Viele Netzpolitiker und Innenexperten sind empört: Die Geheimdienste in Deutschland sollen mehr Rechte bei der Online-Überwachung bekommen.
Darum geht's: Bundesverfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst sollen künftig Verdächtigen Trojaner aufs Smartphone spielen können, um verschlüsselte Nachrichten mitzulesen und Anrufe über Apps mitschneiden zu können. Das ist bisher nur der Polizei erlaubt, um besonders schwere Straftaten aufzuklären oder sie zu verhindern. In Bayern ist das im Polizeiaufgabengesetz geregelt.
SPD gibt Widerstand gegen Staatstrojaner auf
Die SPD hatte sich lange gegen die Pläne von Bundesinnenminister Seehofer von der CSU gesperrt. Jetzt hat sie ihnen zugestimmt. Die Opposition im Bundestag vermutet dahinter einen Kompromiss nach dem Motto: Die SPD stimmt dem sogenannten Staatstrojaner für die Nachrichtendienste zu, dafür lässt Seehofer die Rassismusvorwürfe in den Reihen der Polizei untersuchen.
Opposition spricht von Deal
Der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz spricht von einem Deal. Auf BR-Anfrage schreibt er: "Es ist wie immer, wenn es um Bürgerrechtsfragen geht: Die SPD knickt vor der Union ein oder verdealt ihre Positionen in diesem Bereich gegen anderes." Von Notz ist stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Es soll die Geheimdienste überwachen. Mit seiner Kritik ist der Grünen-Bundestagsabgeordnete nicht allein:
Zweifel bei der SPD-Spitze
Aber nicht nur die Opposition kritisiert das Ja der SPD. Auch SPD-Parteichefin Saskia Esken lässt in einem Tweet ihren Unmut am "Staatstrojaner" erkennen.
Tatsächlich steht im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD auf Seite 127: "Zudem wollen wir die Befugnisse des Verfassungsschutzes des Bundes und der Länder vereinheitlichen, insbesondere bei der Datenerhebung und Datenspeicherung […]. Wir sind uns bewusst, dass auch maßvolle und sachgerechte Kompetenzerweiterungen des BfV eine gleichzeitige und entsprechende Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle erfordern."
Parlament soll mehr Kontrolle bekommen
Geht es um die Überwachung der Telekommunikation, ist im Bundestag die sogenannte G10-Kommission gefragt. Die 10 steht hier für den Artikel 10 des Grundgesetzes. Darin geht es unter anderem um das Post- und Fernmeldegeheimnis.
Bisher hat die G10-Kommission acht Mitglieder. Nach der Vorstellung der Koalition sollen es bald zehn sein. Außerdem soll dem Gremium ein technischer Berater an die Seite gestellt werden. Das war der SPD wichtig. Die Geheimdienste können also nicht einfach so Kommunikation mitlesen und speichern. Voraussetzung ist in jedem Fall eine entsprechende Anordnung.
Befürworter sehen Pläne als zeitgemäßes Update
Die Reform muss noch vom Bundestag gebilligt werden. Befürworter des Entwurfs sagen, damit wären die Geheimdienste bloß wieder auf dem Stand angekommen, auf dem sie vor der Erfindung von Internet und Mobilfunk waren.
Auch im Bundesinnenministerium kann man die Empörung der Netzpolitiker nicht nachvollziehen. Auf BR-Anfrage heißt es zum Gesetzentwurf: "Der Schutz der Menschen in Deutschland hält damit technisch mit den Bedrohungen Schritt." Seehofers Haus weist auch darauf hin, dass der Entwurf schon seit vier Monaten auf der Homepage des Ministeriums zu lesen ist.
Ob die SPD dem "Staatstrojaner" im Gegenzug für die Rassismus-Studie zugestimmt hat, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Die SPD-Parteizentrale hat eine Anfrage des BR dazu bisher nicht beantwortet.
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