Kurz vor Mitternacht hat der slowakische Umweltminister Tomáš Taraba Entwarnung gegeben. Robert Fico sei nach dem Attentat außer Lebensgefahr. Er wurde gestern Nachmittag in Handlova in der Mittelslowakei mit einem Hubschrauber ins nächstgrößere Krankenhaus nach Banská Bystrica geflogen. Eigentlich hätte er weiter nach Bratislava transportiert werden sollen. Das sei aber zu riskant gewesen, heißt es.
Wie geht es Fico gesundheitlich?
Fico ist 59 Jahre alt. In der Vergangenheit ist er am Herzen operiert worden, hat laut Medienberichten einen dreifachen Bypass erhalten. Sein Zustand nach dem Angriff sei außerordentlich ernst gewesen, so die Regierung. Er habe mehrere Schusswunden, unter anderem im Bauch und musste mehr als drei Stunden lang operiert werden. Fünfmal sei auf Fico geschossen worden. Das hat der Innenminister bestätigt.
Was ist über den mutmaßlichen Attentäter bekannt?
Innenminister Matúš Šutaj-Eštok geht von einem politischen Hintergrund aus und von einem Einzeltäter. Er hat auch die Identität des mutmaßlichen Attentäters bestätigt. Medien hatten gestern schnell den Namen eines 71 Jahre alten Slowaken genannt. Er soll legal eine Waffe besitzen und früher für einen privaten Sicherheitsdienst gearbeitet haben. Er ist außerdem Mitglied der slowakischen Schriftstellervereinigung, schreibt Gedichte und hat sich in der Vergangenheit kritisch gegenüber Migration geäußert und auch gegenüber Extremismus und Gewalt.
Nachdem der Mann von der Polizei festgenommen worden war, soll er ausgesagt haben, er sei unzufrieden mit der Regierungspolitik und der geplanten Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das berichten slowakische Medien.
Welche Folgen hat das Attentat bisher?
Der Innenminister will einzelne Politiker besser schützen, auch einzelne Medienschaffende. Es muss auch entschieden werden, wer Robert Fico nach diesem Attentat als Regierungschef vertreten soll. Das muss einer seiner vier Stellvertreter sein, einer der ebenfalls Ficos linksnationaler Smer-Partei angehört. Das heißt, es läuft auf den aktuellen Verteidigungsminister Robert Kaliňák hinaus, ein langjähriger enger Vertrauter von Fico.
Die Opposition wollte eigentlich gestern wieder gegen dessen Regierung protestieren, konkret gegen die viel kritisierte Reform der öffentlich-rechtlichen Medien. Die Aktion wurde nach dem Attentat aber abgesagt. Auch Veranstaltungen zur Europawahl finden bis auf Weiteres nicht mehr statt. Die laufende Parlamentssitzung mit der Aussprache zu der Neugründung eines staatlich kontrollierten Medienhauses ist mindestens bis kommende Woche unterbrochen.
Wie ist die Stimmung nach diesem Attentat in der Slowakei?
Kurz nach dem Vorfall hat sich Präsidentin Zuzana Čaputová zu Wort gemeldet. Sie wurde in den vergangenen Jahren häufig von Fico beschimpft und verunglimpft. Sie hat außerdem Morddrohungen erhalten und ist auch deshalb nicht wieder zur Präsidentschaftswahl vor wenigen Wochen angetreten.
Nun hat sie die Tat verurteilt und die ganze Slowakei zur Überwindung der Spaltung aufgerufen. Ähnlich hat sich der Innenminister aus Ficos Regierung geäußert. Er sieht beide Seiten in der Pflicht. Aus seinem politischen Lager sind aber zum Teil heftige Anschuldigungen zu hören in Richtung der liberalen, proeuropäischen Politiker und in Richtung von kritischen Medien.
Warum ist Robert Fico so umstritten?
Der linksnationale Populist Fico war bereits von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 slowakischer Regierungschef. 2018 musste er nach der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobter zurücktreten. Kuciak hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und Ficos Regierungspartei recherchiert. Die Bluttat und die posthume Veröffentlichung eines Artikels von Kuciak lösten damals Massendemonstrationen gegen die slowakische Regierung aus.
Fico ist Gründer und Chef der zuletzt immer nationalistischer gewordenen Linkspartei Smer-SSD und seit fast 30 Jahren einer der beliebtesten Politiker der Slowakei. Er polarisiert aber zugleich wie kaum ein anderer. Gegner nennen ihn "prorussisch" und werfen ihm vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Ungarn unter Ministerpräsidenten Viktor Orbán führen zu wollen. Zuletzt sorgte Fico mit kontroversen Veränderungen im Land für Massenproteste. So beschloss seine Regierung eine viel kritisierte Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die nach Ansicht von Journalistenverbänden und Oppositionsvertretern die Pressefreiheit untergräbt.
Ist Fico "pro-russisch"?
Tatsächlich hat die Slowakei im Unterschied zu Ungarn seit Ficos Rückkehr alle EU-Sanktionen gegen Russland mitgetragen und auch allen EU-Hilfen für die Ukraine zugestimmt – einschließlich der Verwendung eingefrorener russischer Gelder für die Ukraine und Befürwortung eines Beitritts der Ukraine zur EU, nicht aber zur Nato. Die Sanktionen gegen Russland lehnt Fico entgegen anderslautender Medienberichte nicht grundsätzlich ab.
Er kritisiert aber, dass manche von ihnen der von russischem Gas, Öl und Uran abhängigen Slowakei mehr schaden als Russland selbst. Stattdessen verlangt er Sanktionen, die Russland empfindlicher treffen. Als Fico im Oktober 2023 Regierungschef wurde, stoppte er allerdings die Militärhilfe für Kiew und stellte die Souveränität der Ukraine infrage.
Zum Video: Zustand von Fico weiter ernst
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