Eine Sturmböe hat im mittelhessischen Hachborn bei Marburg rund 200 Quadratmeter einer Photovoltaikanlage vom Dach gerissen und auf die Straße geweht.
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Eine Sturmböe hat im mittelhessischen Hachborn bei Marburg eine Photovoltaikanlage vom Dach gerissen und auf die Straße geweht.

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Orkantief trifft Westeuropa – auch in Deutschland stürmt es

Orkantief "Ciarán" - in Deutschland "Emir" genannt - ist mit extremen Windböen über weite Teile Westeuropas gezogen. Mindestens sieben Menschen kamen ums Leben; im Harz starb eine Frau aus Bayern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Mindestens sieben Tote, unterbrochene Stromnetze, umgestürzte Bäume, abgedeckte Dächer, blockierte Straßen - Orkantief "Ciarán" hat seine Spuren hinterlassen. Belgien, die Niederlande und Deutschland hatten mit heftigen Sturmböen zu kämpfen. Sehr heftig getroffen wurde der Südwesten Englands und der Nordwesten Frankreichs getroffen.

Hier gab es zwei Tote und 15 Verletzte, darunter sieben Feuerwehrleute, wie Innenminister Gérald Darmanin mitteilte. Ein Lastwagenfahrer starb, als sein Fahrzeug von einem umstürzenden Baum getroffen wurde. In Le Havre wurde ein Mann beim Schließen seiner Fensterläden von einem Windstoß erfasst und tödlich verletzt.

Kein Strom, dafür 21 Meter hohe Wellen

Etwa 1,2 Millionen Haushalte in Frankreich waren ohne Strom, umgestürzte Bäume blockierten Straßen und Bahnstrecken. Es habe erhebliche Sachschäden unter anderem an Dächern gegeben, teilte Innenminister Gérald Darmanin mit. Mehr als 1.300 Menschen wurden in Sicherheit gebracht. Feuerwehren rückten zu rund 1.900 Einsätzen aus. Zehntausende Menschen waren vom Mobilfunknetz abgeschnitten.

An der Atlantikküste und der Nordküste Frankreichs galt bis zum Abend Überschwemmungsgefahr durch Sturmwellen. Sturmböen erreichten örtlich Geschwindigkeiten bis zu 200 Kilometern pro Stunde. Vor dem zur Bretagne gehörenden Departement Finistère - dem westlichsten kontinentalen Zipfel Frankreichs - wurde eine 21 Meter hohe Sturmwelle gemessen.

"Es ist sehr gefährlich da draußen"

Auf der Insel Jersey im südwestlichen Ärmelkanal wurden der Polizei zufolge Windgeschwindigkeiten von bis zu 164 Kilometern pro Stunde gemessen. "Bitte bleiben Sie drinnen. Es ist sehr gefährlich da draußen", so eine Mitteilung der Jersey Police. Medien berichteten von abgedeckten Dächern und umgestürzten Bäumen.

An der Südküste Englands blieben hunderte Schulen in den Grafschaften Cornwall und Devon wegen des Sturms geschlossen. Berichten zufolge waren 6.000 Haushalte in Devon ohne Strom. Mehrere Bahnbetreiber im Großraum London riefen die Menschen auf, nur wirklich notwendige Reisen anzutreten.

Erhebliche Einschränkungen in Belgien

In Belgien starben mindestens zwei Menschen durch "Ciarán": In einem Park in Gent stürzte ein Baum auf zwei Fußgänger, von denen einer ums Leben kam. In einem weiteren Park mit Spielplatz wurde eine Fünfjährige von einem schweren, herabstürzenden Ast erschlagen, berichtete die Zeitung "De Standaard". In Antwerpen wurde ein Mann von einer umstürzenden Dachkonstruktion schwer verletzt.

Außerdem führte der Orkan zu zahlreichen Verkehrseinschränkungen und Feuerwehreinsätzen durch umgestürzte Bäume oder gekappte Stromleitungen. Im Hafen von Gent konnten Schiffe seit Mitternacht nicht mehr ein- oder ausfahren. Einzelne Flüge von und nach Antwerpen wurden nach Brüssel umgeleitet. Wenn der Wind nicht nachlasse, könne das am Freitag auch noch nötig sein, hieß es. Am Flughafen der Hauptstadt wurde am Donnerstag aufgrund des Sturms nur eine Start- und Landebahn genutzt, was zu Verspätungen führte.

Laut Polizei und Feuerwehr wurden Teile eines Dachs davongeweht, ebenso zwei Autos und Zelte. Der Bahnverkehr war ebenfalls stark beeinträchtigt, mit geänderten Routen und gestrichenen Zugverbindungen. Sturmschäden führten zu Unterbrechungen auf verschiedenen Bahnstrecken.

Zug-, Flug- und Schiffverkehr in den Niederlanden stark eingeschränkt

In den Niederlanden wurde in Venray nahe der Grenze zum Niederrhein ein Mensch von einem umstürzenden Baum erschlagen, teilte die Polizei mit. An mehreren anderen Orten hatten umstürzende Bäume Menschen verletzt, etwa in Den Haag. Auch Radfahrer waren von herabfallenden Ästen getroffen worden.

Wie ein Sprecher des Amsterdamer Flughafens Schiphol mitteilte, wurden wegen des Sturms Hunderte Flüge unter anderem nach Deutschland annulliert. Auch die Züge von und nach Paris fuhren nicht. Und die Schifffahrt von der Nordsee auf die Westerschelde im Südwesten des Landes wurde ebenfalls gestoppt. Auch einige Fähren zu Wattenmeerinseln konnten nicht fahren.

Der Meteorologische Dienst rief die zweithöchste Alarmstufe Orange für die südwestliche Provinz Zeeland und die Regionen an der Nordseeküste aus. Einige Schulen blieben vorsorglich geschlossen.

"Ciarán" trifft auch Portugal und Spanien

Das Orkantief traf auch Teile der iberischen Halbinsel. Eine junge Frau wurde in Madrid von einem umstürzenden Baum erschlagen, wie der Rettungsdienst mitteilte. Drei weitere Menschen wurden leicht verletzt. In Mitleidenschaft gezogen wurden von "Ciarán" vor allem der Norden Portugals sowie der Norden und das Zentrum Spaniens.

Es gab viel Regen und Windböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern, die zu Beeinträchtigungen des Bahn- und Luftverkehrs führten. In Madrid wurde der auch bei Touristen beliebte Stadtpark Retiro aus Sicherheitsgründen geschlossen. Auf den Balearen mit der vor allem bei Deutschen beliebten Urlaubsinsel Mallorca wurde mit Alarmstufe Orange in erster Linie vor hohem Wellengang gewarnt.

Frau aus Bayern stirbt durch umstürzenden Baum

In Deutschland, wo das Sturmtief "Emir" getauft wurde, gab der Deutsche Wetterdienst eine Sturmwarnung für Teile der Nordseeküste heraus.

Betroffen ist jedoch nicht nur die Küstenregion Deutschlands. Auch im Harz stürmte es am Donnerstag bereits deutlich stärker als zuvor erwartet, wie die Feuerwehr mitteilte. Eine 46-Jährige aus Bayern wurde am Rammelsberg im niedersächsischen Kreis Goslar von einem Baum getroffen und tödlich verletzt. Reanimationsversuche des Rettungsdienstes blieben ohne Erfolg. Die Familie wird durch ein Kriseninterventionsteam betreut. Mehrere Landstraßen im Harz sind wegen umgestürzter Bäume teilweise gesperrt. Auch eine Stromleitung wurde beschädigt.

Auch in den Alpen drohen Sturmböen

Bereits am Donnerstagmorgen beeinträchtigten auch in Nordrhein-Westfalen erste umgestürzte Bäume den Zugverkehr. Betroffen waren die Regionen Euskirchen, Remscheid, Mönchengladbach/Viersen und Dorsten.

Laut Prognose des Deutschen Wetterdienstes wird "Emir" Deutschland dann bis Freitagfrüh überquert haben. Zum Wochenende hin soll der Wind leicht abnehmen, es bleibt aber besonders in West- und Nordwestdeutschland größtenteils stürmisch und regnerisch.

Mit Informationen von dpa

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