Steinmeier unterzeichnet Gesetz zur Wahlrechtsreform.
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Steinmeier unterzeichnet Gesetz zur Wahlrechtsreform

Sie scheint so umstritten wie überfällig: die Wahlrechtsreform auf Bundesebene. Vor allem die CSU hat kein gutes Haar an dem Vorhaben der Ampel gelassen. Nun hat Bundespräsident Steinmeier den Weg für das entsprechende Gesetz frei gemacht.

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Die umstrittene Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags kann in Kraft treten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das entsprechende Gesetz am Donnerstag unterzeichnet. Das teilte das Bundespräsidialamt in Berlin mit. Da der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts nach dem Grundgesetz frei ist, habe Steinmeier keinen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt für die Überprüfung des neuen Rechts gehabt, hieß es. Das Gesetz muss nun nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Es steht bereits fest, dass es vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden wird.

  • Zum Artikel: FAQ zur Wahlrechtsreform: Die Pläne im Einzelnen

Bayern will gegen das Gesetz in Karlsruhe klagen

Die CSU-geführte Landesregierung Bayerns hat schon beschlossen zu klagen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will mit einer abstrakten Normenkontrollklage die Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Die Union, aber auch die Linke fühlt sich durch die Reform benachteiligt und hält diese für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. "Die Abgeordneten der CDU/CSU -Fraktion werden nun zügig in Karlsruhe dagegen klagen", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Union, Thorsten Frei, den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft.

CSU sieht "Manipulation des Wahlrechts"

Im Bundespräsidialamt wurde einerseits darauf verwiesen, dass politische Fragen bei der Ausfertigungsprüfung eines Gesetzes keine Rolle spielen dürften. Zugleich wurde betont, dass das Wahlrecht die demokratische Legitimation der Machtausübung regele. "Deshalb ist das Vertrauen in die Fairness der Regeln von überragender Bedeutung." Zu den demokratischen Traditionen gehöre es, Änderungen mit einer möglichst breiten Mehrheit vorzunehmen. "Es ist bedauerlich, dass es den im Bundestag vertretenen Parteien weder in der letzten noch in der aktuellen Legislaturperiode gelungen ist, für eine Reform des Wahlrechts einen breiteren politischen Konsens zu erreichen." "Wir werden alle Hebel nutzen, damit diese Manipulation des Wahlrechts gestoppt wird", erklärte auch der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt.

SPD, Grüne und FDP beharren auf neuem Gesetz

SPD, Grüne und FDP dagegen begrüßten, dass Steinmeier die Prüfung des Gesetzes mit positivem Ergebnis abgeschlossen habe. "Mit der Verkleinerung des Deutschen Bundestages entsprechen wir dem deutlichen Wunsch der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land", erklärte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese in Berlin. Die Blockade der Reform vor allem durch die Union sei damit beendet. Wichtig für das Vertrauen der Menschen sei "ein faires Wahlrecht, in dem jede Stimme gleich viel wert ist und das alle Parteien gleichermaßen betrifft".

"Die Politik zeigt, dass sie sich selbst reformieren und den Bundestag verkleinern kann", schrieb auf Twitter FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. "Einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht sollte man mit Gelassenheit entgegen sehen", fügte er hinzu.

Deckelung der Sitze im Bundestag auf 630

Das Gesetz war im März mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne, FDP und einiger AfD-Abgeordneter vom Bundestag beschlossen worden. Im Mai passierte es den Bundesrat. Anschließend wurde es im Bundespräsidialamt der üblichen juristischen Prüfung unterzogen.

Mit derzeit 736 Abgeordneten ist der Bundestag das größte frei gewählte Parlament der Welt. Das neue Wahlrecht deckelt die Zahl der Sitze nun bei 630. Gewählt wird weiter mit Erst- und Zweitstimme. Es gibt aber keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Für die Stärke einer Partei im Parlament ist allein ihr Zweitstimmenergebnis entscheidend. Überhangmandate entstanden bisher, wenn eine Partei über Direktmandate mehr Sitze im Bundestag gewann, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustanden. Diese durfte sie behalten. Die anderen Parteien erhielten dafür Ausgleichsmandate. Dieses System führte zu einer immer größeren Aufblähung des Bundestags.

Drei Direktmandate reichen nur noch in Ausnahmefällen

Auch die Grundmandatsklausel fällt jetzt weg. Nach ihr zogen Parteien bisher auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Jede Partei, die in den Bundestag will, muss künftig bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen bekommen. Mit einer kleinen Ausnahme: Parteien nationaler Minderheiten bleiben davon befreit.

Künftig wird jede Partei nur noch so viele Mandate erhalten, wie ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustehen - auch dann, wenn sie mehr Direktmandate holt. Dann gehen die Wahlkreisgewinner mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis leer aus. Dies wird vor allem von der CDU und der CSU kritisiert. Dass die Grundmandatsklausel wegfällt, erzürnt neben der CSU auch die Linke.

Linke hatte an Steinmeier appelliert

Hätte die CSU bei der Bundestagswahl 2021 nicht bundesweit 5,2 Prozent geholt, sondern nur 4,9 wie die Linke, wäre nach dem neuen Wahlrecht keiner ihrer 45 erfolgreichen Direktkandidaten in den Bundestag gekommen. Die Linke, die von der Grundmandatsklausel profitierte, wäre ebenfalls draußen. Beide Parteien sehen darin eine grobe Missachtung des Wählerwillens. Die Linke hatte an Steinmeier appelliert, das Gesetz nicht auszufertigen. Vergeblich.

Der Bundespräsident überprüft vor der Unterzeichnung in jedem Fall, ob ein Gesetz nach den Regeln des Grundgesetzes zustande gekommen ist. Er kann die Unterzeichnung auch verweigern, wenn ein Gesetz nach seiner Auffassung inhaltlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dies geschah in der Geschichte der Bundesrepublik mehrfach.

Mit Informationen von AFP und dpa

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