Schweigemarsch in München am Totensonntag 2023
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Schweigemarsch in München am Totensonntag 2023

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Krieg in Israel und Gaza: Gemeinsam beten für den Frieden?

Krieg in Israel und Gaza: Gemeinsam beten für den Frieden?

Ein Friedensgebet mit Juden, Muslimen und Christen war Anfang November in München nicht möglich. Seither fragen viele Beteiligten: Welche Vorbedingungen braucht es, um miteinander für den Frieden beten zu können? Und was bringt das Gebet?

Über dieses Thema berichtet: Theo.Logik am .

Am Totensonntag war es ein interreligiöser Schweigemarsch, der in München schließlich hat stattfinden können, als Ersatz für das ausgefallene interreligiöse Friedensgebet Anfang November. Initiiert hatte diesen Schweigemarsch durch die Münchner Innenstadt der Verein "Freunde Abrahams", der sich seit den Anschlägen von 2001 für interreligiösen Dialog stark macht. Ein paar hundert Menschen waren gekommen, der ehemalige Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm war als Privatmann da. Von offizieller Seite niemand. Zu tief ist in der religiösen Landschaft Münchens die Verunsicherung, seit das geplante Friedensgebet am 6. November geplatzt war. Seither fragen sich viele: Warum kann man nicht gemeinsam beten?

Die Vorgeschichte ist spannend: Keine Flaggen, keine Schilder, keine Parolen, stattdessen Gebet - das war damals die Idee des gemeinsamen Friedensgebetes mit Vertretern von Judentum, Christentum und Islam, das Anfang November auf dem Marienplatz in München stattfinden sollte. Die Schirmherrschaft lag beim Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter, die Idee zum Gebet stammte aus einem Treffen des Oberbürgermeisters mit Münchener Imamen. Initiatoren waren der Münchner Muslimrat und andere Muslime aus der Stadt.

Muslimische Community: "Bittere Erfahrung"

Doch in den Tagen vor dem Gebet wurde Kritik laut – vom Grünenpolitiker und Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft Volker Beck und einer lokalen Gruppe gegen Antisemitismus. Beck warf dem Münchner Muslimrat vor, auch Einzelpersonen oder Gruppen zu vertreten, deren Abgrenzung vom Terror und der Hamas in Bezug auf den Konflikt in Israel und Gaza nicht klar sei. Nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe sagte Rabbiner Jan Guggenheim von der Israelitischen Kultusgemeinde die Teilnahme ab. Der Münchner Oberbürgermeister zog die Schirmherrschaft unter großem Bedauern zurück, ohne die jüdische Seite hätte die Veranstaltung keinen Sinn. Die Kirchen zogen nach. Die Initiatoren vom Münchner Muslimrat sahen sich gezwungen, das Friedensgebet abzublasen. Die muslimische Community in München zeigte sich irritiert, Imam Idriz sprach von einer "bitteren Erfahrung". Einige Menschen versammelten sich spontan trotz allem auf dem Marienplatz zum Gebet.

Imam Mehic: Abgesagtes Gebet ist verpasste Chance

Seither läuft die Aufarbeitung des Geschehens. Kann man nicht einmal mehr miteinander beten? Das abgesagte Friedensgebet ist für Imam Belmin Mehic vom "Münchner Forum für Islam" vor allem eines: "Eine verpasste Chance, ein Zeichen für den Zusammenhalt und für den Frieden zu setzen. Für die gemeinsamen Werte, die wir alle als gläubige Menschen vertreten." Der Sinn eines solchen Gebets sei es, gerade in Konfliktzeiten die Stimme für den Frieden zu erheben, so Mehic auf BR-Anfrage. "Es geht darum, einen Impuls zu setzen, dass wir uns nicht spalten lassen. Dass wir alle Geschwister sind, mit demselben Anliegen, denselben Werten, zu unserem gemeinsamen Wohl."

Und das trotz aller Unterschiede, die es in den verschiedenen Religionen gibt. Schließlich sensibilisierten gemeinsame Gebete auch dafür, Unterschiede wahrzunehmen und auszuhalten. "Auch wenn wir ja alle an denselben Gott glauben, sind unsere Wahrnehmungen von diesem Gott auch unterschiedlich. Und das darf ja auch sein und darf auch im Bittgebet zum Ausdruck gebracht werden." Es sei allerdings wichtig, dass jede Glaubensgemeinschaft sich bei einem solchen Gebet wohl und vertreten fühle.

Jan Mühlstein: Man muss vorher miteinander sprechen

Jan Mühlstein kann die Enttäuschung über die Absage verstehen. Er engagiert sich in der liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom, hat sie mitgegründet und lange Jahre den Vorsitz inne gehabt. Auch er betont im BR-Gespräch: "Ein gemeinsames Gebet kann die Gemeinsamkeiten zeigen; dass wir zwar unterschiedlich sind, aber dass Grundsätze wie die Suche nach Frieden, nach sozialer Gerechtigkeit, nach Gerechtigkeit überhaupt gemeinsame Werte der Religionen sind." Trotzdem hätte er persönlich nicht guten Gewissens zum Friedensgebet gehen können: "Ich spreche nicht den guten Willen ab", betont er. "Und wir müssen zum Krieg in Gaza auch nicht das gleiche sagen. Aber wir können nicht dazu aufrufen, gemeinsam etwas zu sagen, das wir nicht vertreten."

Ihn habe besonders gestört, dass in einer Mitteilung des Münchner Forums für Islam die Aussage gefallen sei: "Wir verurteilen den Terror gegen die Zivilbevölkerung in Israel durch die Hamas und rufen dazu auf, die Gewalt sofort zu beenden. Genauso verurteilen wir die Gewalt an der Zivilbevölkerung in Gaza und fordern ein sofortiges Ende." Für Mühlstein war diese Aussage problematisch. "Alle unschuldigen Opfer sind gleich", betont er. Aber man könne, so Mühlstein, die Gewalt der Hamas nicht mit der Gewalt aus Israel gleichsetzen, die als Reaktion darauf erfolgt sei.

Landesbischof Kopp betont ebenfalls Kommunikation

Der bayerische evangelische Landesbischof Christian Kopp sieht einen Fehler schon in der Vorbereitung. Da die Münchner Imame spontan mit OB Dieter Reiter auf die Idee gekommen seien und daher der Muslimrat und nicht der interreligiös besetzte Münchner "Rat der Religionen" das Gebet organisiert habe, habe man sich im Vorfeld vielleicht nicht gut genug abgestimmt. Dabei sei es derzeit "besonders notwendig, um den Frieden zu beten und gleichzeitig ist es besonders schwierig, weil die Gesprächslage so angespannt ist."

Der evangelische Landesbischof betont den Beitrag, den Religionen auch durch ihr gemeinsames Gebet für den Frieden beitragen könnten: "Die Chance ist, zu zeigen, dass Religionen zur Friedensstiftung in der Welt etwas beizutragen haben. Wir brauchen an vielen Orten der Welt so dringend Verständigung. In den allermeisten Religionen ist Frieden eine Kernbotschaft."