Nach mehreren Anläufen haben sich nun auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj während des andauernden Russland-Ukraine-Kriegs die Hände geschüttelt. Der Staatschef des angegriffenen Landes dankte für die deutsche Hilfe, bat aber auch um mehr Flugabwehrwaffen.
Selenskyj hofft auf weitere Flugabwehrsysteme
Die deutsche Hilfe sei "groß und historisch wichtig", sagte Selenskyj nach einem Gespräch am Dienstag. Er erwähnte besonders die Lieferung des ersten Flugabwehrsystems Iris-T aus Deutschland. Er hoffe, dass davon weitere Systeme kommen. Dies habe für sein Land "wirklich Priorität". Deutschland hat insgesamt vier Iris-T zugesagt.
Karte: Die Lage in der Ukraine
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Steinmeier: "Zeitnahe" Lieferung weiterer Waffen
Das hochmoderne Flugabwehrsystem Iris-T hat sich nach ukrainischen Angaben schon bei den ersten Einsätzen bewährt. Steinmeier hob in seiner Rede die militärische Unterstützung für die Ukraine hervor: Deutschland sei heute ein führender Ausrüster für die ukrainische Luftverteidigung. Er hoffe, dass die bereits von Deutschland gelieferten Waffensysteme dabei helfen, "die Menschen ein Stück sicherer zu machen". Auch die nächsten Mehrfachraketenwerfer Mars-II und Panzerhaubitzen sollten "zeitnah in den nächsten Tagen an die Ukraine übergeben" werden, so Steinmeier bei der Pressekonferenz.
Appell zu deutsch-ukrainische Städtepartnerschaften
Selenskyj würdigte außerdem die Bereitschaft Deutschlands, das Energiesystem der Ukraine zu stärken. Durch russische Raketenangriffe sind große Teile der Strom- und Fernwärme-Netze beschädigt worden. Um ukrainische Kommunen durch den bevorstehenden Winter zu helfen, riefen die Präsidenten zur raschen Gründung deutsch-ukrainischer Städtepartnerschaften auf.
Solche Verbindungen trügen "entscheidend dazu bei, unser gemeinsames Europa aufzubauen und zu stärken", heißt es in einem veröffentlichen Appell der beiden Präsidenten. Deutsch-ukrainische Städtepartnerschaften sollten zudem "zur zukünftigen EU-Mitgliedschaft der Ukraine" beitragen. Dem gemeinsamen Appell zufolge übernimmt Bundespräsident Steinmeier die "symbolische Schirmherrschaft" für Vorhaben zur Entwicklung und zum Wiederaufbau in der nordukrainischen Region Tschernihiw.
Gespräch auch über Wiederaufbau der Ukraine
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz sagte Selenskyj auch, beide hätten "sehr detailliert" über den Wiederaufbau der Ukraine gesprochen. Dieser werde "bereits jetzt beginnen", nicht erst am Ende des Krieges, ergänzte er.
Ein diplomatisches Zerwürfnis zwischen den Präsidenten vom Frühjahr wurde mit keinem Wort mehr erwähnt. Doch es war bereits der dritte Anlauf Steinmeiers für eine Reise in die Ukraine. In der vergangenen Woche war sie aus Sicherheitsgründen kurzfristig verschoben worden. Mitte April hatte er eine gemeinsame Reise mit den Staatspräsidenten aus Polen, Lettland, Litauen und Estland in letzter Minute absagen müssen. Kiew signalisierte Steinmeier damals, dass er nicht willkommen sei. Erst ein Telefongespräch der Präsidenten Anfang Mai entspannte die Lage wieder.
Steinmeier: "Wir sind auf eurer Seite"
Steinmeier betonte bei seinem Besuch nun, er habe gerade jetzt angesichts der "niederträchtigen Angriffe" Russlands nach Kiew kommen wollen. Er sicherte den Ukrainern zu: "Wir sind auf eurer Seite. Wir unterstützen euch. Wir werden euch weiter unterstützen." Dies gelte wirtschaftlich, politisch und militärisch so lange, wie es notwendig sei. Zu Selenskyj sagte Steinmeier: "Sie führen Ihr Land in beeindruckender Weise durch diese historische Zeit."
Zuvor erlebte Steinmeier bei einem Termin außerhalb der Hauptstadt das gleiche wie Millionen Ukrainer: Weil in Korjukiwka Luftalarm ausgelöst wurde, musste er einen Bunker aufsuchen.
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Video: Bundespräsident Steinmeier zu Besuch in der Ukraine
Steinmeier warnt vor zu großer Abhängigkeit von China
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte außerdem vor einer zu großen Abhängigkeit von China. "Für die Zukunft heißt es, wir müssen Lehren ziehen und die Lehre zu ziehen heißt, wir müssen einseitige Abhängigkeiten verringern, wo immer das geht, das gilt gerade auch gegenüber China", sagte Steinmeier am Dienstagabend bei seinem Ukraine-Besuch in den ARD-"Tagesthemen". "Es kommt sehr darauf an, dass wir sehr viel intensiver mit den Nachbarn Chinas reden, die sicherlich nicht unsere Handelsbeziehungen, wirtschaftlichen Beziehungen zu China ersetzen können. Aber Südostasien ist ein Raum mit 700 Millionen Einwohnern, wo ich glaube, wir das Verhältnis zu Ostasien neu ausbalancieren können."
Steinmeier räumte mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ein, es gebe keine Sicherheit, dass wirtschaftlicher Austausch auch politische Annäherung hervorrufe. Das Vertrauen, dass aus Handel Wandel entstehe, sei abhanden gekommen.
Mit Informationen von dpa und AFP