Die Absage des Friedensgebets am Münchner Marienplatz darf nicht endgültig sein, kommentiert Tilmann Kleinjung.
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Die Absage des Friedensgebets am Münchner Marienplatz darf nicht endgültig sein, kommentiert Tilmann Kleinjung.

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Kommentar: Absage des Friedensgebets darf nicht endgültig sein

Die Absage des Friedensgebets in München zeigt, dass der Krieg zwischen der Hamas und Israel auch in unserer Gesellschaft angekommen ist – und die Menschen entzweit. Die Absage darf nicht endgültig sein, kommentiert Tilmann Kleinjung.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Gemeinsam für den Frieden beten. Nichts leichter als das. Wer wünscht sich nicht Frieden? Alle Religionen haben diese Sehnsucht in ihrer DNA: ein friedliches Zusammenleben.

Also bleibt in der Not eigentlich nur noch das: gemeinsam für den Frieden beten. Nichts schwieriger als das. In München gerade ein Ding der Unmöglichkeit. Der Krieg, der Israel und Gaza in ein Schlachtfeld verwandelt, sorgt auch bei uns für Unfrieden, spaltet die Gesellschaft, entzweit. Um es mit den Worten von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zu sagen: "Die Zeit ist offenbar nicht reif, um in und für München ein gemeinsames Friedensgebet zu ermöglichen." Das ist einfach nur traurig.

Vorwürfe gegen Münchner Muslimrat nicht neu

München gilt als vorbildlich bei der Verständigung zwischen den einzelnen Religionen. Die Stadt beheimatet eine der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands. Es gibt eine vielfältige muslimische Community. Ja, diese Vielfalt, diese Vielstimmigkeit, ist nun einer der Gründe, warum ein gemeinsames Gebet nicht zustande kommt. Einzelne Mitglieder des Muslimrats, auf dessen Initiative das Gebet zurückgeht, sollen radikalen und dezidiert antisemitischen Organisationen wie der Muslimbruderschaft nahestehen.

Diese Vorwürfe sind nicht neu. In der Vergangenheit gab es ungeachtet dessen Begegnungen, gemeinsame Veranstaltungen. Zwei Tage vor dem mörderischen Angriff der Hamas auf Israel traf sich der "Rat der Religionen" zum alljährlichen Friedensgebet vor der Münchner Frauenkirche: Muslime, Juden, Christen.

Absage darf nicht endgültig sein

Was ist passiert, dass so ein Gebet einen Monat später nicht mehr möglich ist? Machen wir nicht den Fehler, nach Schuldigen zu suchen. Fragen wir nach den Bedürfnissen: Die jüdische Gemeinde steht nach dem schlimmsten Pogrom seit der Schoa am 7. Oktober unter Schock. Sie erwartet zu Recht, dass ihre muslimischen Gesprächspartner öffentlich und unzweideutig Judenhass verurteilen, dass sie keinen Zweifel am Existenzrecht Israels lassen. Das kann man gar nicht laut und oft genug sagen.

Viele Musliminnen und Muslime fühlen sich zu Unrecht in Sippenhaft genommen mit den Terroristen der Hamas. Andere haben das Gefühl, nicht trauern zu dürfen um die palästinensischen Opfer dieses Krieges. Kurz: Sie fühlen sich an den Rand gedrängt, marginalisiert. Deshalb haben Imame verschiedener Gemeinden beim Oberbürgermeister vorgesprochen, wollten ein Zeichen des Friedens setzen. Das Friedensgebet am Marienplatz sollte dieses Zeichen sein.

Es wäre schlimm, wenn die Absage am Montag eine endgültige Absage ist. Für ein friedliches Zusammenleben in der Stadt, im Land, ist Frieden zwischen den Religionen eine entscheidende Voraussetzung.

Nürnberg gelang, was München nicht schaffte

Gläubige Menschen sprechen ein Gebet in der Überzeugung, dass die Macht von uns Menschen endlich ist. Sie vertrauen ihre Ängste, ihre Hoffnungen einer höheren Macht an. In Nürnberg ist das gelungen. Da hat der Rat der Religionen die Religionsvertreter der Stadt vor zwei Wochen zu einem Friedensgebet zusammengebracht.

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