Noch liegt die Bundesregierung laut Familienministerin Lisa Pause (Grüne) gut im Zeitplan, was die Kindergrundsicherung angeht. Wenn der Gesetzentwurf bis Ende der Sommerpause fertig werden solle, sei jetzt aber "die Zeit der Entscheidungen", sagte sie am Dienstag in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. "Wir können uns nicht mehr viel Zeit für Streitereien leisten, sondern wir müssen jetzt in die Pötte kommen", warnte Paus. Sie sei zuversichtlich, dass es eine Einigung in der Koalition geben könne. Die Ampelkoalition müsse jetzt über Details und Finanzierung der Kindergrundsicherung entscheiden, dann könne es bis 2025 noch klappen. Momentan sei man aber noch nicht ganz so weit.
Bei der Kindergrundsicherung sollen ab 2025 diverse Leistungen vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten und Freizeit gebündelt werden. Statt Kindergeld soll es einen einkommensunabhängigen Garantiebetrag in gleicher Höhe geben. Für einkommensschwache Familien ist ein Zusatzbetrag geplant. Familien sollen die Leistungen auf einem Kindergrundsicherungsportal digital beantragen können. Die Ampel hatte die Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag vereinbart. Insbesondere die Grünen wollen die Leistungen dabei ausbauen.
Lindner äußert Zweifel
"Wir brauchen gute Infrastruktur für Kinder, aber eben auch konkret in den Familien mehr Geld", forderte Paus am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". "Wenn kein Geld da ist, ist das ausgrenzend", sagte Paus. Sie hatte nach eigenen Angaben für die Einführungskosten für den Haushalt 2025 zwölf Milliarden Euro angemeldet. Für 2024 würde das Familienministerium erstes Geld benötigen, um etwa die Digitalisierung anzuschieben. Doch innerhalb der Koalition gibt es Streit um die Finanzierung. Derzeit ist in der Finanzplanung kein Geld dafür vorgesehen.
Bundsfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte vor einigen Tagen grundsätzlich Zweifel an den Plänen geäußert. Es sei nicht unbedingt sinnvoll, "mehr Geld zu überweisen". "Höhere Transfers sind nicht immer der Königsweg", sagte er vergangene Woche dem Nachrichtenportal "t-online". Von größerer Bedeutung seien seiner Ansicht nach die Digitalisierung und Vereinfachung der Förderung.
Paus verteidigt Kindergrundsicherung - "gut angelegtes Geld"
Paus entgegnete am Dienstag im "ARD-Morgenmagazin": Die Kindergrundsicherung werde allein deshalb mehr Geld kosten, weil die Neuerungen dafür sorgen sollen, dass alle berechtigten Familien das Geld auch abriefen. Aktuell beantrage nur etwa jeder Dritte den Kinderzuschlag, erklärte sie beispielhaft. Grund dafür seien etwa Unkenntnis oder bürokratische Hürden. Allein dass derlei bestehende Hilfen dann beantragt werden, koste den Bund rund fünf Milliarden Euro. Das sei aber "gut angelegtes Geld", weil es "für die Kinder, unsere Zukunft, eine Investition ist", sagte Paus.
Doch auch an den Grundleistungen wolle Paus etwas ändern. Denn: Das "soziokulturelle Existenzminimum von Kindern" sei seit vielen Jahren nicht angepasst worden. "Und auch deswegen wurde es im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir das ändern wollen", sagte Paus. Konkrete Beträge nannte sie nicht.
Landkreistag warnt vor Fehlern bei Ausgestaltung der Kindergrundsicherung
Der Deutsche Landkreistag warnte vor einem Schnellschuss sowie Fehlern bei der Ausgestaltung. Der Präsident, Landrat Reinhard Sager (CDU), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Geht man hier nicht sorgfältig vor, besteht die Gefahr, dass sich für die Familien die Zahl der zuständigen Behörden verdoppelt, man das Reformziel verfehlt und wie so oft bei Sozialleistungen wieder alles nur noch komplizierter wird." Die Kindergrundsicherung solle verschiedene Familienleistungen zusammenführen, mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedarfen. "Es ist daher leichter gesagt als getan, hier schnell voranzukommen. Denn einen Schnellschuss kann keiner wollen."
Der Paritätische Gesamtverband drängte Lindner dazu, die Reform nicht zu blockieren. "Es führt kein Weg an der Kindergrundsicherung vorbei. Und es ist Aufgabe des Finanzministers, die Mittel dafür zu besorgen", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". Den Kampf gegen Kinderarmut gegen Rüstung auszuspielen wäre verwerflich, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider mit Blick auf Forderungen nach mehr Militärausgaben.
Auch der Vizevorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Andreas Audretsch, sagte der "Rheinischen Post": "Internationale Verantwortung, Klimaschutz und eine gute Zukunft für unsere Kinder dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden." Man müsse über Einsparungen durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen und über Möglichkeiten gerechter Mehreinnahmen sprechen, so Audretsch weiter.
Paus: Priorität sollte bei den Kindern liegen
Familienministerin Paus hatte im "ntv Frühstart" gesagt: "Ich möchte jetzt nicht äußere gegen innere Sicherheit ausspielen. Aber völlig klar ist: In dieser Krisensituation müssen wir auch dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft nicht noch weiter auseinanderfliegt."
Es handele sich um eine Frage der Prioritäten: "Zwölf Milliarden Euro - das sollte uns das tatsächlich wert sein. Wenn man mal im Verhältnis dazu sieht, dass die Abschaffung des Solis für die Topverdiener in diesem Lande auch ungefähr elf bis zwölf Milliarden Euro kosten würde, dann hat man ungefähr eine Vorstellung, worum es geht", so Paus. Die Priorität solle ihrer Ansicht nach ganz klar bei den Kindern liegen.
Mit Informationen von dpa, AFP, KNA und epd
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