Ganzjähriger Salatanbau im Gewächshaus der Familie Scherzer in Dinkelsbühl
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Salate im Gewächshaus der Familie Scherzer in Dinkelsbühl

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Klima- und Energiekrise: Folgen für unsere Gewächshäuser

Tomaten, Paprika, Gurken oder Salate sind auch außerhalb der Saison beliebt. Angebaut werden sie ganzjährig: In Südeuropa, aber auch bei uns – in Gewächshäusern. Zur Frage der Klimabilanz stellt sich aktuell jetzt auch die der Energieversorgung.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Bio-Cherrytomaten aus Spanien, konventionell erzeugte aus Marokko, Rispen-Tomaten aus der Türkei. Fruchtgemüse, das bis zu 2.000 Kilometer im Lastwagen zurückgelegt hat: Die Auswahl in Bayerns Supermärkten ist auch jetzt, zum Ende des Winters, groß. Daneben bietet der Lebensmittel-Einzelhandel aber auch Tomaten, Gurken und Salate an, die regional erzeugt wurden. Denn heimische Anbaubetriebe produzieren immer mehr Gemüse in beheizten Gewächshäusern.

Ein Kilo Tomaten – ein halber Kubikmeter Erdgas

Für ein Kilo Gewächshaustomaten brauchen die Betriebe dabei etwa einen halben Kubikmeter Erdgas. Die Gärtnerinnen und Gärtner bauen so an, weil der Verbraucher die Ware nachfragt, sagt Andreas Schmitt vom Versuchsbetrieb der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Bamberg: "Gurken, Tomaten, Paprika, das sind halt Gemüsearten, die sind relativ einfach. Da kann man einfach reinbeißen, die schmecken den meisten. Eine Schwarzwurzel muss man aufwändig zubereiten, Rosenkohl muss man auch erst mal kochen und, und, und. Deshalb haben wir das Fruchtgemüse."

Künstliches Licht, künstliche Wärme

Das Angebot gibt es so gut wie immer, beinahe das ganze Jahr. Deswegen stehen immer mehr gewaltige Gewächshäuser in der bayerischen Landschaft. Lampen ersetzen das Sonnenlicht, Gasheizungen die Sonnenwärme. Im Dezember Tomaten pflanzen und sie im März ernten: Seit 2015 stieg die Gemüseerzeugung unter Glas um mehr als 25 Prozent. Dennoch liegt der Selbstversorgungsgrad bei Tomaten in Bayern laut LWG erst bei 18 Prozent. Es ist also noch viel Nachfrage da. Die wird bisher vor allem von Betrieben in anderen europäischen Ländern gedeckt.

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Erntereife Tomaten in einem Gewächshaus in Feulersdorf (Lkr. Kulmbach)

Erdgas: Wärme und Dünger

So produziert Holland fünf Mal so viel Gemüse wie Deutschland in beheizten Gewächshäusern. Energieträger ist, wie in Deutschland, vorwiegend Erdgas. Der Grund: Erdgas kommt bequem aus dem Leitungsnetz. Und: Die Versorgung war immer gesichert. Bis zum Beginn des Ukraine-Krieges zumindest. Außerdem liefert Erdgas nicht nur Wärme, sondern auch Dünger. Denn was viele Laien nicht wissen: Die Gartenbaubetriebe können aus dem Erdgas Kohlendioxid filtern und dieses als Dünger nutzen, so Stefan Kirchner von der LWG in Veitshöchhheim: "Diese Pflanzen in der intensiven Unter-Glas-Produktion müssen natürlich mit CO2 zusätzlich versorgt werden, weil da das CO2 aus der Luft nicht reicht, um diese Wuchsleistung zu bringen."

Mehr Energie, mehr Ertrag

Mit dem CO2-Dünger aus dem Erdgas erreichen sowohl konventionell als auch biologisch wirtschaftende Betriebe also höhere Erträge. Das Ergebnis: Unter Glas können auf derselben Fläche wesentlich mehr Lebensmittel produziert werden, sagt Kirchner: "Wenn ich im Freiland Tomaten anbauen würde, dann habe ich vielleicht von Juli bis September fünf, sechs Kilo je Quadratmeter, und hier habe ich bei einer Marktsorte fast den Faktor zehn im Gewächshaus. Das heißt, die Energie, die ich reinstecke, verteilt sich auch auf eine wesentlich höhere Erntemenge."

CO2-Abdruck von Gewächshaus-Gemüse

Und doch bleibt der Energieverbrauch und damit die CO2-Belastung der wunde Punkt des Unter-Glas-Anbaus. Zwar brauchen die Betriebe laut LWG heute nur noch halb so viel Energie pro Quadratmeter wie noch vor zwanzig Jahren, das Heizen bleibe aber besonders im Winter ein Problem, meint Julian Senn vom IFEU-Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg: "Die Heizenergie spielt natürlich eine sehr große Rolle für den gesamten CO2-Fußabdruck des Gemüses, der macht dann tatsächlich bis 80 Prozent des CO2-Abdrucks aus, je nachdem, welche Energiequelle man nutzt, ob man da Erdgas nutzt, Heizöl oder ein Hackschnitzel-Heizkraftwerk."

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Gewächshäuser in Spanien

Sieger in Sachen Klima: Die spanische Tomate

Die größten Faktoren beim Anbau sind laut IFEU-Institut Heizenergie und der Düngemittel-Einsatz. Berücksichtigt werden vom Institut auch die Erzeugung des Saatguts, die Düngerherstellung, Transport, Lagerung und Kompostierung. Dadurch landet man bei einer heimischen Gewächshaus-Tomate bei zwei bis 2,5 Kilo CO2-Äquivalent – pro Kilo. Bei einer spanischen Tomate sind es im Vergleich nur 0,4 bis 0,5 Kilo CO2-Emissionen.

Sieger in Sachen Wasser: Die bayerische Tomate

Ausschlaggebend für eine ökologische Bewertung ist allerdings nicht allein der CO2-Fußabdruck. Auch die künstliche Bewässerung verursacht einen "Fußabdruck", so Julian Senn vom IFEU-Institut. Dabei spiele nicht nur die Wassermenge eine Rolle, sondern auch die Wasserknappheit in einer Region: "Da die Wasserknappheit in Südspanien, wo viele Tomaten angebaut werden, deutlich größer ist, ist man bei einer spanischen Tomate im Vergleich zur deutschen Tomate um den Faktor zwei bis vier höher."

Hinzu kommt noch der soziale Fußabdruck: Unter welchen Bedingungen arbeiten die Erntehelfer, wie wohnen sie, wie werden sie bezahlt? Auch unter diesem Aspekt dürfte Bayern sicher vorn liegen.

Statt Erdgas: Bio-Methan

Ob dies für die Kunden eine Rolle spielt oder nicht: Das Geschäft mit regionalem Gemüse aus beheizten Gewächshäusern boomt. Deshalb konnten viele Familienbetriebe in den letzten 20 Jahren ihre Produktion enorm steigern – wie der von Peter Höfler in Nürnberg. Auch er stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll in Sachen Heizenergie. Früher, sagt Höfler, sei in den Gewächshäusern noch mit Steinkohle geheizt worden. Das mache aber kaum noch jemand. Mit anderen Betrieben aus dem Knoblauchsland bezieht er Erdgas über einen Gruppentarif vom Energieversorger NErgie. Angesichts der Ukraine-Krise und einem drohenden Lieferstopp durch Russland hat er bereits eine Alternative: Bio-Methan.

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Mit Bio-Methan betriebenes Blockheizkraft bei Höfler Gemüse in Nürnberg

Eigenes Blockheizkraftwerk

Peter Höfler betreibt zwei Blockheizkraftwerke, eines mit Erdgas und ein zweites mit Bio-Methan. Das Gas treibt einen großen Motor an, der wiederum einen Stromgenerator in Bewegung setzt: Kraft-Wärme-Kopplung. Die Motorwärme nutzt der Landwirt zum Heizen eines Gewächshauses, den Strom speist er derzeit noch ins öffentliche Netz ein, will ihn aber künftig für den eigenen Betrieb nutzen. Das Blockheizkraftwerk läuft nur, wenn im Gewächshaus Wärme gebraucht wird. Das ist allerdings bis in den Sommer der Fall. Denn auch dann werden die Pflanzen in den Morgenstunden noch leicht angeheizt, erklärt Peter Höfler: "So beugen wir zum Beispiel dem Botrytis-Befall vor. Wir versuchen in der Kulturführung, dass es den Pflanzen so gut geht, dass sie gar nicht krank werden."

Biomasse statt Erdgas

Einen anderen Weg geht Gärtnermeister Rudolf Dworschak. Er produziert in einem neuen, rund 20.000 Quadratmeter großen Gewächshaus Tomaten nach Bioland-Richtlinien. Beheizt mit Erdgas, darf Dworschak wegen des Aufwands an fossiler Energie nach den Richtlinien des Anbauverbandes erst im März pflanzen – dann, wenn seine konventionellen Nachbarn bereits ernten. Deshalb, aber auch mit Blick auf den Klimaschutz, will er jetzt umschwenken. Wenn schon Land unter Glas kommt, wenn schon beheizt wird, sagt er, dann mit regenerativer Energie. Bislang verbrauchte Dworschak zwölf Millionen Kilowattstunden Erdgas. Nun will er in einem ersten Schritt die Hälfte ersetzen - durch Biomasse. Mit regenerativer Energie darf er dann nach den Bioland-Richtlinien Tomaten fast das ganze Jahr über erzeugen: von Februar bis November.

Auch bei Bio – die Nachfrage nach Gemüse im Winter ist groß

Erdgas, das als Klimakiller gilt, die finanzielle Belastung durch die CO2-Steuer: Das alles grämt auch den Bio-Gärtner. Sofort auf Erdgas könne er nicht verzichten, sagt Rudolf Dworschak. Wegen der hohen Baukosten. Ein schlechtes Gewissen habe er nicht: "Weil: Wir verschwenden keine Energie. Und wenn ich was Schnippisches sagen darf: Bevor wir beim Wichtigsten anfangen, beim Lebensmittel, muss ich fragen: Brauchen wir alle zwei Jahre ein neues Handy? Oder der Verbraucher sagt: Wir essen im Winter nur Sellerie, Lauch und Kraut und vielleicht ein paar Karotten, dann stünden sowieso keine Gewächshäuser da, dann würden wir das anbauen."

Warnung vor Feinstaub und Übernutzung der Wälder

Biomasse, der nachwachsende Rohstoff Holz – das alles klingt überzeugend, vor allem in einem waldreichen Bundesland wie Bayern. Dennoch gibt es auch hier eine Kehrseite: Das Umweltbundesamt bemängelt am Brennstoff Holz die Feinstaubemissionen . Außerdem gibt es Wissenschaftler, die vor einer Übernutzung der Wälder warnen.

Restholz, Windkraft, Photovoltaik

Gegen diese könnte die Verwendung von sogenanntem Restholz helfen, das entsteht, wenn etwa Hecken, Straßen- und Uferböschungen gepflegt und gehäckselt werden. So wird in Dinkelsbühl bereits heute Deutschlands größtes Salatgewächshaus mit Wärme und Strom aus Restholz versorgt.

Beim IFEU-Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg setzt man zudem auf das Heizen mit Strom aus erneuerbaren Quellen, wie Julian Senn erläutert: "Wir empfehlen tatsächlich bei niedrigen Temperaturen, wie jetzt zum Beispiel beim Gemüsebau, eher in Richtung Wärmepumpen zu gehen. Langfristig muss das tatsächlich der Weg sein, da da die Energieumwandlung deutlich effizienter ist und man da erneuerbaren Strom aus Windkraft und Photovoltaik nutzen kann."

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Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 in Lubmin bei Greifswald, durch die seit 2011 russisches Erdgas nach Deutschland fließt

Erdgas und Putins Krieg

Fest steht: Wer im Winter Gemüse mit Hilfe von Erdgas produziert, wird es nach Putins Krieg in der Ukraine womöglich schwer haben, im Preiswettbewerb mit Tomaten und Paprika aus Spanien, Marokko oder der Türkei, die dort mit Hilfe kostenloser Sonnenwärme und kostenlosen Sonnenlichts wachsen.

Heimische Gemüsegärtner müssen für ihre bestehenden Gewächshäuser alternative Energie-Lösungen finden. Denn mehr noch als der Klimawandel werden jetzt wahrscheinlich steigende Energiepreise diesen Prozess erfordern.

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