Neue Gemeinsamkeiten müssten Union und SPD nun suchen, sagte der Chef der bayerischen SPD-Landesgruppe im Bundestag, Martin Burkert, heute früh im Bayerischen Rundfunk. Die Sondierungen hätten dafür zwar die Basis geschaffen, aber er räumt ein: In der eigenen Partei bleibe es nach wie vor schwierig.
Was heißt hier "nachverhandeln"?
"Nachverhandeln" lautet für manche Sozialdemokraten das Zauberwort - wobei nicht klar ist, ob alle damit das Gleiche meinen. Manche verstehen darunter das große Ganze: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller beispielsweise sagte, es sei noch viel zu tun, weil die Bürgerversicherung in dem Sondierungspapier von Union und SPD gar nicht vorkomme.
Und Martin Burkert betonte, dass seine Partei die Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund schon seit Jahren anprangere. Ein Verbot konnte die SPD in den Sondierungen nicht durchsetzen - da gehe es aber um die Glaubwürdigkeit der Partei, so Burkert.
"Ich kann mir vorstellen, dass der Parteitag nochmal Auflagen macht. Dann werden wir sehen, ob die Union bereit ist, nochmal Zugeständnisse zu machen. Aber davon gehe ich sowieso in Verhandlungen aus."
Martin Burkert, Chef der bayerischen SPD-Landesgruppe im Bundestag
Stehen die Grund-Elemente?
Andere Sozialdemokraten räumen ein, dass es um mehr als Details wohl nicht mehr gehen kann beim sogenannten "Nachverhandeln". Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sagte im WDR, er glaube nicht, dass man die Grund-Elemente werde verändern können, wenn der Parteitag sage, man solle verhandeln. Stegner räumt auch mit einem Missverständnis auf, dass sich in der Debatte über das Sondierungsergebnis breitgemacht hat:
"Das Wort 'Nachbesserung' ist glaube ich falsch. Sondierungsgespräche sind kein Koalitionsvertrag, sondern sie klären nur die Frage: Lohnt es sich, weiter zu verhandeln."
Ralf Stegner, stellvertretender SPD-Vorsitzender
Die Union sieht das Wesentliche geklärt
Während die SPD also darum ringt, welche Themen wie detailliert in etwaigen Koalitionsverhandlungen besprochen werden sollten, ist das für die Union überhaupt keine Frage. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sagte im Morgenmagazin von ARD und ZDF:
"Es wird präzisiert, es wird ausgeführt (…). Aber die Punkte, über die man Stunden diskutiert hat, in der letzten Nacht sogar 24 Stunden lang: Da fängt man natürlich jetzt nicht mehr bei Null an."
Armin Laschet, CDU, Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen
"Wahrscheinlich nicht regierungsfähig"
Ganz ähnlich äußerte sich im ARD-ZDF-Morgenmagazin der CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer: Details müssten noch ausgestaltet werden, sagte er. Es sei ja nicht so, dass gar nicht mehr gesprochen werden könne. Aber man könne sich eben nicht von Grundentscheidungen verabschieden. Er könne nicht nachvollziehen, dass die SPD nun über die Vereinbarungen neu diskutieren wolle.
"Das ist keine vernünftige Politik. So kann man dann auch nicht regieren im Endeffekt. Eine solche Partei ist wahrscheinlich dann nicht regierungsfähig."
Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag
Wer ist hier der Zwerg?
Nicht regierungsfähig: Äußerungen wie diese dürften manche Sozialdemokraten ebenso als Provokation auffassen wie die von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der die Diskussion in der SPD als "Zwergenaufstand" bezeichnete. Martin Burkert, Chef der bayerischen SPD-Landesgruppe, reagierte im Bayerischen Rundfunk verärgert:
"Die Zwergenpartei dieser Koalition ist eigentlich die CSU und da glaube ich muss man sagen: Hochmut kommt vor dem Fall. Gerade da muss verbale Abrüstung eigentlich an erster Stelle stehen."
Martin Burkert, Chef der bayerischen SPD-Landesgruppe im Bundestag
Die Koalitionsverhandlungen entscheiden
Ob diese Auseinandersetzung eine gute Grundlage für eine neue Große Koalition ist, wird nicht nur von manchem SPD-Politiker bezweifelt, auch in den Sozialen Netzwerken wird darüber rege diskutiert. Allerdings ist es derzeit noch zu früh, das zu beurteilen. Entscheidend für die künftige Zusammenarbeit von Union und SPD wird das Ergebnis etwaiger Koalitionsverhandlungen sein - und die darauf folgende Abstimmung der SPD-Mitglieder.
Eine Verständigung könnte auch einen Kompromissvorschlag beinhalten, wie ihn der designierte Thüringer SPD-Vorsitzende Wolfgang Tiefensee gemacht hat: die nächste Großen Koalition auf zwei Jahre zu begrenzen. Bundeskanzlerin Merkel solle dann ein konstruktives Misstrauensvotum einleiten - verliere sie das, müsse es Neuwahlen geben, so Tiefensee.