Die Pariser Anschläge vom 13. November 2015 haben Frankreich tief traumatisiert - nun soll der größte Prozess in der Geschichte des Landes die Hintergründe der Attentate mit 130 Toten klären. Das Verfahren begann am Mittwoch begleitet von massiven Sicherheitsvorkehrungen. Fast 1.000 Polizisten sind im Einsatz - bewaffnete Spezialkräfte sichern den weiträumig abgesperrten Justizpalast.
Als Haupttäter angeklagt ist der Islamist Salah Abdeslam, der als einziger Überlebender der Terrorzelle gilt. Mit Bart, schwarzem T-Shirt und schwarzem Mund-Nasen-Schutz erschien der 31 Jahre alte Franko-Marokkaner zum Auftakt des Prozesses. "Ich möchte als erstes bezeugen, dass es keinen Gott gibt außer Allah", sagte Abdeslam. "Das sehen wir dann später", gab ihm der Vorsitzende Richter Jean-Louis Périès ungerührt zur Antwort.
Den Namen seiner Eltern wollte Abdeslam nicht nennen. Auf die Frage des Richters nach seinem Beruf antwortete Abdeslam: "Ich habe jeden Beruf aufgegeben, um Kämpfer des Islamischen Staates zu werden."
130 Tote, 350 Verletzte bei Attentaten
Die Terrororganisation IS hatte die Attentate auf die Konzerthalle Bataclan, das Stade de France und mehrere Lokale im November 2015 für sich reklamiert. Bei der Anschlagsserie wurden insgesamt 130 Menschen erschossen, darunter zwei Deutsche. 350 weitere Menschen wurden verletzt.
Abdeslam soll drei der Attentäter zum Fußballstadion gebracht und selber einen Sprengstoffgürtel getragen haben. Sein Bruder hatte sich bei der Attentatsserie in die Luft gesprengt. Abdeslam selbst ließ sein gemietetes Fahrzeug im Norden der französischen Hauptstadt stehen, warf seine funktionsuntüchtige Sprengstoffweste fort und floh nach Brüssel.
In dem umfassendsten Verfahren der jüngeren französischen Geschichte sind neben ihm 19 weitere Männer angeklagt, die unter anderem Waffen besorgt und Abdeslam bei der Flucht geholfen haben sollen. Gegen sechs Angeklagte findet der Prozess in Abwesenheit statt.
Fast 1.800 Nebenkläger
Der Prozess ist bis Mai 2022 angesetzt, 140 Verhandlungstage sind eingeplant. Mehr als 330 Anwälte sind beteiligt. Den Angeklagten droht zumeist lebenslange oder eine Haft von bis zu 20 Jahren.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gibt es 1.765 Nebenkläger. Diese sollten zum Prozessauftakt zunächst alle namentlich aufgerufen werden. Erst später wollte das Gericht inhaltlich breiter auf die Vorwürfe eingehen, die sich auf 500 Aktenordner mit Ermittlungsergebnissen stützen. Hunderte Zeugen sollen angehört werden, neben Ermittlern aus Frankreich und Belgien auch der damalige französische Präsident François Hollande.
Richter Périès verwies auf die außergewöhnlichen Umstände der Terrornacht und des Prozesses. "Die Ereignisse, über die wir zu entschieden haben, gehören wegen ihrer historischen Intensität zu den internationalen und nationalen Jahrhundertereignissen", sagte er. Das Verfahren soll für die Nachwelt gefilmt werden.
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