Bundeskanzler Scholz und der israelische Ministerpräsident Lapid am 12.09.222 in Berlin.
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Nach Abbas-Eklat: Scholz und Lapid treffen Holocaust-Überlebende

Nach Abbas-Eklat: Scholz und Lapid treffen Holocaust-Überlebende

Deutschland und Israel wollen enger zusammenarbeiten. Daneben bestimmte die Erinnerung den Besuch von Israels Ministerpräsident Jair Lapid bei Bundeskanzler Olaf Scholz. Bei einer emotionalen Begegnung mit Holocaust-Überlebenden fließen Tränen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Nein, Israels Ministerpräsident Jair Lapid musste bei der Pressekonferenz mit Kanzler Olaf Scholz nicht am selben Ort stehen, von dem aus Palästinenserpräsident Mahmud Abbas seinem Land vor vier Wochen 50-fachen Holocaust vorgeworfen hat. Die Presseecke im ersten Stock des Bundeskanzleramts, in der sonst fast alle Pressekonferenzen stattfinden, wird gerade umgebaut. Außerdem ermöglicht es das prächtige Spätsommer-Wetter am Montag in Berlin, die Rednerpulte für Scholz und Lapid draußen im Garten des Kanzleramts aufzubauen. Das kommt nur ganz selten vor - eine besondere Geste für einen besonderen Verbündeten Deutschlands.

Militärische Zusammenarbeit

Auch militärisch soll enger zusammengearbeitet werden. "Israel wird seinerseits eine Rolle beim Aufbau der neuen deutschen Verteidigungskräfte spielen, vor allem im Bereich der Luftverteidigung", teilte Lapid mit. Scholz betonte, die russische Aggression habe auch für die Verteidigung Deutschlands eine Zeitenwende eingeleitet. "Dabei wollen wir auch sehr gerne mit Israel zusammenarbeiten, etwa im Bereich der Luftverteidigung, wo Israel mit dem Arrow 3 System über ein sehr leistungsfähiges Angebot verfügt."

Gaslieferungen aus Israel

Israel will darüber hinaus auch zur Linderung der Energiekrise in Europa beitragen. "Wir können vielleicht Gasexporte nach Europa erhöhen, hoffentlich wird das nächstes Jahr möglich sein", sagte Lapid. Israel könne aktuell etwa zehn Prozent des russischen Gases ersetzen.

Israel und Ägypten hatten im Juni in Kairo im Beisein von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Absichtserklärung über die Lieferung von verflüssigtem Gas nach Europa unterzeichnet. Israel soll demnach Gas ins benachbarte Ägypten liefern, das dort verflüssigt und mit Tankern nach Europa exportiert werden soll.

Lapid: Was Abbas gesagt hat, war abscheulich

Natürlich ging es auch noch einmal um den Abbas-Eklat. "Was Präsident Abbas gesagt hat, war abscheulich, war respektlos und schrecklich, einfach nur furchtbar", sagt Lapid. Scholz ergänzt, jede Relativierung des Holocaust sei inakzeptabel und man werde sie nicht hinnehmen. "Sie ist auch ein Verbrechen gegenüber den Opfern der Schoah, die so viel Leid erfahren haben."

Verbale Entgleisung im Kanzleramt

Die Äußerungen von Abbas gelten als die schlimmste verbale Entgleisung, die es im Kanzleramt je gegeben hat. "Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen. 50 Massaker, 50 Holocausts", hatte der Palästinenserpräsident auf die Frage gesagt, ob er sich für das Olympia-Attentat von 1972 entschuldigen wolle. Der Kanzler verpasste die Gelegenheit, direkt darauf zu reagieren, verabschiedete Abbas sogar mit einem Handschlag. Erst später distanzierte er sich sehr deutlich - für viele zu spät.

Lapid macht bei der Pressekonferenz deutlich, dass das für ihn kein Thema ist. Scholz sei von den Abbas-Äußerungen überrascht worden. "Ich habe dem Bundeskanzler gedankt, dass er danach reagiert hat auf das, was Abbas gesagt hat", sagt Lapid. "Wir schätzen, dass er das so eindeutig gesagt hat."

Zeichen gegen das Vergessen

Beide wollen an diesem Tag neben der Tagespolitik gemeinsam ein Zeichen gegen das Vergessen setzen, für die Erinnerung an den Holocaust. Lapid hat daher fünf Überlebende in seinem Flieger mit nach Berlin genommen. Mit ihnen treffen sich die beiden Regierungschefs nach ihren politischen Gesprächen im Haus der Wannseekonferenz.

In der idyllisch am Wannsee gelegenen Villa hatten hochrangige NS-Beamte und SS-Größen am 20. Januar 1942 in kaltem Bürokratendeutsch die Beschleunigung und Organisation der Ermordung Millionen europäischer Juden verabredet. Von "natürlicher Verminderung" und "verschiedenen Arten der Lösungsmöglichkeiten" der "Judenfrage", wie die Beteiligten es damals nannten, war die Rede. Im Protokoll der damaligen Besprechung ist das nachzulesen.

Treffen mit Holocaust-Überlebenden

Nun sitzen Scholz und Lapid gemeinsam mit den Holocaust-Überlebenden genau dort, wo vor gut 80 Jahren die Täter saßen. Es sind Bilder mit großer Symbolkraft. "Dies ist ein furchtbarer Ort. Hier ist ein furchtbares Verbrechen geplant worden", sagt Scholz, "bürokratisch, pedantisch, mit Präzision".

In Israel lebten nach Angaben des Ministeriums für soziale Gleichheit Anfang des Jahres noch rund 160.000 Überlebende. Im Schnitt waren sie zu dem Zeitpunkt 85 Jahre alt. In emotionalen Berichten schildern die hochbetagten Überlebenden ihre Erlebnisse und erzählen von Verbrechen, deren Augenzeuge sie wurden. Zum Beispiel Zvi Gil, in Polen geboren. Seine ganze Familie sei "erstickt durch Zyklon" - in Vernichtungslagern der Nazis wurde die Chemikalie Zyklon B zur Ermordung verwendet. Sein Instinkt und ein Sprung aus einem der Todeszüge retteten Zvi Gil das Leben.

Lapid: "Hier darf man weinen"

"Unsere besten Freunde haben sich über Nacht geändert, sie haben geschimpft und Steine geschmissen", erzählt die 93-jährige Penina Katsir von ihrer Kindheit in Rumänien. "Wir waren wie eine Fliege auf der Wand." Sie stellt die Frage, wie in einer so schönen Villa solche Verbrechen geplant werden konnten.

"Es ist für mich kaum möglich, hier zu sitzen", sagt Israel Mille, ein anderer Teilnehmer. Beim Erzählen über die schlimme Vergangenheit versagt ihm die Stimme. "Hier darf man weinen, das gehört dazu", sagt Israels Regierungschef Lapid. Als Sohn eines aus Ungarn stammenden Holocaust-Überlebenden weiß er, wovon er spricht.

Mit leisen Worten bedankt sich Scholz nach dem Gespräch bei den Teilnehmern. Die Überlebenden an diesem Ort - das sei für ihn ein sehr berührender Moment. "Weil es ja auch zeigt, die Nazis sind besiegt worden und das ist die Verpflichtung, die wir haben, dass wir sie immer wieder besiegen."

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BR24 wählt regelmäßig Inhalte von unseren europäischen öffentlich-rechtlichen Medienpartnern aus und präsentiert diese hier im Rahmen eines Pilotprojekts der Europäischen Rundfunkunion.

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