Darum geht’s:
- Roma-Organisationen berichten von antiziganistischen Übergriffen auf geflüchtete Roma aus der Ukraine.
- Im Netz wird behauptet, die geflüchteten Roma seien keine “echten” Flüchtlinge und versuchten, Leistungen zu erschleichen.
- Vermeintliche Beweise dafür, wie mangelnde Landeskunde oder fehlende ukrainische Pässe, sind jedoch mit der Lebensrealität der Roma in der Ukraine zu erklären.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ist die Solidarität der Deutschen mit der Ukraine und den von dort geflüchteten Menschen groß. Viele Familien etwa haben ukrainische Geflüchtete bei sich aufgenommen. Doch andere wurden in städtischen Erstaufnahmeeinrichtungen, wie etwa in der Messestadt Riem untergebracht. Diese Unterkünfte sind nicht für eine langfristige Unterbringung gedacht. Dort kamen tausende Menschen zusammen.
Chaotische Zustände gab es auch beim Amt für Wohnen und Migration in der Werinherstraße in München, wo die Geflüchteten ihre Leistungen bekommen. Die Mitarbeiter des Amts seien durch den starken Anstieg der zu bearbeitenden Anträge überlastet gewesen, heißt es vom Sozialreferat der Stadt München. Teilweise haben Menschen dort in der Tiefgarage übernachtet.
80 Prozent der Geflüchteten in der Münchner Messe sollen Roma sein, das schätzt zumindest der Verband deutscher Sinti und Roma in Bayern. Und Roma-Organisationen berichten von antiziganistischen Übergriffen dort. Von Dolmetschern, die sich angeblich weigerten für geflüchtete Roma zu übersetzen. Von Security-Personal, das Roma anders behandeln soll. Auch von der Werinherstraße gibt es solche Berichte.
💡 Was ist Antiziganismus?
Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) definiert Antiziganismus als eine Form des Rassismus, der Sinti und Roma stigmatisiert und diskriminiert. Ihnen werden “pauschal negative und von der Mehrheitsgesellschaft (vermeintlich) abweichende Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben”, heißt es auf der Webseite der bpb. Klassische Stereotype sei etwa die “irrige Annahme”, die Personen seien “nicht sesshaft”, “kriminell veranlagt” oder “arbeitsscheu”. Der Begriff ist jedoch umstritten, alternativ kann man von Rassismus gegen Sinti und Roma sprechen. Die bpb hat die Debatte um den Begriff in diesem Podcast zusammengefasst.
Warum sind so viele Roma in Münchner Massenunterkünften?
Dass ausgerechnet Roma in den Massenunterkünften strandeten, hat laut Erich Schneeberger vom Verband deutscher Sinti und Roma in Bayern einen ganz praktischen Grund: In Roma-Familien gebe es oft viele Kinder, was die Vermittlung in private Wohnungen schwieriger mache. Das bestätigt das Sozialreferat der Stadt München: “Eine Hürde ist das geringe Angebot an Privatwohnungen für größere Familien oder Personengruppen, die zusammenbleiben wollen”, schreibt eine Behördensprecherin auf Anfrage des #Faktenfuchs.
Offizielle Zahlen dazu, wie viele Roma in Riem oder in anderen großen Unterkünften untergebracht sind, gibt es nicht. Weder die Stadt München, das bayerische Innenministerium noch die Polizei erheben die ethnische Zugehörigkeit von Geflüchteten. “Grundsätzlich wissen wir aber, dass es Familien in der Messe und auch in anderen Unterkünften gibt, die sich als Roma identifizieren”, so die Auskunft des Sozialreferats. Deshalb habe man auch die Sinti-und-Roma-Organisation “Madhouse” in die Betreuung der Menschen eingebunden.
Werden Roma in den Massenunterkünften diskriminiert?
Es sind Berichte von Diskriminierung und von antiziganistischen Anfeindungen, teils durch Security-Personal, teils durch andere Geflüchtete, die aus den Unterkünften zu hören sind. Erich Schneeberger vom Verband deutscher Sinti und Roma in Bayern erzählt zum Beispiel von der Beobachtung seines Stellvertreters in Riem einer älteren Romnja, die ohne richtige Matratze und ohne ausreichend Decken habe leben müssen, während andere Geflüchtete ausreichend davon gehabt hätten. Auf Nachfrage sagte ein Sprecher des Sozialreferats, es seien keine Fälle bekannt, in denen Roma Decken aufgrund ihrer Ethnie verweigert worden wären - so etwas würde man nicht dulden und “selbstredend unterbinden”.
Die Organisation “Madhouse Munich” berichtet dem #Faktenfuchs von verschiedenen Beschwerden über Sicherheitskräfte, die im Auftrag des Amtes für Wohnen und Migration in der Werinherstraße eingesetzt waren. Der Vorwurf: Roma seien anders behandelt worden. Und auch von Dolmetschern sei berichtet worden, die sich weigerten, für Roma zu übersetzen, oder deren Aussagen vor Behördenmitarbeitern anzweifelten.
Alle diese Gerüchte wurden zwar von verschiedenen Roma-Organisationen und Helfern unabhängig voneinander im Interview mit dem #Faktenfuchs angesprochen. Ob diese Situationen tatsächlich so stattgefunden haben, ist allerdings schwierig zu verifizieren. Denn die Berichte stammen alle von Roma-Organisationen, die selbst von diesen Vorfällen nur erzählt bekommen haben. Herauszufinden, wer konkret betroffen war, ist in der aktuellen unübersichtlichen Situation kaum möglich. Auch deshalb, weil die Organisationen keinen ständigen Kontakt zu den einzelnen Roma haben.
Das Sozialreferat ist dafür zuständig, solchen Beschwerden nachzugehen, die Vorwürfe aufzuklären und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Dort sind zwar Diskriminierungen gegen ukrainische Roma bekannt geworden, sowohl was eine Andersbehandlung als auch Beschimpfungen im öffentlichen Raum betrifft.
Vorwürfe gegen Sicherheitspersonal in der Werinherstraße seien jedoch nicht bekannt. Man sei jedoch für das Thema sensibilisiert und mit der Security-Firma in regelmäßigem Austausch. Auch bei der Koordinationsstelle Dolmetschen seien bislang keine Hinweise auf konkrete Vorfälle eingegangen, schreibt die Sprecherin des Sozialreferats.
Vorurteile und Behauptungen im Netz
Auch im Netz kann man antiziganistische Äußerungen beobachten. Dort verbreitete sich etwa die Behauptung, bei den auf dem Messegelände untergebrachten Roma würde es sich nicht um "echte" Geflüchtete aus der Ukraine handeln. “Focus Online” schrieb zum Beispiel, es gehe die Frage um, "ob zumindest ein kleiner Teil von ihnen die Willkommenskultur in Deutschland unberechtigterweise ausnutzt". Das Thema wird in den sozialen Netzwerken diskutiert.
Der Vorwurf, sie würden Leistungen erschleichen, ist ein häufiges Vorurteil gegenüber Roma. Dieser Text will zwei der Beobachtungen einordnen, die diese Vorwürfe vermeintlich stützen.
Behauptung 1: Fehlende ukrainische Pässe seien ein Hinweis auf "Asyltourismus"
Eine der Behauptungen, die im Netz auftaucht und auch von der AfD instrumentalisiert wird, bezieht sich auf fehlende Pässe bei Roma in den Flüchtlingsunterkünften. In einer Pressemitteilung schreibt ein Landtagsabgeordneter der AfD davon, dass ein Großteil der Roma nicht aus der Ukraine, “sondern aus Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern” stamme, sich nur als ukrainische Geflüchtete “ausgeben”. 30 Prozent hätten darüber hinaus keine Ausweise.
Die kurze Einordnung
Laut Polizei haben alle Personen, die in den städtischen Notunterkünften untergebracht sind gültige ukrainische Pässe.
Es stimmt allerdings, dass ein Teil der Roma aus der Ukraine keine Ausweisdokument besitzt. Unter anderem deshalb, weil laut Vertretern etwa von Menschenrechtsorganisationen ein tiefes Misstrauen gegenüber Behörden herrscht und weil eine Beschaffung zu teuer wäre. Außerdem besitzen manche ukrainische Roma mit einer kulturellen Verbundenheit zu Ungarn keine ukrainischen, sondern ungarische Pässe.
Die lange Einordnung
Um diese Behauptung richtig einordnen zu können, braucht es ein Verständnis für die Lebensrealität der 200.000 bis 400.000 Roma in der Ukraine. Das fängt schon bei dem Begriff “Sinti und Roma” an. In der Pressemitteilung der AfD wird er für Gruppen aus Osteuropa verwendet. Das ist nicht korrekt - denn in der Ukraine und anderen süd- und osteuropäischen Ländern leben Roma, keine Sinti. Sinti leben vor allem in Deutschland.
Warum haben manche Roma keine Ausweise?
Ein Teil der Roma in der Ukraine lebt marginalisiert und nimmt nur wenig am kulturellen, politischen oder wirtschaftlichen Leben teil. Für sie sei es besonders schwierig, Ausweisdokumente zu bekommen, zum Beispiel, weil schon die Eltern keine gehabt hätten oder weil sie schlicht nicht genug Geld hätten, um Ausweispapiere zu beantragen, erklärt Stephan Müller vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, der sich auf die Lage der Roma in den West-Balkanstaaten spezialisiert hat:
“Wenn ich mir einen Ausweis besorgen will, muss ich erst einmal eine Geburtsurkunde besorgen. Dann brauche ich auch die Geburtsurkunde meiner Eltern, die diese vielleicht auch nicht hatten. Manche Familien sind wirklich an den Kosten gescheitert.”
Ein weiterer Grund ist, dass manche Roma noch die veralteten Ausweispapiere aus Sowjet-Zeiten besitzen und die ukrainische Staatsbürgerschaft nie beantragt haben.
Für die Behörden seien die fehlenden Urkunden teils ein Grund dafür, selbst auch keine Pässe auszustellen, sagt Julian Kondur von der ukrainischen Roma-Organisation “Chirikli”. “Manchmal wiesen Eltern ihre Kinder formell nahen Verwandten zun, weil diese Dokumente hatten. Wegen dieser Komplexität wollen manche Behörden sich nicht damit beschäftigen und lehnen den Antrag ab.”
Allerdings gab es vor dem Krieg auch internationale Programme zum Beispiel von den Vereinten Nationen, die darauf abzielten, es Roma zu erleichtern, Pässe zu bekommen.
Wie viele Roma keine Ausweispapiere besitzen, ist schwer zu schätzen. Generell gibt es sehr wenige genaue Zahlen zu den Roma in der Ukraine. Nichtregierungsorganisationen gehen laut einem Bericht der “Minority Rights Group Europe” aus dem Jahr 2019 aber von einem großen Unterschied zwischen Stadt und Land aus: Während in Städten vermutlich zwischen 10 bis 15 Prozent der Roma ohne Ausweisdokumente leben, sind es in manchen Teilen des Landes bis zu 30 Prozent.
Dass ein so großer Teil der Roma in der Ukraine keine Dokumente besitzt, führt Jonathan Lee vom European Roma Rights Center (ERRC) auch auf Diskriminierung zurück. In einer E-Mail an den #Faktenfuchs schreibt er, manchmal würden einzelne Behördenvertreter in der Ukraine direkt gegen Roma diskriminieren, wenn diese versuchten, Ausweise zu beantragen. Er weist aber auch auf Prozesse bei der Beantragung von Ausweispapieren hin, die Roma indirekt diskriminierten.
Außerdem hätten viele Roma über mehrere Generationen hinweg schlechte Erfahrungen mit Behörden gemacht und seien entsprechend zögerlich, sich an diese zu wenden. Andere hätten nicht die relevanten Informationen oder Unterstützung von den Behörden bei der Antragstellung erhalten, sagt Stephan Müller vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma.
Warum haben manche Roma ungarische Ausweise?
Der AfD-Politiker behauptete in der Pressemitteilung auch, dass ein “Großteil” der Geflüchteten u.a. aus Ungarn stamme.
Dazu muss man wissen: Es gibt eine Gruppe von Roma, die ungarische Pässe haben. Das ist das Resultat eines Gesetzes der ungarischen Regierung von 2010, wonach Staatsbürger der Nachbarländer (vor allem Rumänien, Serbien, Slowakei und Ukraine), die eine ungarische “Ahnenlinie” nachweisen können, einen ungarischen Pass beantragen dürfen.
Dafür reicht laut Stephan Müller vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma die Tatsache aus, dass ein Großelternteil in einem Gebiet wohne, das einst zu Ungarn gehörte.
Die Gruppe der Roma in der Ukraine ist sehr divers - die einzelnen Communities haben eine unterschiedliche Geschichte, sprechen anders und haben eine andere Kultur. Eine der Communities spricht kaum mehr Romani, sondern Ungarisch - und identifiziert sich auch als ungarisch. Einige von ihnen haben auch einen ungarischen Pass, leben aber in der Ukraine.
Was bedeutet das für die Flucht?
Durch eine Sonderregelung dürfen auch Ukrainer ohne Pass die Ukraine verlassen und in Deutschland einreisen. Die Bundespolizei schrieb dem #Faktenfuchs auf Anfrage, nachweisliche Kriegsflüchtlinge würden bei den Grenzkontrollen genauso behandelt wie Geflüchtete mit ukrainischem Pass, solange “ein glaubhafter Nachweis” erbracht werde.
Kritiker warnen, dass die Staatenlosigkeit mancher Roma aus der Ukraine nicht zu deren Nachteil werden dürfe. Markus End, Experte für Antiziganismus an der TU Berlin, sagt dem #Faktenfuchs dazu: “'Wenn beispielsweise eine diskriminierende Minderheitenpolitik (in der Ukraine, Anm. d. Red.) dazu führt, dass mehr Rom:nja in der Ukraine staatenlos werden als Nicht-Rom:nja, dann haben deutsche Behörden damit erstmal auf dem Papier nicht antiziganistisch diskriminiert, weil sie alle gleich behandelt haben. Aber die vorherige Ungleichbehandlung hat dafür gesorgt, dass Ressourcen – in diesem Fall eine Staatsangehörigkeit – ungleich verteilt sind. Das zu ignorieren ist strukturelle Diskriminierung.'"
Behauptung 2: Fehlende Landeskunde deute auf Betrugsversuche hin
Ein weiterer Vorwurf, der geflüchteten Roma etwa in der “Bild” gemacht wurde, ist, dass sie kein Wissen über Regionen in der Ukraine hätten und auf einer Landkarte nicht auf das Gebiet deuten konnten, aus dem sie gekommen seien. Tatsächlich sagt dies vor allem viel über den Zugang der Roma zu Bildung aus.
Die kurze Einordnung:
Laut dem European Roma Rights Center (ERRC) beenden 90 Prozent der Roma-Kinder vor Ende der Schulpflicht die Schule, das Bildungsniveau ist entsprechend niedrig. Einige Kinder gehen nie in die Schule.
Die wichtigsten Gründe dafür sind laut ERRC gesellschaftliche Ausgrenzung und finanzielle Belastung - und in der Folge schlechterer Zugang oder sogar Ausschluss vom Bildungssystem.
Die lange Antwort:
Die Roma in der Ukraine sind nicht nur kulturell divers. Auch was das Bildungsniveau angeht, gibt es große Unterschiede. Ein beträchtlicher Teil der Roma hat jedoch wenig bis gar keine Bildung.
Aktuelle Zahlen des ERRC aus dem Jahr 2020 zeigen das: Während ein Prozent der Roma in der Ukraine höhere Bildung (“higher education” - in der Regel eine Hochschulausbildung) genossen hat, kann knapp ein Viertel der ukrainischen Roma überhaupt keine Bildung vorweisen. 23 Prozent seien außerdem Analphabeten und 34 Prozent sprechen kein Ukrainisch, schreibt Jonathan Lee vom ECCR dem #Faktenfuchs auf Anfrage.
Woran liegt das? Als eine der bedeutenden Ursachen für die Bildungsferne nennen Experten die finanzielle Belastung. Sie könne den Ausschluss vom Bildungssystem bedeuten, so Lee: “Auch wenn Bildung in der Theorie kostenlos ist, fordern manche Schulen eine inoffizielle Beteiligung der Eltern, um laufende Kosten zu decken.” Viele Roma-Familien könnten sich das nicht leisten - nicht nur in der Ukraine, sondern in verschiedenen osteuropäischen Ländern.
Laut einer UNICEF-Studie zur Bildungssituation der Roma in Rumänien von 2011 sagten 55,8 Prozent der Befragten, “finanzielle Gründe” seien dafür verantwortlich, dass sie die eigenen Kinder nie in die Schule schickten. 13,7 Prozent führten Arbeit im Haushalt an, was laut den Autoren der Studie ebenfalls mit der finanziellen Situation der Roma-Familien zusammenhängt.
Diejenigen, die in die Schule gehen können, erlebten dort Benachteiligung. Etwa, weil sie nur segregierte Schulen besuchen dürfen, also solche, die ausschließlich für Roma-Kinder bestimmt und die laut ERRC qualitativ auch deutlich schlechter sind. Oder, weil sie in Sonderschulen geschickt werden. In der Ukraine hat erst kürzlich eine Roma-Familie dagegen geklagt, dass ihre Kinder nicht die “normale” Schule besuchen durften - und Recht bekommen. Mehr Infos dazu, hat der ERRC hier zusammengefasst (auf Englisch).
Dass viele also auch die Geografie ihres Herkunftslandes nicht kennen oder benennen können, wo sie genau herkommen, ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar.
Hintergrund: Ethnisierung sozialer Probleme
Das, was momentan über ukrainische Roma im Umlauf sei, könne man als “Ethnisierung sozialer Probleme” bezeichnen, heißt es von der Fachstelle für Demokratie der Stadt München. Deren Leiterin Miriam Heigl teilte dem #Faktenfuchs mit:
“Das heißt, es werden nur die Menschen, die aus extrem prekären sozialen Lagen kommen, als Roma wahrgenommen - ukrainische Roma, die nicht diesem vorurteilsgeprägten Weltbild entsprechen, hingegen nicht.”
Viele der beschriebenen Themen hätten mit sozialen Problemen zu tun, die wiederum in erster Linie auf die massive Ausgrenzung und Diskriminierung von Roma in Europa zurückzuführen seien, so Heigl. “Das ist in diesem Zusammenhang das besonders Perfide: Dafür, dass Sinti und Roma durch antiziganistische Vorurteile und Strukturen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, werden diese auch noch selbst verantwortlich und verächtlich gemacht.”
Fazit
Geflüchteten Roma aus der Ukraine wird unterstellt, keine “echten” ukrainischen Geflüchtete zu sein.
Unter anderem deshalb, weil manche Roma keine ukrainischen Pässe besitzen. In der Ukraine leben allerdings je nach Region zwischen zehn und dreißig Prozent der Roma ohne Pässe, was teils finanzielle, teils kulturelle Hintergründe hat. Das gleiche gilt für die Beobachtung, geflüchtete Roma besäßen keine Landeskunde. Ein beträchtlicher Teil der Roma in der Ukraine hat jedoch keinen Zugang zu Bildung und lebt marginalisiert.
Laut der Fachstelle für Demokratie handelt es sich dabei um die Ethnisierung sozialer Probleme: Roma würden für mangelnde Bildung oder fehlende Ausweise verächtlich gemacht - dabei seien diese durch antiziganistische Vorurteile und Strukturen bedingt.
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02.06.2022, 14:40: Wir haben bei der Erklärung des Begriffs "Antiziganismus" zwei Sätze zur Debatte um den Begriff ergänzt.