Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat angekündigt, auch weiterhin versuchen zu wollen, in direkten Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auf ein Ende des Krieges gegen die Ukraine hinzuwirken. "Ich werde auch wieder mit Putin telefonieren – weil es nötig ist, dass miteinander gesprochen wird", sagte Scholz dem "Tagesspiegel" (Sonntag): "Es ist an Putin, Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen und diesen furchtbaren unsinnigen Krieg zu beenden, der schon Hunderttausende das Leben gekostet hat." Bei der genannten Zahl der Todesopfer dürfte es sich um eine Schätzung handeln.
Scholz: Telefonate mit Putin "nicht unhöflich", aber "deutlich"
Solange Russland den Krieg in unverminderter Aggression weiterführe, werde sich die jetzige Situation nicht ändern, sagte Scholz. Zwar seien die Telefonate mit Putin "im Ton nicht unhöflich." Putin mache in den Telefonaten aber immer wieder deutlich, dass er "sich Teile seines Nachbarlandes mit Gewalt einverleiben" wolle, was "unakzeptabel" sei, sagte Scholz.
"Manchmal ist es auch um konkrete Fragen des Gefangenenaustauschs, der Getreideexporte aus der Ukraine und des Atomkraftwerks Saporischschja gegangen." Entscheidend sei aber die Frage: "Wie kommt die Welt aus dieser schrecklichen Lage heraus?" Die Voraussetzung dafür sei "der Rückzug russischer Truppen" aus der Ukraine.
Scholz ruft zu Besonnenheit in Diskussion um Waffenlieferungen auf
Mit Blick auf neue Forderungen zur Lieferung von Kampfjets in die Ukraine warnte Scholz davor, "in einen ständigen Überbietungswettbewerb einzusteigen, wenn es um Waffensysteme geht". Die Frage der Kampfflugzeuge stelle sich gar nicht. "Wenn, kaum dass eine Entscheidung getroffen ist, in Deutschland die nächste Debatte beginnt, wirkt das wenig seriös und erschüttert das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in staatliche Entscheidungen."
Nach der Zusage von Deutschland und weiteren westlichen Ländern, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern, hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch unter anderem Kampfflugzeuge erbeten. Die Bundesregierung lehnt dies ab. Er müsse als Bundeskanzler "alles dafür tun, dass aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine kein Krieg wird zwischen Russland und der Nato", sagte Scholz dem "Tagesspiegel". Diesen gebe es nicht, und er werde "eine solche Eskalation nicht zulassen. Darin sind wir uns in der Bundesregierung völlig einig, auch die Außenministerin sieht das so".
Scholz bekräftigt: Deutschland nicht am Krieg beteiligt
Auch auf einer Pressekonferenz im argentinischen Buenos Aires im Rahmen seiner Reise nach Südamerika bekräftigt Scholz: Deutschland beteilige sich aus seiner Sicht trotz umfangreicher Waffenlieferungen nicht am Ukraine-Krieg. "Das ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine", sagte Scholz am Samstagabend (Ortszeit). "Daran ändert sich nichts dadurch, dass wir die Ukraine mit finanzieller, humanitärer Hilfe ausstatten oder Waffen liefern." Deutschland werde alles dafür tun, damit es nicht zu einer Eskalation kommt, die zu einem Krieg zwischen Russland und Nato-Staaten führt. "Das ist für uns ausgeschlossen. Wir werden alles tun, dass es nicht passiert."
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte am Dienstag im Europarat mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufgerufen. Dabei sagte sie auf Englisch: "Wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander." Das Auswärtige Amt relativierte Baerbocks Aussage später gegenüber der "Bild"-Zeitung und stellte klar, die Ukraine dabei zu unterstützen, ihr Selbstverteidigungsrecht auszuüben, mache Deutschland "nicht zu einer Konfliktpartei".
Argentinien erteilt möglicher Waffenlieferung an Ukraine Absage
Scholz, der zu einem viertägigen Besuch in Argentinien, Chile und Brasilien ist, hatte dem Medienverbund "Grupo de Diarios América" gesagt, der Ukraine-Krieg sei "keine rein europäische Angelegenheit". Die brasilianische Zeitung "Folha de S. Paulo" berichtete am Freitag unter Berufung auf Kreise, Brasilien habe dem deutschen Ersuchen nach dem Verkauf von Gepard-Munition eine Absage erteilt. Nach Aussage eines Diplomaten des brasilianischen Außenministeriums bat die brasilianische Regierung das brasilianische Verteidigungsministerium um eine Stellungnahme.
Zwischen Russland und der argentinischen Regierung unter der damaligen Präsidentin Cristina Kirchner bestanden enge Verbindungen, in die durch Impfstoff-Lieferungen in der Corona-Pandemie neuer Schwung gekommen zu sein scheint. Der jetzige argentinische Präsident Alberto Fernández lehnte bei Scholz' Besuch in Südamerika eine mögliche Waffenlieferung Argentiniens an die Ukraine ab: "Argentinien und Lateinamerika denken nicht daran, Waffen an die Ukraine oder irgendein anderes Land in einem Konflikt zu schicken." Er könne aber versichern, so Fernández, dass der Kanzler und er sich am meisten wünschten, dass der Frieden so bald wie möglich wiederhergestellt werde.
Mit Informationen von dpa und AFP.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!