Raketentest eines russischen Kriegsschiffs im Januar 2020 im Schwarzen Meer vor der Küste der Krim
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Raketentest eines russischen Kriegsschiffs im Januar 2020 im Schwarzen Meer vor der Küste der Krim

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Außer Kontrolle: Was bringen Abrüstungsverträge noch?

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist die Angst vor einem Atomkrieg präsent wie lange nicht mehr. Internationale Abrüstungsbemühungen geraten mehr und mehr ins Stocken.

Über dieses Thema berichtet: Dossier Politik am .

Der Krieg in der Ukraine dauerte erst drei Tage, da spielte Wladimir Putin zum ersten Mal mit der Angst vor einem Atomkrieg. Der Westen habe sich mal wieder gegen sein Land verschworen und gehe aggressiv vor, sagte Putin Ende Februar bei einer Ansprache vor seinen Militärs. Deshalb ordne er an, die russischen Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft zu versetzen.

Putins unterschwellige Drohung

Es war nicht das erste Mal, dass Putin eine derartige unterschwellige Drohung ausgesprochen hat. Schon nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim hatte er die Alarmbereitschaft seiner Atomstreitmacht ausgerufen. Seit Anfang des aktuellen Feldzugs gegen die Ukraine setzt er sein Nuklearwaffenarsenal aber immer wieder als Drohkulisse ein.

Für Sabina Galic vom internationalen Bündnis gegen Atomwaffen (ICAN) ist deshalb klar, dass ein Umdenken in der internationalen Sicherheitspolitik einsetzen muss. Der Mythos, Atomwaffen würden Sicherheit schaffen, lasse sich nicht mehr halten. ICAN ist ein Bündnis aus Nichtregierungsorganisationen und wurde 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Gefährlicher als im Kalten Krieg

Der Glaube, dass Staaten mit Atomwaffen keine Kriege gegeneinander führen würden, sei ein Trugschluss, meint Sabina Galic: "Wir leben heute in einer durchaus höheren Bedrohungslage als noch zu Zeiten des Kalten Krieges." Das Problem ist: Die internationalen Bemühungen um die Abrüstung von Atomwaffen erleben seit Jahren einen Dämpfer nach dem anderen. Vor allem die USA haben sich aus Verträgen zurückgezogen.

Zuletzt veranlasste etwa Donald Trump den Ausstieg aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran und aus dem sogenannten INF-Vertrag. Letzterer verpflichtete sowohl die USA als auch Russland dazu, ihre bodengestützten Nuklearraketen mit kurzer und mittlerer Reichweite sowie deren Abschussvorrichtungen und Infrastruktur zu vernichten. Trotz diese Rückschläge, seien solche Verträge aber nach wie vor wichtig, betont Elisabeth Suh von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik: "Ich möchte mir ehrlich gesagt gar nicht vorstellen, in was für einer Welt wir leben würden, wenn es solche Verträge nicht gäbe oder nicht gegeben hätte."

Abrüstungsverträge – eine Erfolgsgeschichte

Aus Sicht von Elisabeth Suh haben internationaler Abrüstungsverträge deutliche Fortschritte gebracht: So besitzen aktuell nur neun Staaten Atomwaffen. Die Zahl der nuklearen Sprengköpfe ist seit 1986 eklatant zurückgegangen. Damals, zur Hochzeit des Kalten Krieges, gab es auf der Welt circa 64.000 Sprengköpfe, heute sind es nur noch rund 13.000.

Und trotz aller Rückschläge: Erst im vergangenen Jahr gab es einen großen Erfolg für weltweite Abrüstungsbemühungen, als die USA und Russland den sogenannten New-Start-Vertrag verlängerten. Dieser setzt beiden Nuklearmächten Grenzen, wie viele Atom-Sprengköpfe und Abschusssysteme sie stationieren dürfen. Beide müssen darüber Bericht erstatten und führen im jeweils anderen Land Inspektionen durch. Der Vertrag wird auch in diesen sehr angespannten Zeiten respektiert.

Für eine neue globale Sicherheitsarchitektur

Was es laut Elisabeth Suh nun aber vor allem bräuchte, ist eine neue globale Sicherheitsarchitektur. Die alten Strukturen, egal ob bei den Vereinten Nationen oder der Nato, seien immer noch auf eine Welt mit zwei Großmächten ausgelegt: die USA und Russland. Doch inzwischen sei mit China eine neue Weltmacht auf der Bühne erschienen, was das alte globale Gleichgewicht durcheinandergebracht habe. So begründeten die USA ihren Ausstieg aus dem INF-Vertrag zwar auch damit, dass Russland sich angeblich nicht an dessen Abmachungen halte. Ein weiterer Grund war aber, dass China inzwischen solche Raketensysteme ebenfalls angeschafft hat.

Damit es nicht erneut zu einem neuen nuklearen Wettrüsten kommt, macht sich das Anti-Atomwaffenbündnis ICAN für einen neuen Vertrag stark: den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV). Damit würde Nuklearwaffen die völkerrechtliche Legitimation entzogen, so Sabina Galic. "Insgesamt erhöht sich damit der politische Handlungsdruck auf Nuklearwaffenstaaten erheblich."

Es geht nicht nur um Atomwaffen

Mehr als 120 Staaten haben den Atomwaffenverbotsvertrag 2017 angenommen, Anfang 2021 trat er in Kraft. Deutschland nimmt als Beobachter an der Konferenz zum Vertrag teil. Elisabeth Suh von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik befürchtet allerdings, dass der AVV kaum politische Effekte haben wird, denn kein Staat mit Atomwaffen hat den Vertrag unterzeichnet.

Zugleich warnt Suh davor, beim Thema Abrüstung den Blick nur auf Atomwaffen zu richten: "Wenn das Ziel ist, eine sicherere und friedlichere Welt zu schaffen, dann müssen wir noch ein bisschen größer denken als nur über nukleare Abrüstung." Schließlich zeige nicht nur das Beispiel der Ukraine, wieviel Leid ein Krieg verursacht, auch wenn er "nur" mit sogenannten konventionellen Waffen geführt wird.

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