Auf einer "Querdenken"-Demo
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"Querdenken" ist nun Beobachtungsobjekt – was heißt das?

"Querdenken" ist nun Beobachtungsobjekt – was heißt das?

Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg will den Kern der "Querdenken"-Bewegung stärker ins Visier nehmen. Richtig, findet der Antisemitismusbeauftragte des Landes. "Querdenken"-Gründer Ballweg spricht dagegen von einem Einschüchterungsversuch.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Wer sich auf einer der zahlreichen "Querdenken"-Demonstrationen umsieht, die seit Monaten den Protest gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen auf die Straße bringen, hat erst einmal das Problem, herauszufinden: Wer demonstriert da überhaupt? Denn die Initiative "Querdenken", die ihre Wurzeln in Stuttgart hat, schart eine diffuse Mischung aus Menschen, Ideen und Weltbildern um sich: Kleinfamilien neben Krawallmachern, Regenbogen- neben Reichskriegsflaggen.

Es ist nicht immer einfach, da den Überblick zu behalten, aber es wird immer wichtiger. Denn erst in der vergangenen Woche hatte das Thüringer Innenministerium mitgeteilt, dass mittlerweile rund ein Drittel dieser Demonstrierenden zur rechten Szene gehört. Die Kritik an verschwörungsideologischen, verfassungsfeindlichen Äußerungen auf den Demos wird immer lauter. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg macht nun ernst.

"Querdenken" als "Beobachtungsobjekt" eingestuft

"Zusehends weicht der legitime Protest gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einer grundsätzlichen Staats- und Politikfeindlichkeit in bedenklichem Ausmaß", sagt Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Bei zentralen Personen der Querdenken-Bewegung stelle man "eine zunehmende Diffamierung staatlichen Handelns fest, die immer wieder in abwegigen Vergleichen mit der Diktatur des Nationalsozialismus und einer Verharmlosung des Holocaust gipfelt". Es werde gezielt "Hass auf den Staat" geschürt, unter anderem mit falschen Behauptungen. Das sei demokratiefeindlich.

Der Verfassungsschutz macht die Initiative "Querdenken 711" aus Stuttgart nun zum Beobachtungsobjekt. Es gebe hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen. "Die fortgeschrittene Radikalisierung der ‚Querdenken‘-Gruppierung im Land macht eine Beobachtung ihrer Organisationsebene durch unseren Verfassungsschutz unabdingbar", sagt Strobl.

Kein "Generalverdacht"

Aber wen genau will der baden-württembergische Verfassungsschutz nun beobachten? Das ist durchaus eine heikle Frage, denn das Innenministerium in Stuttgart weist selbst darauf hin: "Die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 'Querdenken'-Demonstrationen sind keine Extremisten." Es gebe keinen "Generalverdacht" gegen Demonstrierende.

Beobachtet werden soll stattdessen der Kern der Initiative "Querdenken 711", einschließlich ihrer regionalen Ableger in Baden-Württemberg sowie Extremisten im Umfeld der Gruppierung, heißt es. Sowohl "personell" als auch "ideologisch" gebe es dort Überschneidungen unter anderem zu Rechtsextremisten und Reichsbürgern, die den Behörden bereits bekannt sind.

"Querdenken" vernetze sich ganz bewusst in solchen Milieus, sagt Verfassungsschutzpräsidentin Bube. Ein Beispiel: Ein "Arbeitstreffen" in Thüringen mit dem Reichsbürger Peter Fitzek, der sein eigenes "Königreich Deutschland" ausgerufen hatte.

Zusätzliche Möglichkeiten für den Verfassungsschutz

Die Einstufung der Initiative "Querdenken 711" als Beobachtungsobjekt schafft dem Verfassungsschutz in Baden-Württemberg nun zusätzliche Möglichkeiten, um die Initiative systematisch zu beobachten. Konkret heißt das: Nun dürfen die Verfassungsschützer personenbezogene Daten erheben und auch speichern, sagt ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums dem BR. Außerdem könnte der Verfassungsschutz gezielt V-Personen anwerben.

"Querdenken"-Gründer spricht von Einschüchterungsversuch

Der Gründer der Bewegung "Querdenken 711", Michael Ballweg, versucht seit Monaten, sich offiziell etwa von den Reichsbürgern zu distanzieren. Immer wieder betont er, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen. Entsprechend fällt auch seine Reaktion auf die Pläne des baden-württembergischen Verfassungsschutzes aus: Es seien nur "allgemeine, völlig substanzlose Gerüchte und Anschuldigungen" vorgebracht worden. "Die Beobachtung sehen wir als einen weiteren Versuch der Regierung an, friedliche Demonstranten einzuschüchtern", sagt Ballweg.

Wunsch nach bundesweitem Vorgehen

Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Michael Blume hält die "Querdenken"-Bewegung für sehr gefährlich. Bei den Demonstrationen tauchten immer wieder Verschwörungsideologien auf, oft antisemitisch. "Das Problem ist nun bei den Sicherheitsbehörden angekommen", sagt Blume dem BR. Die Bewegung sei aber weit über Baden-Württemberg hinaus vernetzt, deshalb müsste auch der Verfassungsschutz in anderen Bundesländern und auf Bundesebene nachziehen – und die "Querdenken"-Bewegung stärker unter die Lupe nehmen.

Mit Blick auf die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern, die morgen in Berlin beginnt und sich auch mit dem Thema befassen will, sagt Blume: "Ich gehe davon aus, dass man eine gemeinsame Linie findet und vor allem den Austausch verstärkt."

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