Über einen Monat nach dem Absturz eines Kleinflugzeugs im kolumbianischen Regenwald sind vier überlebende Kinder aus dem Dschungel gerettet worden. Nach einer wochenlangen Suchaktion im Amazonasgebiet fanden Einsatzkräfte die Geschwister im Alter von 13, 9 und 4 Jahren sowie einem Jahr im Süden des Landes, wie der kolumbianische Präsident Gustavo Petro am Freitag mitteilte.
"Eine Freude für das ganze Land. Die vier Kinder, die seit 40 Tagen im kolumbianischen Regenwald vermisst wurden, sind lebend gefunden worden", schrieb der Staatschef auf Twitter. Dazu veröffentlichte er ein Foto von Soldaten und Indigenen im Dschungel, die die Kinder mit Wasser versorgten und fütterten.
Über 100 Soldaten und mehr als 70 Indigene suchten
Die intensive Suche nach den drei Mädchen und dem Jungen im Dschungel hatte die Kolumbianer wochenlang in Atem gehalten. Mehr als 100 Soldaten sowie mehr als 70 Indigene aus der Region hatten sich an der Suche im unberührten Amazonasgebiet beteiligt. "Es ist nicht wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen, sondern wie die Suche nach einem winzigen Floh in einem riesigen Teppich, der sich in unvorhersehbare Richtungen bewegt", hatte General Pedro Sánchez, Kommandeur des Gemeinsamen Kommandos für Sondereinsätze, gegenüber der Nachrichtenagentur AP gesagt.
Die Suchmannschaften hatten das Gebiet auch mit Aufnahmen der Stimme der Großmutter der Kinder beschallt, um sie auf die Helfer aufmerksam zu machen. Starke Regenfälle hätten die Aufnahme allerdings übertönt, sagte Sánchez.
Die Mutter und zwei weitere Erwachsene starben
Der Absturz ereignete sich in den frühen Morgenstunden des 1. Mai im Department Caquetá im Süden des Landes. Private Kleinflugzeuge sind in der unwegsamen Region oft die einzige Möglichkeit, größere Strecken zurückzulegen. Die einmotorige Propellermaschine vom Typ Cessna mit sechs Passagieren und einem Piloten an Bord hatte wegen eines Motorschadens einen Notstand ausgerufen. Kurze Zeit später verschwand das kleine Flugzeug vom Radar. Drei Erwachsene kamen beim Absturz ums Leben: Die Leichen des Piloten, eines indigenen Anführers und der Mutter der Kinder wurden später nahe der Unglücksstelle gefunden.
Auf der Suche nach den Kindern fanden die Soldaten Schuhe, Windeln, Haargummis, eine lila Schere, eine Babyflasche, eine aus Blättern und Ästen gebaute Notunterkunft sowie halbverzehrte Früchte. Anhand der gefundenen Gegenstände und Spuren konnten die Soldaten den bisher zurückgelegten Weg der Kinder rekonstruieren. Demnach entfernten sie sich zunächst von der Absturzstelle vier Kilometer Richtung Westen. Dann stießen sie offenbar auf ein Hindernis und wendeten sich gen Norden. Der Regenwald in der Region ist sehr dicht, was die Suche nach den Vermissten erheblich erschwerte. Zudem regnet es praktisch ununterbrochen.
Kenntnis der Region hat Kindern geholfen
Die Kinder - drei Mädchen und ein Junge - gehören selbst zu einer indigenen Gemeinschaft, ihre Kenntnis der Region könnte ihnen geholfen haben, nach dem Absturz im Dschungel zu überleben. Ihre Großmutter Fátima Valencia vertraute vor allem auf die älteste Schwester. "Sie war immer wie die Mutter, sie hat die anderen mit in den Wald genommen", sagte sie zuletzt im Radiosender La FM. "Sie kennt die Pflanzen und Früchte. Wir Indigene lernen von klein auf, welche man essen kann und welche nicht."
Der Fall erinnert an die Deutsch-Peruanerin Juliane Koepcke, die 1971 einen Flugzeugabsturz im peruanischen Regenwald überlebte und nach zehn Tagen gerettet wurde. Da ihre Eltern als Biologen im Amazonasgebiet forschten, war der damals 17-Jährigen die Umgebung vertraut und sie konnte sich bis zu einem Fluss durchschlagen, wo sie schließlich von Waldarbeitern gefunden wurde.
Vater war nach Farc-Drohungen geflohen
Die Kinder in Kolumbien waren Medienberichten zufolge mit ihrer Mutter auf dem Weg zu ihrem Vater, der nach ständigen Drohungen durch eine Splittergruppe der Guerillaorganisation Farc aus der Region geflohen war. Zwar hat sich die Sicherheitslage nach dem Friedensabkommen 2016 zwischen der Regierung und der Farc verbessert, allerdings werden noch immer Teile des südamerikanischen Landes von illegalen Gruppen kontrolliert. Vor allem Indigene, soziale Aktivisten und Umweltschützer geraten immer wieder in das Visier der kriminellen Banden.
Mit Informationen von dpa und ap.
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