Acht Kilogramm innerhalb von zwei Wochen - so viel soll Kreml-Kritiker Alexej Nawalny beim letzten Mal in der Einzelzelle abgenommen haben. Nawalnys Anwalt hatte via Twitter berichtet, der prominente Putin-Gegner leide an einer nicht diagnostizierten und unbehandelten Krankheit. Laut Kobsew musste in der Nacht wegen akuter Magenbeschwerden ein Krankenwagen gerufen werden. Der Anwalt beklagte, dass Nawalny nicht behandelt werde. Von Nawalnys Mutter geschickte Medikamente würden "an sie zurückgeschickt".
"Wir schließen nicht aus, dass sie ihn langsam vergiften, damit sich seine Gesundheit nicht abrupt verschlechtert, sondern stetig, aber unaufhaltsam", schrieb Kobsew auf Twitter. Das möge wie Paranoia klingen, aber schließlich sei er schon einmal vergiftet worden, erinnerte Kobsew. Zudem sei Nawalny von einem Gefängnismitarbeiter zugesteckt worden, dass eine Provokation gegen ihn vorbereitet werde.
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Besonders harte Haftbedingungen: Ausgang ohne direkten Sonnenschein
Trotz der Klagen seines Anwalts über dessen akute Gesundheitsbeschwerden ist Nawalny erneut in eine Einzelzelle verlegt worden. Am Freitag sei er erst aus der Isolationshaft herausgekommen und am Montag zu weiteren 15 Tagen dort eingewiesen worden, teilte das Team des Oppositionspolitikers auf dessen Telegram-Kanal mit. Seit dem vergangenen Sommer ist es bereits das 13. Mal, dass Nawalny in den sogenannten Strafisolator verlegt wurde. Maximal 15 Tage darf ein Gefangener dort eingewiesen werden. Im Juni war Nawalny zudem in ein anderes Straflager mit härteren Bedingungen verlegt worden.
Während der Zeit in der engen Einzelzelle dürfen Gefangene keine Besuche oder Päckchen empfangen, nicht telefonieren. Das Mitbringen von Lebensmitteln und persönlichen Gegenständen ist ebenfalls verboten. Diesmal sind zudem auch andere Haftbedingungen verschärft worden. So sei Nawalnys täglicher Ausgang im engen Gefängnishof auf 7 Uhr morgens verlegt worden - "das ist wichtig, weil man bei einem Spaziergang am Tag im Sonnenquadrat stehen kann, wenn man Glück hat". Den Angaben zufolge gibt es darüber hinaus neue Beschränkungen beim Kauf von Essen und für das Briefeschreiben von Nawalny. Zudem sei im gleichen Zellentrakt eine Nähmaschine aufgebaut worden, damit er den Strafblock nicht einmal zur Arbeit verlassen könne.
"Mit sehr großer Besorgnis": Bundesregierung äußert sich zu Nawalnys Gesundheitszustand
Die Bundesregierung hat sich besorgt über den Gesundheitszustand des inhaftierten russischen Regierungskritikers geäußert. Die Regierung habe Berichte, wonach sich der Zustand des Kreml-Kritikers verschlechtert hat, "mit sehr großer Besorgnis zur Kenntnis genommen", erklärte eine Sprecherin in Berlin. Die Bundesregierung fordere, dass die "unmenschliche Behandlung, die er offenbar in der Haft erfährt, aufgehoben wird" und Nawalny Zugang zu Ärzten erhalte. Davon unabhängig fordere Deutschland weiterhin Nawalnys Freilassung.
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Renata Alt, nannte den Gesundheitszustand von Nawalny "besorgniserregend". "Es wäre nicht das erste Mal, dass der Kreml versucht, die kritische Stimme Nawalnys gezielt zum Schweigen zu bringen", erklärte die FDP-Abgeordnete.
Recherche über Korruption: Grund für Nawalnys erschwerte Haftbedingung?
Der aktuelle Anlass für die Rückverlegung in die Strafzelle ist nicht bekannt. In der Vergangenheit dienten oft Kleinigkeiten wie ein offener Knopf, ein falscher Gruß oder die auf Kommando nicht schnell genug auf den Rücken gelegten Hände als Vorwand für die Einweisung.
Der 46-Jährige sieht nach Angaben auf dem Nawalny-Kanal auf Telegram seine neue Einzelhaft als Strafe für eine Recherche über Korruption in der Gefängnisbehörde. Der von Nawalny gegründete Fonds für Korruptionsbekämpfung (FBK) hatte zuvor einen Beitrag über den überteuerten Ankauf von Lebensmitteln in russischen Gefängnissen veröffentlicht. So sei Kohl - das Hauptnahrungsmittel der Häftlinge - zum mehr als Vierfachen des Großhandelspreises von der Behörde bestellt worden. "Das ganze System von (Präsident Wladimir) Putin, das sich so läppisch mit Konservatismus und Spiritualität maskiert, existiert nur, um beim Kohl zu klauen", kommentierte Nawalny demnach die Ergebnisse der Enthüllung.
Weitere 15 Jahre Haft? Behörden bereiten neues Verfahren vor
Der bekannteste Gegner von Kremlchef Putin war im Sommer 2020 bei einer Reise nach Sibirien mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden. Er wurde damals im Koma liegend nach Deutschland ausgeflogen, wo er in der Berliner Charité behandelt wurde. Laut dem Investigativnetzwerk Bellingcat steckt der russische Geheimdienst FSB hinter der Vergiftung. Der Kreml weist die Vorwürfe zurück. Nach seiner Genesung kehrte Nawalny im Januar 2021 nach Russland zurück und wurde direkt bei seiner Ankunft auf dem Flughafen festgenommen - zunächst wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen aus einem früheren Urteil.
Im vergangenen Jahr wurde er wegen Betrugs zu weiteren neun Jahren Gefängnis unter besonders harten Haftbedingungen verurteilt. International gilt der prominente Putin-Gegner aber als politischer Gefangener. Derzeit bereiten die Behörden ein neues Verfahren gegen den Politiker wegen mutmaßlicher Bildung einer extremistischen Vereinigung vor. Damit drohen Nawalny weitere 15 Jahre Haft.
Mit Informationen von dpa und AFP
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