Am Abend bezog auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj klar Stellung: Er wies Anschuldigungen aus Moskau zurück, wonach die Ukraine einen Mordanschlag mit Drohnen auf Kremlchef Wladimir Putin zu verüben versucht habe. "Wir haben Putin nicht angegriffen", sagte Selenskyj am Mittwoch während seines Besuchs in Finnland.
"Wir kämpfen auf unserem Territorium. Wir verteidigen unsere Dörfer und Städte", fügte er an. Moskau denke sich so etwas aus, da Russland den vor etwas mehr als 14 Monaten begonnenen Krieg gegen die Ukraine bereits verloren habe. Der Kreml versuche so, seine Soldaten für den Krieg gegen Kiew zu motivieren.
Kreml wirft Ukraine Anschlagsversuch auf Putin vor
Nach Angaben des russischen Präsidialamts sollen in der Nacht zum Mittwoch zwei ukrainische Drohnen über dem Kreml in Moskau abgeschossen worden sein. Der Kreml bezeichnete den Vorfall als "geplanten Terrorangriff und einen versuchten Anschlag auf das Leben des Präsidenten der russischen Föderation" und machte die Führung in Kiew direkt dafür verantwortlich.
Putin sei zu dem Zeitpunkt nicht im Kreml gewesen. Unabhängig überprüft werden konnten die Anschuldigungen aus Moskau zunächst nicht. Russland drohte offen mit Gegenmaßnahmen.
Selenskyjs Berater: "Wozu?"
Vor Selenskyj hatte sich bereits dessen Berater Michailo Podoljak geäußert: "Die Ukraine hat nichts mit Drohnenangriffen auf den Kreml zu tun." Sein Land führe ausschließlich einen Verteidigungskrieg und greife daher keine Objekte auf russischem Staatsgebiet an, schrieb er auf Twitter. "Wozu? Das löst kein militärisches Problem", entgegnete er auf die Vorwürfe. Im Gegenteil: Russland bekäme so nur einen Anlass, um seine Angriffe auf Zivilisten zu rechtfertigen.
US-Außenminister Antony Blinken zweifelte die Anschuldigungen aus Moskau massiv an. Er könne die Berichte nicht bestätigen, sagte Blinken in Washington. Er würde jedoch "alles, was aus dem Kreml kommt, mit großem Vorbehalt aufnehmen".
Clips in den Sozialen Medien
In sozialen Netzwerken war in der Nacht ein Video aufgetaucht, das eine kleine Rauchwolke in der Nähe des Kremls zeigt. In einem weiteren Clip ist zu erkennen, wie ein verhältnismäßig kleines Objekt auf die Kuppel des Senatspalasts zufliegt - und dann offenbar abgeschossen wird. Kurz ist ein Feuerball zu sehen, dann Funken, die zur Seite fliegen. Für Verwunderung sorgten dabei bei Beobachtern zwei Gestalten, die während des Drohnen-Anflugs auf einer Seite die Kuppel hinauf zu klettern scheinen. Was es mit ihnen auf sich hat, war zunächst unklar.
Aufregung in Russland
Die Kreml-Berichte über den angeblichen Anschlagsversuch auf Putin sorgten in Russland derweil für große Aufregung. Dass zwei Drohnen bis auf das Kreml-Gelände gelangt seien, werfe Fragen über den Zustand der Luftverteidigung auf, schrieb etwa der Duma-Abgeordnete Sergej Mironow auf Telegram. Zugleich forderte er die "Eliminierung der terroristischen Elite der Ukraine". Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin teilte mit: "Wir werden die Anwendung von Waffen fordern, die in der Lage sind, das terroristische Kiewer Regime zu stoppen und zu zerstören." Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew forderte die "physische Eliminierung" des ukrainischen Präsidenten.
"In erster Linie hat der Vorfall die Schwäche der russischen Luftverteidigung demonstriert", kommentierte der russische Politologe Abbas Galljamow das Geschehen. Deshalb glaube er nicht an eine sogenannte False-Flag-Aktion, die der Kreml selbst inszeniert habe. Wenn überhaupt, dann könne es sich seiner Einschätzung nach höchstens um eine Inszenierung durch russische Hardliner handeln, die Putin so überzeugen wollten, der Ukraine nun auch offiziell den Krieg zu erklären.
Mit Informationen von dpa und AFP
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