Jeden Tag werden 48 Kinder Opfer von sexualisierter Gewalt. 2022 gab es 17.437 Opfer, erklärte der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, während der Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer.
Die Zahl der Fälle von Herstellung, Besitz und Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern hat sich binnen fünf Jahren verfünffacht. 2022 gab es 42.075 solcher Fälle, wie der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, in Berlin bei der Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer sagte. Im Vergleich zu 2021 stieg dieser Wert 2022 um 7,4 Prozent an. Ursache für die steigenden Zahlen seien stark gestiegene Hinweiszahlen. Von 136.000 Hinweisen aus den USA seien 90.000 strafrechtlich relevant gewesen. 68.000 Fälle leitete das BKA an die Länder weiter. Für das kommende Jahr erwarte er einen neuen Anstieg der Fallzahlen, sagte Münch.
Ermittlungsansatz IP-Adresse: BKA-Präsident fordert Mindestspeicherung
Auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Missbrauchsdarstellungen und jugendpornografische Inhalte besaßen oder über soziale Medien weiter verbreiteten, stieg stark an. Waren es 2018 noch 1.373 Tatverdächtige unter 18 Jahren, wuchs die Zahl 2022 auf 17.549 an. Die Zahl konnte sich somit mehr als verzwölffachen.
Münch forderte eine Mindestspeicherung von IP-Adressen. "In vielen Fällen ist die IP-Adresse der einzige Ermittlungsansatz", sagte Münch. Könne diese nicht verfolgt werden, müssten Verfahren eingestellt werden. Dadurch bestehe das Risiko, dass noch andauernde Missbrauchstaten nicht unterbunden werden könnten.
Sexualisierte Gewalt an Kindern: Wie viele Fälle gab es in Bayern?
Zahlen für den Freistaat hatte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bereits im März verkündet. Sexualisierte Gewalt an Kindern wird darin nicht gesondert dargestellt. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen macht mit 104 Fällen einen Anteil von 2,3 Prozent der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aus.
Laut der bayerischen Kriminalstatistik für das Jahr 2022 gab es bei Missbrauchsdarstellungen jugendpornographischen Inhalten einen Anstieg um 1.390 Fälle beziehungsweise 27,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Vergleich zu 2019 beträgt der Anstieg sogar 272 Prozent.
Missbrauchsdarstellungen: Meist keine sexuelle Motivation
Die meisten der tatverdächtigen Minderjährigen handle nicht sexuell motiviert, sondern aus Naivität. Vielfach hätten diese gar nicht verstanden, dass es sich bei vermeintlich coolen Bildern oder mit Musik unterlegten Videos um Missbrauchsdarstellungen handle.
Claus forderte deswegen eine Anpassung des Paragrafen zu Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte. Die strafrechtliche Verfolgung binde in diesen Fällen Ressourcen, die für die Verfolgung von klassisch kriminellen Täterkreisen fehlten.
Weniger getötete und misshandelte Kinder und Jugendliche
2022 sei die Zahl der getöteten und misshandelten Kinder und Jugendlichen zurückgegangen. 101 Kinder und Jugendliche wurden getötet, ein Rückgang um 30 Prozent. 51 Kinder und Jugendliche wurden vorsätzlich getötet, die anderen fahrlässig. Im Bereich der Misshandlung gab es 4281 Opfer, ein Rückgang um zweieinhalb Prozent im Vergleich zu 2021.
Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, forderte eine Dunkelfeldforschung und ein Forschungszentrum, um die Daten kontinuierlich zusammenzuführen und für die Politik nutzbar zu machen.
Mehr minderjährige Täter: Deutsche Kinderhilfe will Prävention
"Ziel muss sein, dass eindeutig ausbeuterische Taten zu Lasten von Kindern oder Jugendlichen weiterhin mit hohen Strafen geahndet werden, gleichzeitig aber Fälle mit geringem Unrechtsgehalt frühzeitig eingestellt werden können", sagte Claus. Zudem brauche es eine Stärkung des Kinder- und Jugendschutzes im Netz.
Angesichts der gestiegenen Zahlen minderjähriger Täter forderte die Deutsche Kinderhilfe eine Prävention, die so früh wie möglich beginnen solle. "Wir haben diese Kinder und Jugendlichen in den Zeiten der Lockdowns zu oft vergessen und müssen uns jetzt mit den Folgen auseinandersetzen und diesen Kindern endlich echte Unterstützung geben", erklärte der Ehrenvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker.
"Zutiefst erschütternd": Schutz von Kindern hat laut Faeser höchste Priorität
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Zahl von 48 missbrauchten Kindern am Tag "zutiefst erschütternd". Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen, habe für sie höchste Priorität. "Kein Täter darf sich vor Strafverfolgung sicher fühlen - das sind wir den Opfern dieser entsetzlichen Taten schuldig", erklärte sie am Dienstag.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die Anzahl der Fälle von sexuellem Missbrauch habe sich verfünffacht. Die Nachrichtenagentur AFP hat diese Aussage korrigiert: Verfünffacht hat sich die Zahl der Fälle von Herstellung, Besitz und Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern. Wir haben den Text entsprechend geändert.
Mit Informationen von AFP
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