Nach dem Rückzug von US-Präsident Joe Biden aus dem Rennen um eine weitere Amtszeit versammeln sich mehr und mehr US-Demokraten hinter seiner Stellvertreterin Kamala Harris. Die 59-Jährige gilt damit derzeit als aussichtsreichste Ersatzbewerberin für die Wahl am 5. November. Sie hat von Biden und zahlreichen weiteren Parteigrößen öffentlich ihre Unterstützung erhalten und muss nun von ihrer Partei nominiert werden. Offen ist, ob die Partei Bidens Vorschlag folgt – und wen sich Harris als Vize an ihre Seite holen könnte. Der Nominierungsparteitag der Demokraten findet vom 19. bis 22. August in Chicago statt.
Auch Pelosi unterstützt Harris
Nachdem Biden seiner Vize die volle Unterstützung zugesagt hatte, sprachen sich auch eine Reihe weiterer Parteigrößen zügig für sie aus – darunter vor allem die ebenfalls als mögliche Bewerber gehandelten Gouverneure Gavin Newsom (Kalifornien), Josh Shapiro (Pennsylvania) und Roy Cooper (North Carolina).
Nach einigem Zögern gab auch die einflussreiche Demokratin Nancy Pelosi ihre Unterstützung für Harris bekannt. "Politisch gesehen gibt es keinen Zweifel: Kamala Harris ist als Frau in der Politik brillant und scharfsinnig – und ich habe volles Vertrauen, dass sie uns im November zum Sieg führen wird", erklärte die ehemalige Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses. Sie werde Harris begeistert unterstützen.
Obama noch zurückhaltend
Zu den Unterstützern zählen auch die bekannte Parteilinke Alexandria Ocasio-Cortez sowie die ehemalige Außenministerin und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihr Mann, Ex-Präsident Bill Clinton. Der ehemalige Präsident Barack Obama sprach dagegen nur von der Zuversicht, dass "ein herausragender Kandidat" gefunden werde. In seiner Stellungnahme verlor er über Harris kein Wort.
Finanziell machte sich die breite Unterstützung für die Vizepräsidentin bereits bemerkbar: Ihr Wahlkampfteam meldete, dass Harris seit Ankündigung ihrer Bewerbung bereits 49,6 Millionen Dollar (rund 45 Millionen Euro) an Spenden erhalten habe.
Insider: Einige Demokraten erwarten "Mini-Vorwahl"
Harris braucht die Unterstützung einer einfachen Mehrheit, das heißt von schätzungsweise 1.969 der 3.936 Delegierten, um ihre Nominierung auf dem Parteitag der Demokraten im August zu sichern. Etwa ein Viertel davon hat sich laut öffentlichen Verlautbarungen bisher für sie ausgesprochen.
Offenbar gibt es in der demokratischen Partei aber auch noch Stimmen, die den steilen Karriereweg von Harris kritisch sehen. Mehrere ranghohe Demokraten wollen nicht automatisch Bidens Stellvertreterin zur neuen Präsidentschaftskandidatin küren. Eine kurze "Mini-Vorwahl" gegen potenzielle andere Anwärter würde der Vizepräsidentin helfen, ihren Anspruch zu legitimieren, sagte eine Gewährsperson mit engen Beziehungen ins Weiße Haus der Nachrichtenagentur AP. Damit könnte sie auch Kritiker auf ihre Seite ziehen, die argumentieren, sie sei nicht über das übliche Vorwahlsystem der Demokraten als Präsidentschaftskandidatin gewählt worden. Auch Nancy Pelosi hatte zunächst für eine kurze Vorwahl geworben, bevor sie dann doch ihre klare Unterstützung für Harris bekannt gab.
Für den Politikwissenschaftler und US-Experten Stephan Bierling ist indes klar, dass die Demokraten Harris zu ihrer neuen Präsidentschaftskandidatin küren werden. Im Interview mit BR24 sagte Bierling, für ein breites parteiinternes Nominierungsverfahren mit einer großen Auswahl an Kandidaten sei die Zeit bis zu den Wahlen am 5. November zu kurz.
Im Video: Politikforscher Bierling zu den Chancen von Harris
Trump tobt: "Müssen von vorn anfangen"
Bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit dem Rückzug Bidens würdigte Harris am Montag dessen Vermächtnis als "unübertroffen in der modernen Geschichte". Was der 81-Jährige geleistet habe, sei beispiellos in der jüngeren Geschichte der USA, sagte Harris bei einer Veranstaltung für Universitätssportler im Garten des Weißen Hauses. Dass sie selbst Biden als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten nachfolgen könnte, erwähnte sie nicht.
Ob Harris Trump schlagen kann, ist offen. Viele Demokraten hoffen darauf, dass Harris zumindest verhindern kann, dass die Republikaner am Ende auch beide Kammern des US-Parlaments kontrollieren. Denn bei der Wahl im Herbst werden auch alle Sitze des Repräsentantenhauses sowie rund ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben.
Ex-Präsident Donald Trump äußerte sich nach dem Rückzug Bidens erbost und setzte auf seiner Online-Plattform Truth Social mehrere Posts in Folge ab. Sein Team habe Zeit und Geld in "den Kampf gegen den betrügerischen Joe Biden" investiert. "Jetzt müssen wir wieder von vorn anfangen", schrieb Trump. Trump ist 18 Jahre und vier Monate älter als Harris. Mit Bidens Rückzug ist Trump der älteste Präsidentschaftskandidat in der Geschichte der USA.
Mit Informationen von dpa und AFP
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