Nicola Winter bei "7 Fragen Zukunft"
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Vom Kampfjet ins All: Astronautin Nicola Winter im Interview

Vom Kampfjet ins All: Astronautin Nicola Winter im Interview

Nicola Winter war Kampfjetpilotin, Ausbilderin und ist jetzt Reserve-Astronautin und Rettungspilotin. Warum das Fliegen für sie mehr als nur ein Beruf ist und wie sie Krisen bewältigt: ein Gespräch über Neugier, Resilienz und den Blick Richtung Mars.

Was treibt diese Frau an? Das wollte BR-Chefredakteur Christian Nitsche von der deutschen Pilotin Nicola Winter wissen. Im neuen BR24-YouTube Format "7 Fragen Zukunft" erzählt die 1,60 Meter große Frau, wie es sich anfühlt, wenn ein Traum platzt, weil man schlicht zu klein ist, aber auch davon, wie sie ihre Neugier und Freude am Beruf in immer höhere Lüfte getragen hat.

Christian Nitsche: Nicola, du warst zu klein, um Lufthansa-Pilotin zu werden und bist stattdessen Kampfpilotin geworden, danach sogar Reserve-Astronautin bei der ESA. Woher kommt dieser Drang, immer weiterzugehen?

Nicola Winter: Es ist die Lust an der Neugierde und am Entdecken. Ich brauche den Nervenkitzel gar nicht. Wenn es null gefährlich wäre, würde ich es lieber tun. Es steckt einfach in uns Menschen, dieses "Was kommt noch?" – wie hinter der nächsten Straßenbiegung. Irgendwann, glaube ich, werden wir uns zu einer Art interstellaren Spezies entwickeln. In diesem großen Abenteuer ein kleines Rädchen zu sein, finde ich einfach großartig.

Zwischen Top Gun und Realität

Christian Nitsche: Gerade als Kampfpilotin, wenn es zu Begegnungen in der Luft mit zum Beispiel russischen Flugzeugen kommt, kann es schon auch gefährlich werden, oder? Wie läuft das ab?

Nicola Winter: Mir ist das im Rahmen des Air Policing im Baltikum passiert. Lange vor dem Russland-Ukraine-Krieg gab es dort auch schon Spannungen. Die baltischen Staaten sind selbst zu klein, um eine Luftwaffe aufzubauen, deshalb übernehmen die anderen Nato-Staaten in einem rollierenden System die Kontrolle dieser Lufträume. Und da kann es schon vorkommen, dass man anderen Jets sehr nah kommt. Aber wir fliegen kontrolliert, beobachten und signalisieren Präsenz. Die russischen Piloten haben versucht zu provozieren, um zu schauen, wie wir reagieren. Aber es ist ja eben nicht "Top Gun", der Film, auf Machtdemonstrationen lassen wir uns nicht ein.

Im Video: Kampfjet, Kosmos und Karriere: Interview mit Nicola Winter I 7 Fragen Zukunft | BR24

Der Ernstfall und der eigene Tod

Christian Nitsche: Dein Job birgt Risiken. Du begibst dich in Lebensgefahr. Wie gehst du damit um?

Nicola Winter: Das Risiko muss man, philosophisch gesehen, am Anfang schon abwägen: Es gibt eine kleine Chance, dass ich diesen Beruf nicht überlebe. Die ist nicht so hoch, aber sie ist da. Aber ob Training oder Einsatz, die Gefahr ist ähnlich. Und wenn ich mich für diesen Beruf entscheide, muss ich das jeden Tag mit sehr viel Respekt und Achtung vor der Sache machen. Ich frage mich jeden Tag: Bin ich fit genug für den schlimmsten Notfall? Ein Pilot meldet sich oft schon krank bei Unwohlsein oder Kopfweh. Denn wenn heute der schlechteste Tag meines Lebens ist, muss ich mir sicher sein, dass ich immer volle Leistung bringen kann.

Wie man Krisen meistert

Christian Nitsche: Viele Menschen sind von den globalen Krisen überwältigt. Du hast selbst unterschiedliche Krisen erlebt. Wie schaffst du es, ruhig zu bleiben?

Nicola Winter: Zwei Dinge helfen mir: Der Fokus auf das, was ich habe, und die Frage, was ich kontrollieren kann. Ich bin dankbar, hier in Deutschland zu leben, ohne Bomben, die auf uns fallen. Ich habe eine beheizte Wohnung und einen vollen Kühlschrank. Das muss man sich immer bewusst machen. Und wenn mir etwas Angst macht, frage ich mich immer, wo kommt die her und was kann ich tun, um mich fähiger zu machen. Die großen Krisen dieser Welt kann ich natürlich nicht kontrollieren, aber das, was ich im Kleinen tue. Was sind meine Fähigkeiten? Was meine Möglichkeiten? Mein eigenes Selbstbild ist nicht an meinen Beruf gekoppelt.

Von der Erde Richtung Mars

Christian Nitsche: Du bist Reserve-Astronautin. Würdest du zum Mars fliegen, wenn du den Auftrag bekämst?

Nicola Winter: Aktuell noch nicht. Ein Flug zum Mars dauert neun Monate hin und zurück. Die Überlebenschancen sind zu gering. In der Astronautenauswahl wurden wir gefragt, ob wir eine One-Way-Mission akzeptieren würden. Alle, die "Ja" sagten, fielen durch. Denn die ESA sucht keine selbstmordgefährdeten Astronauten. Die Lebensfreude, der Rückkehrwille ist essenziell.

Christian Nitsche: Glaubst du, die Menschheit wird irgendwann die Erde verlassen müssen?

Nicola Winter: Ich glaube, dass wir es irgendwann können, aber nicht geschlossen tun werden. Wenn wir den Mars bewohnbar machen könnten, dann könnten wir das ja hier auf der Erde auch, wir könnten CO2 aus der Atmosphäre ziehen und die Sahara begrünen. Und darum geht es doch: Lösungen zu finden – hier und anderswo.

Christian Nitsche: Was treibt dich an, immer weiterzulernen?

Nicola Winter: Es ist die Freude an der Sache. Ob als Kampfpilotin, Hubschrauberpilotin oder Astronautin – es geht darum, was sinnvoll ist. Niederlagen gehören dazu, aber man lernt, weiterzumachen. Das lernt man leider erst sehr spät im Leben, dass es darum geht, Freude an dem zu haben, was man macht. Mir wird oft Karrierestreben und großer Ehrgeiz unterstellt, letztlich suche ich immer danach, wie ich Menschen helfen kann.

Das ganze Interview findet ihr auf unserem BR24-YouTube Kanal.

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