Aus Ärger über "Verrat" im ukrainischen Sicherheitsapparat hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Chefs von Geheimdienst und Generalstaatsanwaltschaft abgesetzt. Aus diesen Behörden seien hunderte Mitarbeiter in den russisch besetzten Gebieten geblieben und kollaborierten mit dem Feind, sagte Selenskyj am Sonntagabend in Kiew. Das Präsidialamt veröffentlichte Erlasse, mit denen der Leiter des Geheimdienstes SBU, Iwan Bakanow, und Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa ihrer Ämter enthoben wurden.
651 Strafverfahren gegen mutmaßliche Überläufer
Die Ukraine wehrt sich seit Februar gegen den russischen Angriffskrieg. Selenskyj hat in der Zeit so gut wie keine Personalwechsel vorgenommen. Nun nannte er Zahlen zu den Überläufern: Es gebe 651 Strafverfahren gegen Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft und anderen Strafverfolgungsbehörden wegen Hochverrats und Kollaboration mit russischen Diensten. In 198 Fällen seien Betroffene informiert worden, dass sie unter Verdacht stehen.
Diese "Reihe von Verbrechen gegen die Grundlagen der nationalen Sicherheit" werfe ernsthafte Fragen an die Behördenleiter auf, sagte der Präsident. "Jede dieser Fragen wird beantwortet werden." Selenskyj bestätigte zudem, dass ein ranghoher SBU-Mitarbeiter festgenommen worden sei, der früher für die Schwarzmeer-Halbinsel Krim zuständig war.
Geheimdienstchef war enger Verbündeter Selenskyjs
Der abgesetzte Geheimdienstleiter Bakanow ist ein enger Weggefährte Selenskyjs aus dessen Zeiten als Fernsehkomiker und ein ehemaliger Geschäftspartner Selenskyjs. Er leitete den Geheimdienst seit 2019. Medien verwiesen allerdings auch darauf, dass der 47-jährige Bakanow als Fachfremder nur wenig Autorität unter seinen Angestellten genossen habe. Bakanows bisheriger Stellvertreter Wassyl Maljuk wurde von Selenskyj zum Interimschef gemacht.
Die entlassene Generalstaatsanwältin Wenediktowa leitete insbesondere die Ermittlungen zu mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen in der nahe Kiew gelegenen Stadt Butscha. Die Generalstaatsanwaltschaft soll nun vorübergehend von Oleksij Simonenko geleitet werden.
Selenskyj kündigte auch Personalfindungsprozesse für Spitzenposten in den Behörden zur Korruptionsbekämpfung an.
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