Mit Donald Trump könnte sich die US-Außenpolitik stark verändern. Das lässt sich zumindest aus Trumps Wahlkampf-Reden prognostizieren. Was bedeutet das für Deutschland und Europa?
Benedikt Franke, CEO der Münchner Sicherheitskonferenz und im ständigen Austausch mit US- und internationalen Diplomaten, stellt sich den Fragen von BR-Chefredakteur Christian Nitsche bei "7 Fragen Zukunft". (Das vollständige Interview hier im Video.)
Christian Nitsche: Werden die USA künftig noch die Weltpolizei sein? Oder wird sich das mit Beginn der Amtszeit von Donald Trump ändern?
Benedikt Franke: Wenn wir ganz nach vorne schauen, wäre es doch schön, es bräuchte keine Weltpolizei mehr. Trump hat im Wahlkampf immer wieder gesagt, er möchte die Rolle der USA verändern. Er möchte sich auf Amerika konzentrieren. Da ist natürlich ein kleiner logischer Fehler drin. Es kann Amerika nur gut gehen, wenn es der Welt gut geht.
Und deswegen musst du dich sehr wohl um die Welt kümmern. Aber er wird sicherlich die Anzahl amerikanischer Truppen, die "boots on the ground", reduzieren wollen. Er wird alles tun, um nicht in Konflikte reingezogen zu werden. Er ist der Meinung, Afghanistan war von Anfang an ein Fehler. Er ist der Meinung, sie müssen aus dem Irak die letzten Truppen und aus Syrien die verbleibenden Spezialkräfte abziehen. Deswegen glaube ich, dass man schon ein gewisses – auf Amerikanisch heißt das "Retranchement", also "man zieht sich zurück", sehen wird.
Das ist aber nicht das Gleiche wie die Rolle der Weltpolizei aufgeben. Die Amerikaner sind die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt. Die Amerikaner sind die stärkste Militärmacht der Welt und sie haben an ganz vielen anderen Stellen auch die Hoheit, in der Technologie zum Beispiel. Die Entscheidungen der Amerikaner werden die Welt prägen, egal ob sie als Weltpolizisten unterwegs sind oder nicht.
Im Video: USA, Europa, Deutschland: Ändert sich mit Donald Trump die Weltordnung? I 7 Fragen Zukunft
Russland und die Ukraine "europäische Probleme" für Trump
Nitsche: Könnte es sein, dass die USA bei einer "America first"-Politik China oder Russland mehr Handlungsraum geben?
Franke: Der ganz große verbindende Faktor in der Republikanischen Partei ist ja gerade, dass China als die zentrale Bedrohung gesehen wird und dass man eher davon wegkommen muss, Russland und andere Dinge als Probleme zu sehen. Das sind eher europäische Probleme. Auch das Problem mit der Ukraine sollen wir Europäer lösen. Sie wollen sich auf diese Jahrhundertproblematik, die die Kommunistische Partei in China darstellt, konzentrieren. Deswegen sind sie hier und da so sauer auf uns, weil in deren Augen unsere Faulheit, unser Geiz sie daran hindert, Truppen aus Deutschland, aus Europa abzuziehen und in den indopazifischen Raum zu verlegen und sich wirklich auf das zu konzentrieren, was ihre größte Bedrohung ist.
Nitsche: Sind die USA auch sauer, weil wir in China immer den tollen Wirtschaftspartner gesehen haben?
Franke: Ja, sie glauben, wir machen genau den gleichen Fehler wie mit unserer Abhängigkeit von russischem Öl und Gas. Dass wir uns jetzt auf die Märkte in China verlassen und dass wir auch durch unsere Sucht nach einer grünen Transformation uns in unglaublich leicht zu instrumentalisierende Abhängigkeiten begeben, was Photovoltaik angeht, was kritische Rohstoffe angeht, was die Seltenen Erden angeht. In all diesen Bereichen haben die Chinesen die absolute Dominanz und werden sie aus Sicht der Amerikaner definitiv einsetzen. In den letzten Jahren gab es immer die Diskussion um das "2 % Ziel" der Nato. Macht Deutschland, macht Europa genug, um dieses 2 % Ziel zu erreichen? Ich glaube, die Diskussion wird relativ schnell gegen die nächste Diskussion verblassen, die da kommt und die nicht nur ein Präsident Trump führen wird, sondern auch sein Nachfolger oder Nachfolgerin.
Deutschland ist "blank" gegen chinesische Einflussnahme
Nitsche: Was ist die nächste Diskussion?
Franke: Das ist das Thema der Resilienz. Wie resilient ist der Westen? Wie resilient ist Europa gegenüber dem Einfluss illiberaler Kräfte wie China und Russland? Und Trump wirft uns vor, dass wir das jahrzehntelang vernachlässigt haben, dass wir sozusagen auf die billigen Märkte aus sind und dass wir aus diesen Gründen es vernachlässigt haben, unsere Gesellschaft, unsere Demokratie und unsere Allianz zu schützen.
Nitsche: Haben Sie ein Beispiel für die notwendige Resilienz?
Franke: Ich war bei so einer kleinen republikanischen Veranstaltung in den Weinbergen von Napa Valley in Nordkalifornien. Und die Veranstaltung bestand nur daraus, dass sich jede Bundesbehörde in den USA kurz auf die Bühne gestellt hat. Da gab es die wildesten Bundesbehörden, von denen hat noch nie einer gehört. Und die Leute haben gesagt, was sie tun, um dem Risiko China zu begegnen, also um die Vereinigten Staaten von Amerika zu schützen und stärker und fester zu machen.
Schon nach den ersten drei Behörden ist mir die Kinnlade runtergefallen. Die haben Zehntausende Leute in ihren Behörden, die sich um das Thema Resilienz kümmern. Also, wenn wir in Deutschland ein paar Dutzend haben, ist das viel. Da gab es die Geschichte mit den sogenannten "ship-to-shore-cranes", die mich fasziniert hat. Das sind diese großen Ladekräne, die an den Häfen stehen, die die Container rüber von den Schiffen bringen.
Über die letzten 40 Jahre sind die 3.820 Kräne, die die Amerikaner haben, quasi ausschließlich von chinesischen Firmen gebaut worden. Und die zuständige Behörde ist der Meinung, dass sie nicht zu 100 % ausschließen können, dass China im Falle eines Krieges irgendwo einen Knopf hat, auf den man drückt, und dann funktionieren diese "ship-to-shore-cranes" nicht mehr.
Dann kommt der gesamte Handel in die USA und aus den USA zum Erliegen. Und damit geht relativ schnell das Licht aus. Deswegen haben die Amerikaner jetzt ein Konsortium mit einer japanischen Firma gegründet und sich eine Strategie zurechtgelegt, diese Kräne über die nächsten fünf Jahre komplett zu ersetzen.
Nitsche: Deutschland hat solche Kräne ja auch?
Franke: Wir wissen nicht mal, wie viel Kräne wir haben. Also so fängt es schon an. Die Amerikaner wissen, wo ihre Verwundbarkeiten liegen. Die haben die gezählt. Die haben einen Plan, damit umzugehen. Und sie werfen uns vor – und das völlig zurecht – dass wir blank sind. Also wir denken immer noch, kritische Infrastruktur sind nur irgendwelche Internetkabel und irgendwelche Stromleitungen und vielleicht Krankenhäuser und ein bisschen Militär und ein bisschen Polizei. Aber die gehen ja viel weiter:
Welche Autobahnbrücken gilt es zu schützen? Wie gehen wir im Falle von Nuklearschlägen vor? All die Pläne hatte Deutschland übrigens während des Kalten Krieges. Wir haben das alles vergessen. Und deswegen gibt es jetzt langsam aber sicher Bestrebungen, das anzufassen. Aber wenn wir das nicht richtig machen, dann hat Trump immer was, wo er darauf hinweisen wird.
Nitsche: Danke für das Gespräch.
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