Das Bundeskabinett will heute die Reformpläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für das Krankenhauswesen beschließen. Nach mehr als eineinhalb Jahren Planung und Streit zwischen Bund und Ländern will Lauterbach mit der Reform die Finanzierung, Organisation und das Leistungsspektrum der rund 1.900 Krankenhäuser in Deutschland grundlegend verändern.
Umstrittene Reform: Bundesländer drohen mit Blockade
Lauterbach erhofft sich davon den Erhalt einer flächendeckenden medizinischen Versorgung, einen Abbau von Bürokratie und eine bessere medizinische Versorgung. Doch die Reform ist umstritten: Kritik an den Plänen kommt von den Bundesländern. Sie beklagen parteiübergreifend, Lauterbach habe sich nicht mit ihnen verständigt. Die Länder drohen mit einer Blockade im Bundesrat. Auch die deutsche Krankenhausgesellschaft sieht die Pläne skeptisch und befürchtet zum Beispiel lange Wartezeiten bei bestimmten Behandlungen. Patientenschützer warnen vor einer Unterversorgung auf dem Land.
Das Vorgehen, die Reform als nicht zustimmungspflichtiges Gesetz auf den Weg zu bringen, sei "der größte Wortbruch, den sich der Bundesgesundheitsminister entgegen früheren Zusagen gegenüber den Ländern geleistet hat", erklärte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha von den Grünen. Ein Gutachten im Auftrag mehrerer Länder sei zum Ergebnis gekommen, dass die Reform ein im Bundesrat zustimmungspflichtiges Gesetz sein müsse: "Die Länder halten sich eine Klage offen, das hängt vom weiteren Verhalten des Bundes ab."
Kritik: Planungen sind Ländersache
Lauterbachs Pläne widersprächen auch inhaltlich dem föderalen Prinzip, ergänzte Lucha. "Der Minister glaubt, zentralistisch vom Bund aus über das Krankenhausangebot vor Ort entscheiden zu können, obwohl die Planungshoheit laut dem Grundgesetz bei den Ländern liegt." Die Reform begünstige zudem einseitig Universitätskliniken in den Großstädten, nötig sei aber eine möglichst optimale Versorgung auch im Umland.
Auch Kliniken und Ärzte haben das Bundeskabinett aufgefordert, dem Vorhaben nicht zuzustimmen. "Die bisherigen Reformpläne bedrohen die Stabilität der Krankenhausversorgung in Deutschland", sagte der Chef der Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). "Wenn das Gesetz so umgesetzt wird, führt es zu langen Wartelisten, Fehlanreizen und mehr Bürokratie", fürchtet Gaß. Zudem sei mit Verfassungsklagen von Bundesländern, Krankenkassen und niedergelassenen Ärzten zu rechnen.
Marburger Bund spricht von Etikettenschwindel
Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, sagte den RND-Zeitungen, bei näherer Betrachtung entpuppe sich die Reform als Etikettenschwindel. "Das ist nicht die Entlastung von ökonomischem Druck, die wir in den Krankenhäusern brauchen", sagte sie. Eine Reform, die bewusst darauf angelegt sei, die Zahl der Kliniken zu reduzieren, habe komplexe Folgen für die Patientenversorgung.
Der Chef der Krankenkasse Barmer, Christoph Straub, warnte vor hohen Kosten für die gesetzlich Versicherten. Innerhalb der nächsten zehn Jahre würden die Kosten zum Umbau der Krankenhauslandschaft bis zu 25 Milliarden Euro aus Beitragsgeldern aufgebracht werden, obwohl die Investitionsfinanzierung Kernaufgabe der Bundesländer sei.
Patientenschützer fordern Bestandsgarantie für 200 Kliniken
Patientenschützer fürchten vor allem eine Unterversorgung auf dem Land. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert daher eine Garantie für 200 Kliniken. Lauterbachs Pläne beendeten nicht "die Überversorgung in Ballungszentren und die sich immer mehr zuspitzende Unterversorgung auf dem Land", kritisierte Stiftungs-Vorstand Eugen Brysch in der "Rheinischen Post" (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt).
Grünen-Politiker Dahmen begrüßt geplante Reform
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen begrüßte dagegen das Maßnahmenpaket der geplanten Krankenhausreform. Das Vorhaben sei "notwendig, wirksam und überfällig", sagte er dem Sender NDR Info. Dies gelte insbesondere angesichts der existenziellen wirtschaftlichen Not, in der sich viele Kliniken befänden. Menschen müssten sich auch zukünftig darauf verlassen können, "das richtige Krankenhaus zur richtigen Zeit am richtigen Ort überall in Deutschland zu haben", betonte Dahmen.
Der Grünen-Gesundheitsexperte sieht jedoch auch noch Möglichkeiten zur Verbesserung des bisherigen Konzepts. "Ich kann mir vorstellen, dass es in der Ausgestaltung des Gesetzes beispielsweise noch einfacher gemacht werden muss, Kooperationen und Konzentrationen von Krankenhäusern, dort, wo sie regional gewünscht und sinnvoll sind, noch leichter zu machen", sagte er.
Mit Informationen von KNA und AFP
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