Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, spricht während einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 85. Jahrestages der Reichspogromnacht am ehemaligen Standort der Synagoge in Würzburg.
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Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, spricht während einer Gedenkveranstaltung

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Gedenken an Reichspogromnacht: Schuster warnt vor "Schon wieder"

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 zerstörten Nazis Synagogen und jüdische Geschäfte. Zum Gedenken an die Reichspogromnacht warnte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, vor antisemitischen Strömungen in der Gesellschaft.

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Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat sich entsetzt gezeigt über anti-israelische und pro-palästinensische-Demonstrationen in Deutschland. Bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der Reichspogromnacht vor 85 Jahren, warnte Schuster in Würzburg vor einem aufflammenden Judenhass hierzulande.

"Wer Terror bejubelt, hat aus der Geschichte nichts gelernt und hat in unserer Gesellschaft nichts verloren", sagte Schuster. Es erfülle ihn "mit großer Wut", dass es in Deutschland Menschen gebe, "die die brutale Ermordung von 1.300 Jüdinnen und Juden" durch die Hamas am 7. Oktober nicht nur guthießen, sondern feierten. Das Versprechen des "Nie wieder" wandle sich zu einem "Schon wieder".

Schuster ruft zum Kampf gegen Antisemitismus auf

Schuster betonte: "Es ist etwas aus den Fugen geraten in diesem Land. Es ist noch die Gelegenheit, dies zu reparieren, doch dafür muss man sich auch eingestehen, was in den letzten Jahren schiefgelaufen ist, was man nicht hat sehen können oder wollen." Dazu gehöre auch die Erkenntnis, dass hinter vorgehaltener Hand Antisemitismus in Deutschland bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen sei.

Das gelte vor allem für israelbezogenen Antisemitismus, wie er sich in diesen Tagen zeige. Angesichts eines stark steigenden Antisemitismus auch in Deutschland nach den Massakern der Hamas in Israel vor einem Monat sagte Schuster, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland stark, selbstbewusst und mutig seien - trotz großer Angst, die aktuell unter ihnen herrsche. Gerade jetzt sei Schutz gut und wichtig, aber: "Wir wollen frei leben in Deutschland, in unserem Land; frei leben in dieser offenen Gesellschaft."

Der Kampf wider den neuen Antisemitismus heute sei nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil Antisemiten, egal ob religiös oder politisch motiviert, aus dem rechten oder dem linken Spektrum, es nie beim Antisemitismus bewenden ließen. Zivilcourage und Solidarität zu zeigen, sei deshalb derzeit besonders wichtig, sagte Schuster am Abend laut Redemanuskript. Es sei nie wichtiger gewesen, überzeugt für Demokratie und Freiheit einzustehen. Sie sei schon sehr lange nicht mehr einer solchen Bedrohung ausgesetzt gewesen.

Gedenkveranstaltung in Würzburg an historischem Ort

Das Gedenken in Würzburg fand am Standort der ehemaligen Synagoge statt. Beteiligt an der Ausrichtung waren neben der Stadt die Regierung von Unterfranken und die israelitische Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 verwüsteten Nationalsozialisten etwa 7.000 jüdische Geschäfte und Einrichtungen in Deutschland. Sie zündeten einen Großteil der rund 1.400 Synagogen und Gebetshäuser an, demolierten jüdische Friedhöfe und stürmten Wohnungen. Historiker gehen von mehr als 1.300 Menschen aus, die in Folge des Pogroms im damaligen Reichsgebiet ums Leben kamen. Mehr als 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt. Die Gewaltwelle gilt als Auftakt zur systematischen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Bis zum Kriegsende 1945 wurden im Holocaust etwa sechs Millionen Juden ermordet.

Am Donnerstag soll es bundesweit Veranstaltungen rund um den Jahrestag der Reichspogromnacht geben. So hält Bundeskanzler Olaf Scholz eine Rede bei der Gedenkfeier des Zentralrats der Juden in einer Berliner Synagoge. Zentralratspräsident Josef Schuster plant ebenfalls eine Ansprache. An der Veranstaltung nehmen zudem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig teil.

Mit Informationen der dpa und epd.

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