Viele Experten warnten schon im Sommer vor der vierten Corona-Welle und ihren möglichen Ausmaßen, hören wollte das allerdings kaum einer. Die Virologin Ulrike Protzer von der TU München erklärte das im Interview mit dem ARD-Morgenmagazin mit einer gewissen Abstumpfung in der Bevölkerung und mit einem Versagen der Politik: "Es waren einfach alle sehr beschäftigt mit Wahlkampf, dann mit Koalitionsverhandlungen und man muss ja auch ganz ehrlich sagen, auch die Menschen wollten von dem Virus natürlich nichts mehr hören. Das war einfach im Sommer nicht populär. Und obwohl viele vorhergesagt haben, dass wir wieder in ein Problem laufen werden, wollte es einfach keiner so richtig wahrhaben."
Virologin Protzer empfiehlt freiwillige Kontakteinschränkung
Nach Ansicht Protzers reichen die derzeitigen Maßnahmen, die am vergangenen Donnerstag vom Corona-Gipfel von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen nicht aus, um den Anstieg der Corona-Zahlen zu brechen. Damit in diesem Jahr noch ein schönes Weihnachtsfest gefeiert werden könne, müsse nun jeder seine Kontakte einschränken. "Wenn wir uns alle gemeinsam anstrengen - und das heißt leider auch unsere Kontakte reduzieren, solange die Zahlen noch so hoch sind -, haben wir noch eine Chance", so Protzer. Es gehe nicht um einen Lockdown, betonte sie, sondern um freiwillige Kontaktreduzierung, etwa den Verzicht auf große Feiern.
Protzer: Ungeimpfte sind die Hauptbelastung in den Kliniken
"Für Ungeimpfte muss man da sicher noch ein wenig strenger sein", fügte die Wissenschaftlerin hinzu, denn in jener Gruppe werde eine deutlich höhere Inzidenz festgestellt sowie eine deutlich häufigere Hospitalisierung. "Die Ungeimpften sind diejenigen, die wirklich die Hauptbelastung darstellen", so Protzer. Mit den Impfungen alleine werde man die derzeitige Entwicklung der Corona-Entwicklung der Corona-Zahlen bis Weihnachten nicht stoppen können. "Bis wir den vollen Impferfolg haben, wird es Januar werden."
Virologin zu Spahns Biontech-Rationierung: "ungeschickt"
Die Deckelung des Biontech-Impfstoffes vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums kritisierte Protzer als "ungeschickt". Der Moderna-Impfstoff sei ausgesprochen sicher, dennoch sei es ein Fehler gewesen, den bei der Bevölkerung angeseheneren Biontech-Impfstoff nun zu rationieren. "Einfach zu sagen, ich reduziere den, ist sicherlich extrem ungeschickt gewesen", so Protzer. "Und ich kann mir schon vorstellen, dass viele Menschen sagen: Biontech kenne ich jetzt, damit habe ich Erfahrung, den möchte ich weiter haben – und das sollte man den Menschen dann auch zugestehen können."
Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) räumte später am Montag während der Bundespressekonferenz ein, dass die Deckelung der Lieferungen von Biontech-Impfstoff an deutsche Arztpraxen dort für Probleme sorge.
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