Kabinettssitzung

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Soll es die GroKo richten? Pro und Contra

Jamaika ist gescheitert, Neuwahlen will keiner und eine Minderheitsregierung wäre wackliges Neuland. CDU, CSU und SPD könnten also bald wieder über eine erneute große Koalition verhandeln. Ein "Pro und Contra" von Achim Wendler und Daniel Pokraka

PRO von Achim Wendler:

Die große Koalition hat dasselbe Problem wie Finanzbeamte: schlechter Ruf trotz guter Arbeit. Alle schimpfen auf sie, und alle brauchen sie. Gerade jetzt. Die Alternativen sind schwach. Neuwahlen wären genau wie eine Minderheitsregierung das Eingeständnis politischen Scheiterns. Die Große Koalition wäre das Gegenteil, eine Erfolgsgarantie.

Dreimal gab es bisher Schwarz-Rot auf Bundesebene, dreimal stärkte dieses Bündnis Deutschland, finanziell, wirtschaftlich, sozialpolitisch. Stillstand war nicht.

Es gibt ein paar Standard-Einwände gegen große Koalitionen. Dass sie zu mächtig seien zum Beispiel. Das stimmt nicht. Diesmal haben Union und SPD zusammen nur 53 Prozent der Stimmen! Das ist eine völlig normale Mehrheit, keine erdrückende. Union und SPD sollten sich davor hüten, sich mächtig zu fühlen.

Ein anderer Einwand gegen Große Koalitionen lautet, sie schwächten die politische Mitte, also sich selbst. Das stimmt auch nicht. Am Ende der ersten Groko, 1969, legte die SPD zu. Es kommt halt drauf an, was man draus macht. Allein die Tatsache, dass Union und SPD zusammenarbeiten, ist nicht der Grund für beider Niedergang.

Ein weiterer Einwand lautet, Große Koalitionen machten Politik so langweilig. Das geht völlig daneben. So oder so wird die Politik in Deutschland in den nächsten Jahren sehr spannend sein. Schon allein dank der Stärke und der Vielfalt der Opposition: Grüne, Linke, FDP und AfD werden die Koalition angreifen, jederzeit, aus allen Richtungen. Das reicht nun wirklich an Spannung und Unterhaltung. Die Koalitionspartner müssen dann gar nicht mehr unterhaltsam sein. Sie müssen solide zusammen regieren. Wem das nicht reicht, der soll ins Kino gehen.

Achim Wendler ist Leiter des trimedialen BR-Hauptstadtstudios in Berlin

CONTRA von Daniel Pokraka:

Nochmal Groko? Bitte nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, dann waren wir uns da auch fast alle einig – bis vorletzten Sonntag die FDP die Jamaika-Sondierungen platzen ließ. Und plötzlich kommt ein merkwürdiger Automatismus in Gang: Erfahrene Politiker und abgeklärte Beobachter werden nervös, verwechseln eine geschäftsführende Regierung mit einer Staatskrise – und diejenigen, die die Große Koalition jahrelang besonders grauenhaft fanden, sind jetzt die ersten, die genau das für alternativlos halten: CDU, CSU und SPD – drei Wahlverlierer, eine Regierung.

Monatelang war folgendes fast Konsens: Große Koalitionen sollten die Ausnahme sein, sie stärken die extremen Ränder; in Österreich sehen wir, wohin das führt – und mit der großen rechten Flanke im Bundestag inzwischen auch bei uns. Die inhaltlichen Gemeinsamkeiten von Union und SPD sind aufgebraucht, bei einer Großen Koalition ist die AfD Oppositionsführerin, die SPD ist nach ihrer Wahlklatsche so geschwächt, dass sie sich in der Opposition erneuern muss.

Und es ist ja noch viel schlimmer: Die SPD befindet sich nach eigener Einschätzung in einer Existenzkrise. Und die ist wesentlich mitverursacht durch insgesamt acht Jahre Große Koalition unter Kanzlerin Merkel. Nein, eine Groko darf nur die Ausnahme sein, wenn nichts anderes geht. Es geht aber etwas anderes: Eine Minderheitsregierung. Niemand sagt, das wäre ideal. Niemand sagt, das wäre eine Dauerlösung. Aber besser als eine Große Koalition der Wahlverlierer ist eine Minderheitsregierung auf Zeit allemal.

Daniel Pokraka ist BR-Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio