Verspätete Züge, umgestürzte Bäume, umherfliegende Gegenstände und eingestellte Fährverbindungen: Das Sturmtief "Nadia" hat am Samstag und in der Nacht zum Sonntag zum Teil orkanartige Böen und eine Sturmflut nach Norddeutschland gebracht.
Feuerwehren und die Polizei mussten Hunderte Male ausrücken. Eine Verschnaufpause gibt es nicht: Dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zufolge soll der Sturm noch bis Sonntagvormittag andauern. Und das Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) warnt bereits vor der nächste Sturmflut.
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Sturmtief Nadia setzt Hamburger Fischmarkt unter Wasser
Allein in Hamburg habe es bislang rund 300 Unwetter-Einsätze gegeben, sagte ein Polizeisprecher am frühen Sonntagmorgen. Zuvor hatte eine schwere Sturmflut den Fischmarkt im Stadtteil St. Pauli unter Wasser gesetzt. Der Scheitel wurde nach BSH-Angaben gegen 0.17 Uhr erreicht. Der Wasserstand lag 2,84 Metern über dem mittleren Hochwasser, wie eine Sprecherin mitteilte.
Das BSH hatte in Hamburg mit Wasserständen von bis zu 3 Metern über dem mittleren Hochwasser gerechnet. Wie ein dpa-Fotograf berichtete, zog es Hunderte Schaulustige zum Fischmarkt. Durch die Überflutungen wurden demnach mehrere Autos beschädigt.
Gesamte Nordseeküste betroffen
Auch an anderen Küstenabschnitten gab es nach Angaben des BSH in der Nacht zum Sonntag eine Sturmflut. "Zwar nicht überall eine schwere Sturmflut wie in Hamburg", sagte die Sprecherin. Es sei aber die gesamte deutsche Nordseeküste betroffen gewesen. In Bremerhaven habe der Scheitelwert beispielsweise bei 2,14 Metern über dem mittleren Hochwasser gelegen.
An der Nordseeküste spricht man von einer Sturmflut, wenn das Hochwasser mindestens 1,5 Meter höher als normal aufläuft. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen.
Notschlepper hilft umhertreibendem Frachter
In Hamburg und auf der Nordsee kam es außerdem zu zwei Vorfällen mit Schiffen: Im Hamburger Hafen fuhr sich ein Binnenschiff unter einer Brücke fest. Das Schiff sei beim Durchfahren mit dem Steuerhaus an der Freihafenelbbrücke hängengeblieben und habe sich verklemmt, sagte ein Polizeisprecher. Verletzte gab es ersten Erkenntnissen zufolge nicht.
Der zweite Vorfall ereignete sich ca. 30 Kilometer vor der ostfriesischen Küste. Dort trieb ein unbeladener Frachter mehrere Stunden im Meer. Die 190 Meter lange "Vienna" hatte wegen des Sturms erkennbar Probleme zu manövrieren, wie ein Sprecher des Havariekommandos in Cuxhaven am Sonntagmorgen mitteilte. Daher wurden unter anderem Notschlepper zu dem Havaristen entsandt. Der Frachter sei nach etwa sechs Stunden gesichert worden.
Bis zu sieben Meter hohe Wellen
"Hätten wir nicht eingegriffen, wäre das Schiff zu einem Risiko für die Küste geworden," sagte der Sprecher. Die 24 Crewmitglieder blieben nach ersten Erkenntnissen unverletzt. Der Frachter, der unter der Flagge der Marshallinseln fährt, wurde nicht beschädigt.
Um die Schleppverbindung herzustellen, wurden demnach mehrere speziell ausgebildete Seeleute von einem Bundespolizei-Hubschrauber auf den Frachter abgeseilt. Das Sturmtief über der Nordsee habe den Einsatz aber erheblich erschwert. Bei Windstärke 10 seien die Wellen auf der Nordsee sechs bis sieben Meter hoch gewesen.
120 Einsätze in Schleswig-Holstein
Zu weiteren Einsätzen kam es etwa auch in Schleswig-Holsteins. Allein im Norden des Landes mussten die Feuerwehren etwa 120 Mal ausrücken. Das sagte ein Sprecher der Regionalleitstelle, die unter anderem für Flensburg, Schleswig und Husum zuständig ist.
Die Feuerwehr in Bremen war nach Angaben eines Sprechers in der Nacht mehr als 40 Mal im Einsatz. Im Kreis Aurich in Ostfriesland wurde die Feuerwehr rund 25 Mal zu Hilfe gerufen.
Der Sturm bescherte auch Feuerwehr und Polizei in Mecklenburg- Vorpommern viele Einsätze. In Schwerin und Umgebung sei man knapp 200 Mal ausgerückt, sagte ein Feuerwehrsprecher. Auch in Stralsund berichtete das Lagezentrum, dass man alle Hände voll zu tun habe.
Bahnverkehr beeinträchtigt
Wegen Sturmschäden kam es in Norddeutschland außerdem zu massiven Problemen im Bahnverkehr. Am frühen Samstagabend stellte die Deutsche Bahn den Fernverkehr in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen für etwa 50 Minuten ein.
Betroffen waren insbesondere die ICE-Strecken zwischen Hamburg und Bremen sowie zwischen Hamburg und Berlin. Dort komme es auch weiterhin zu großen Beeinträchtigungen, wie ein Sprecher sagte.
Warnung vor Orkanböen
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte am Samstag vor Sturm bis hin zu Orkanböen gewarnt. Am Kieler Leuchtturm seien Windgeschwindigkeiten von bis zu 122,8, in Greifswald von bis zu 118,1 Stundenkilometern gemessen worden, sagte eine DWD-Sprecherin in der Nacht zum Sonntag. Die Warnlage im Norden soll noch bis Sonntagvormittag andauern. Es seien auch weiterhin einzelne Orkanböen möglich.
Steigende Wasserstände
Nach BSH-Angaben droht den norddeutschen Ländern zudem bereits die nächste Sturmflut: Am Sonntag werden das Vormittag- beziehungsweise Nachmittag-Hochwasser an der deutschen Nordseeküste 1,5 bis 2 Meter und im Weser- und Elbgebiet 2 bis 2,5 Meter höher als das mittlere Hochwasser eintreten.
Für die Ostseeküste sei bis Sonntagmorgen noch die Niedrigwasserwarnung in Kraft. Die Experten erwarten aber, dass die Wasserstände im Verlauf des Tages bis zu 130 Zentimeter über den mittleren Wasserstand steigen.
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