Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat sich in einem Artikel im Bayerischen Klerusblatt zur Missbrauchsdebatte geäußert. Er habe vor der Anti-Missbrauchskonferenz im Vatikan Ende Februar "Notizen" zum Thema Missbrauch zusammengestellt, schreibt Benedikt, "da er selbst zum Zeitpunkt des öffentlichen Ausbruchs der Krise und während ihres Anwachsens an verantwortlicher Stelle als Hirte in der Kirche gewirkt habe".
Ausgangspunkt kirchlichen Missbrauchs: die sexuelle Revolution
Diese Notizen hat Benedikt nach Rücksprache mit Papst Franziskus - und dessen ausdrücklicher Genehmigung - nun als Artikel veröffentlicht. Es ist eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Missbrauch. Dessen Ausgangspunkt ist für den Papst die sexuelle Revolution der 60er-Jahre. Dass es auch in den Jahrzehnten davor schlimmste Formen sexuellen Missbrauchs in der Kirche gab, erwähnt Benedikt nicht.
"Homosexuelle Clubs" in Priesterseminaren
In den Jahren 1960 bis 1980 seien "die bisher geltenden Maßstäbe in Fragen Sexualität vollkommen weggebrochen" - mit Folgen für die katholische Kirche. Hochschulprofessoren zweifelten öffentlich an der katholischen Moraltheologie. In einigen Priesterseminaren bildeten sich - laut Ratzinger - "homosexuelle Clubs, die mehr oder weniger offen agierten und das Klima in den Seminaren deutlich veränderten".
Hauptgrund für den Missbrauchsskandal: Abwesenheit Gottes
Joseph Ratzinger sieht den Hauptgrund für den Missbrauchsskandal in der Abwesenheit Gottes, vor allem in der westlichen Gesellschaft - eine Gesellschaft, in der das "Maß des Menschlichen immer mehr verloren" gehe. Was eigentlich böse ist, sei mittlerweile geradezu selbstverständlich geworden. So sei das auch mit der Pädophilie.
Auf den Vorwurf, dass sexueller Missbrauch immer auch Missbrauch von Macht ist, geht der emeritierte Papst nicht ein. Die Machtstrukturen der römisch-katholischen Kirche stellt er nicht in Frage: Die "heilige Kirche" sei "unzerstörbar", auch wenn es in ihr Sünde und Böses gebe.
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