Die verängstigten Menschen in Marokko haben die dritte Nacht in Furcht vor Nachbeben verbracht. Aus einigen Ländern treffen Suchteams zur Unterstützung ein. Hunderte Menschen werden noch vermisst. Doch um sie lebend zu bergen, läuft die Zeit davon.
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Nach dem starken Erdbeben in Marokko werden noch hunderte Menschen vermisst.

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Wettlauf gegen die Zeit: Die Suche nach Bebenopfern in Marokko

Mehr als 48 Stunden nach dem schweren Erdbeben in Marokko schwinden die Chancen, noch Überlebende zu finden. Aus mehreren Ländern treffen Suchteams ein - doch nicht alle Hilfsangebote werden angenommen.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Einsatzkräfte in Marokko haben ihre Rettungsbemühungen weiter verstärkt – in der Hoffnung, drei Tage nach dem schweren Erdbeben noch Überlebende zu finden. Während die Menschen die dritte Nacht in Folge aus Angst vor weiteren Nachbeben in den Straßen von Marrakesch und anderen Orten verbrachten, begannen Soldaten und ausländische Hilfsteams mit Lastwagen und Hubschraubern, in die entlegenen Bergdörfer vorzudringen. Militärfahrzeuge, beladen mit Bulldozern und logistischer Ausrüstung, versuchten in zerklüftetem Gelände, Straßen von Erdrutschen zu befreien, damit auch Krankenwagen durchkommen, wie die Online-Zeitung Morocco World News berichtete.

Zeit läuft davon: Mensch kommt nur kurze Zeit ohne Wasser aus

Für die Such- und Bergungskräfte ist es ein Wettlauf gegen die Zeit: Experten geben einen Richtwert von 72 Stunden an, in denen ein Mensch längstens ohne Wasser auskommen kann. Hunderte Menschen gelten noch als vermisst.

Das Erdbeben der Stärke 6,8, das schlimmste seit Jahrzehnten in Marokko, hatte sich am späten Freitagabend ereignet. Seither wurde das nordafrikanische Land, wo Erdbeben generell nur selten vorkommen, von weiteren Nachbeben heimgesucht.

Die Zahl der bestätigten Toten ist mittlerweile auf 2.497 gestiegen. Wie das marokkanische Innenministerium am Montagmittag mitteilte, wurden mindestens 2.476 Menschen verletzt.

Marokko nimmt von vier Ländern Unterstützung an

Obwohl mehrere Länder, darunter Deutschland, ihre Hilfe angeboten haben, will Marokko zunächst nur von vier Ländern Unterstützung annehmen. Wie das Innenministerium am späten Sonntagabend erklärte, hätten die Behörden nach gründlicher Untersuchung "auf die Unterstützungsangebote der befreundeten Länder Spanien, Katar, Großbritannien und Vereinigte Arabische Emirate reagiert". Nicht bekannt war, ob auch Deutschland um Hilfe gebeten wurde. Deutsche Hilfsorganisationen wie das Technische Hilfswerk schickten ihre bereitgestellten Mitarbeiter jedenfalls vorerst wieder nach Hause.

Die Bundesregierung will ihr Hilfsangebot für die Erdbebengebiete in Marokko aufrechterhalten, auch wenn die dortige Regierung das Angebot bislang nicht angenommen hat. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wollte sich am Montag nicht zu den Gründen für das Zögern der marokkanischen Regierung äußern: "Darüber lohnt es sich von unserer Seite aus nicht zu spekulieren", sagte er - und fügte hinzu: "Wir stehen zu diesen Hilfsangeboten."

Sollte Marokko das Angebot annehmen, "dann werden wir auch liefern", sagte Hebestreit. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte: "Politische Gründe kann man hier ausschließen." Die marokkanische Regierung habe sich für das Angebot bedankt, es aber bislang nicht angenommen.

THW hält sich für Einsatz bereit

Möglicherweise gebe es dafür organisatorische oder logistische Gründe auf marokkanischer Seite, sagte der Außenamtssprecher. "Ich bin sicher, dass man sich sehr genau Gedanken gemacht hat, welche Einsatzkräfte man wo einsetzen kann." Der Stand der diplomatischen Beziehungen zu Marokko sei "gut".

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums ergänzte, dass sich das Technische Hilfswerk (THW) weiter für einen Einsatz in Marokko bereithalte. "Wir sind jederzeit bereit, zu helfen – etwa bei der Trinkwasseraufbereitung", sagte er. Das THW habe Fachberater an die deutsche Botschaft in Marokko entsandt, um zu prüfen, wo Deutschland am besten helfen könnte. "Insofern können wir weiterhelfen, wenn das gewünscht wird."

Die Europäische Union stellt eine Million Euro für humanitäre Hilfe bereit. "Das tragische Erdbeben in Marokko hat schreckliches Leid und den Verlust von Menschenleben verursacht", teilte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, in einer Pressemitteilung am Montag mit. Die eine Million Euro sollten dabei helfen, die dringendsten Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Menschen zu decken, hieß es. Zudem stehe die Kommission mit den EU-Staaten in Kontakt, um Einsatzteams zu mobilisieren, falls Marokko darum bittet.

Sonderhilfsfonds für Erdbeben-Opfer in Marokko

Die Regierung in Marokko kündigte unterdessen einen Sonderhilfsfonds für die notleidende Bevölkerung an. Damit sollten unter anderem Kosten zur Absicherung beschädigter Häuser gedeckt werden, berichtete die marokkanische Nachrichtenseite Hespress unter Berufung auf einen Regierungssprecher.

Zur Höhe des Fonds gab es keine Angaben. Er solle sich aus Geldern öffentlicher Einrichtungen und freiwilliger Beiträge des Privatsektors zusammensetzen, hieß es. Zur medizinischen Versorgung der mehr als 2.000 Verletzten seien neben den ortsansässigen Krankenhäusern und Ambulanzdiensten mehr als 1.000 Ärzte sowie 1.500 Krankenschwester und Pfleger mobilisiert worden.

Mit Informationen von dpa

Im Audio: Die Suche nach Erdbebenopfern in Marokko

Rettungskräfte suchen in der Stadt Ouirgane, südlich von Marrakesch, nach dem schweren Erdbeben nach Überlebenden.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Khaled Nasraoui
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Rettungskräfte suchen in der Stadt Ouirgane, südlich von Marrakesch, nach dem schweren Erdbeben nach Überlebenden.

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