Es ist das sprichwörtliche Fass ohne Boden. Als im Sommer in Bergisch Gladbach ein Netz von Pädophilen aufgeflogen ist, gab es über 30.000 digitale Spuren zu Verdächtigen. Die sich zum Teil ganz offen im Netz austauschten – bei WhatsApp und anderen weit verbreiteten Messenger-Diensten. Für die Ermittler eine Sisyphus-Aufgabe, all diesen Spuren nachzugehen. Und bei der es auf Schnelligkeit ankommt. Denn gerade die digitalen Spuren verschwinden oft schon nach kurzer Zeit.
Auch die öffentliche Empörung über den Fall Bergisch Gladbach hat letztlich dazu geführt, dass Ermittler jetzt mehr Befugnisse erhalten und die Strafen verschärft werden. Täter würden "ohne Wenn und Aber" verfolgt, so Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, SPD.
Längere Gefängnisstrafen für Missbrauch von Kindern
Sexuelle Gewalt gegen Kinder konnte bisher von Gerichten als "Vergehen" bewertet werden. Je nach Schwere des Falls wurden Täter deshalb manchmal nur für ein paar Monate ins Gefängnis geschickt, oder nur zu einer Geldstrafe verurteilt. Manchmal wurden Verfahren auch wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Im neuen Gesetz wird Kindesmissbrauch ein "Verbrechen", die Mindeststrafe beträgt dann ein Jahr, maximal sind sogar 15 Jahre möglich, die bisherige Höchststrafe liegt bei 10 Jahren. Auch die Verbreitung und der Besitz von Kinderpornografie wird zum Verbrechen hochgestuft, der Strafrahmen liegt dann zwischen einem und zehn Jahren Gefängnis. Das "gewerbsmäßige Verbreiten" wird sogar mit mindestens zwei und maximal 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet.
Bessere Werkzeuge für Polizei und Justiz
Mit den härteren Strafen hofft Bundesjustizministerin Lambrecht Täter abzuschrecken. Doch gleichzeitig will sie auch den Fahndungsdruck erhöhen. Mit besseren Instrumenten für die Ermittler, wie Online-Durchsuchungen und Überwachung von Telefonen, Mails oder Chats.
Familien- und Jugendrichter sollen besonders qualifiziert werden, mit Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften und -Gerichten. Grundsätzlich sollen auch die Prozesse schneller werden, bei Strafverfahren mit minderjährigen Opfern gilt dann ein sogenanntes "Beschleunigungsgebot".
Mehr Prävention gegen sexuellen Kindesmissbrauch
Immer wieder betonen Experten, dass der Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch nicht allein von Polizei und Justiz geführt werden kann. Es müsse eine "Kultur des Hinsehens" geschaffen werden, forderte erst kürzlich die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. So sieht das neue Gesetz der Bundesregierung auch vor, dass Familienrichter und -richterinnen Kinder – unabhängig von ihrem Alter - regelmäßig persönlich anhören. Etwa, wenn die Eltern vor Gericht darüber streiten, wo das Kind leben soll, oder wann ein Elternteil Besuchsrechte hat.
Um Kinder zum Beispiel in Sportvereinen oder anderen Freizeit-Gruppen zu schützen, sieht das neue Gesetz erweiterte Führungszeugnisse vor. Verurteilungen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs könnten dann bis 20 Jahre nach Ende der Freiheitsstrafe eingetragen bleiben. Bisher wurden entsprechende Einträge nach zehn Jahren gelöscht.
Auch Täter, die sogenannte "Kindersexpuppen" benutzen, begehen in Zukunft eine Straftat, bis zu drei Jahre Gefängnis drohen. Bundesjustizministerin Lambrecht sagte heute: Wer so etwas im Internet bestellt, muss wissen, dass er mit aller Härte verfolgt wird.
Bayern reicht Gesetz der Bundesjustizministerin nicht
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich reichen die Vorschläge der Bundesjustizministerin nicht. Konkret möchte er zum Beispiel, dass die Betreiber von Plattformen und Foren, in denen Kinderpornographie verbreitet wird, mindestens für drei Jahre hinter Gitter müssen.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, CDU, hofft bei den jetzt bevorstehenden Beratungen im Bundestag noch weitere Verschärfungen durchzusetzen. Vor allem den von der Union lang gehegten Wunsch, Provider länger zum Speichern von IP-Adressen zu verpflichten.
Allerdings ist zurzeit die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ausgesetzt, bis der Europäische Gerichtshof in Luxemburg das Thema abschließend klärt. Bundesjustizministerin Lambrecht versicherte heute, dass das neue Gesetz bereits vorsieht, in Zukunft auch auf Vorrat gespeicherte Daten zu nutzen, sobald dies erlaubt ist.
Bundesregierung: Gesetz soll schnell durch Bundestag
Grundsätzlich begrüßt die Bundestagsfraktion der Union aber den Gesetzentwurf. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer, CSU, nennt das Gesetz einen "Meilenstein für die Bekämpfung der abscheulichsten Straftaten, die man sich vorstellen kann." Sowohl SPD als auch Union sind sich einig: Das neue Gesetz soll möglichst bis Ende des Jahres im Bundestag beschlossen werden.
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