweil dauerten Verhandlungen zwischen Israel, den USA und militanten Palästinensergruppen darüber an, ob und wie humanitäre Hilfen in den Gazastreifen geliefert werden können und Ausländer und verletzte Palästinenser ausreisen dürfen, wie zwei ägyptische Behördenvertreter, die anonym bleiben wollten, mitteilten. Konvois mit humanitärer Hilfe, etwa aus der Türkei und Jordanien, warten in der Nähe des Grenzübergangs darauf, passieren zu können.
Wegen der Eskalation der Gewalt im Nahen Osten sprach das Auswärtige Amt am Sonntag Reisewarnungen für Israel, die gesamten palästinensischen Gebiete und den Libanon aus. Ein solcher Schritt erfolgt nur für Länder, in denen eine Gefahr für Leib und Leben besteht. Weltweit sind das nun 16 Staaten, darunter auch die Ukraine, Afghanistan oder Syrien. Für weitere Länder wie Russland und Ägypten gelten Teilreisewarnungen. Die Einstufung kann Reisenden die Stornierung von Flügen vereinfachen, es handelt sich aber nicht um Reiseverbote.
Beitrag zum Hören: Auswärtiges Amt spricht Reisewarnung für Israel aus
Mit Informationen von dpa
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