Acht Palästinenser wurden im Westjordanland seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Hamas von israelischen Siedlern getötet. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Mehr als 170 Fälle von Siedlergewalt sind dokumentiert. Besonders heftig ist es in den Hügeln südlich der Stadt Hebron. Das Gebiet mit seinen rund 200.000 Einwohnern wurde im Sechstagekrieg 1967 von Israel erobert und militärisch besetzt.
Illegale Außenposten verbreiten Angst und Schrecken
Hier wohnt auch Basil Adra. Er zeigt ein Video, das er gefilmt hat; Mitte Oktober war das, nach Kriegsausbruch. In At-Tuwani, weit weg vom Gazastreifen, im Westjordanland, südlich von Hebron. Das Video zeigt einen, der am helllichten Tag angeschossen wurde von einem jüdischen Siedler. Der, der sich auf dem Boden krümmt, ist Basils Cousin.
"Der Siedler kam runter, schlug meinen Cousin mit seinem M16-Sturmgewehr. Dann ging er einen Meter zurück und hat ihm in die Hand geschossen. Die Kugel ging auch in den Magen. Dann hat ein Soldat den Siedler gerufen. Zusammen sind sie dann zum Außenposten gegangen." Basil Adra
Der Außenposten ist auch nach israelischem Recht illegal. Dort wohnen Siedler, die sie hier gut kennen, weil sie immer wieder runter in das Dorf kommen und die Menschen terrorisieren. Basils Cousin wird überleben, aber er liegt noch auf der Intensivstation, wurde schon dreimal operiert.
Hauptproblem: Siedler als Reservisten
Auch deshalb ist Sahar Vardi hier mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten. Sie will den Leuten beistehen. Seit der Gaza-Krieg ausgebrochen ist, ist die Gewalt durch Siedler gegen Palästinenser noch schlimmer geworden, sagt sie. "Es fühlt sich so an, als könnten Siedler alles tun und keinen stört es", sagt sie. Alle schauten zurzeit auf Gaza.
Derweilen seien die Siedler aus dieser Gegend als Reservisten eingezogen worden und stünden jetzt hier auf dem Posten. "Dieselben Siedler, die vor eineinhalb Monaten Palästinenser ohne Uniform angegriffen haben, machen das jetzt mit. Und wenn man die Polizei ruft, dann sagen die: Das ist okay, das Militär ist da."
Terrorbekämpfung oder Amtsanmaßung?
Gewalt durch Siedler in Uniform der israelischen Streitkräfte komme in der Gegend südlich von Hebron jetzt häufiger vor, sagt Sahar Vardi. Manchmal werde nur geschlagen. Oft gingen die Soldaten in die Dörfer und führen Razzien durch - angeblich zur Terrorabwehr. "Das ist lächerlich, vor allem in den Dörfern. Hier hat es null Terroranschläge gegeben", meint Sahar. Sie unterstellt den Besatzern ein zynisches Kalkül: "Es gibt Reservisten, die wieder ihre Uniform anziehen, und die müssen trainiert werden aus militärischer Sicht. Und sie tun das mit Menschenleben."
"Sie zerstören, was sie zerstören wollen"
Nicht viel anders klingt, was Jibril Abu Mousa Araam erzählt. Wer zu ihm will, muss recht weit durch die Hügel laufen. Seiner Familie gehörte einmal viel Land hier. Jetzt steht auf Teilen darauf eine jüdische Siedlung, und Jibril ist ein Nervenbündel angesichts der Gewalt, die er hier fast täglich erlebt: "Es gibt keine Sicherheit, keinen Schlaf hier in der Gegend."
Siedler in Uniform und mit Waffen hätten angefangen, in die Häuser einzudringen, um zu zerstören, was sie zerstören wollten. "Sie wollen die Schafe stehlen. Und wenn jemand filmt, wollen Sie ihm das Handy wegnehmen und kaputtmachen oder denjenigen heftig schlagen."
Eine Höhle als Zuflucht
Gerade sind sie drüben beim Nachbarn, ein paar hundert Meter entfernt. Ein paar Männer in Uniform treiben Palästinenser aus einem Olivenhain, einer muss sich auf den Boden legen, von Ferne sind Schreie zu hören. Jibril kennt die Männer in Uniform: "Einer von denen, die ich kenne, hat mich schon vorher angegriffen und versucht, meine Schafe zu vergiften. Ein Siedler. Aber jetzt trägt er eine Soldatenuniform."
Dann beginnt Jibril Abu Mousa Araam, der stolze Palästinenser, zu weinen. Wir gehen, denn die gewaltbereiten Siedler-Soldaten könnten schon bald auch hier sein - und das kann auch für Journalisten gefährlich werden. Jibril zeigt uns noch eine Höhle, die er in den Felsen gehauen hat. Darin ist er sicher. Darin kann er sich verstecken, sagt er.
Das ist die europäische Perspektive auf den Nahostkonflikt
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