Die Kaufhof-Filiale an der Lorenzkirche ist ein massiver Block mitten in der Nürnberger Altstadt. Sie gilt als ein Denkmal für den Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder. Seit einem halben Jahr ist die Filiale geschlossen und das Haus leer. Fast genauso lange steht es jetzt schon unter Denkmalschutz – sehr zum Missfallen der Nürnberger Altstadtfreunde.
Kaufhof-Gebäude: Gegnerschaft in DNA der Altstadtfreunde
Karl-Heinz Enderle, der Chef der Altstadtfreunde, versteht nicht, warum der ehemalige Kaufhof geschützt werden sollte. Sein Verein hat eine besondere Verbindung zu dem Konsumtempel, der in der bombenzerstörten Innenstadt gebaut wurde. "Schon im Jahr 1950 gab es Auseinandersetzungen um den Kaufhof, der mit seiner Blockhaftigkeit schon damals die Königstraße störte", erinnert Enderle an die DNA seines Vereins.
Die Architektur-Debatte war damals der Auslöser, dass sich der Verein "Freunde der Altstadt" gründete, der Vorgänger der heutigen Altstadtfreunde. Enderle stört sich noch immer am Kaufhof-Gebäude. Er sieht nach der Schließung die Gelegenheit gekommen, einen alten Fehler der Stadtplaner zu korrigieren – wie anderer Stelle in Nürnberg schon geschehen.
Architektur-Qualitäten an Fassade und Dach
Die Denkmalpfleger hingegen sehen im alten Kaufhof einen schützenswerten Bau. Trotz seiner Größe wirke das Gebäude leicht, sagt Markus Ullrich vom Landesamt für Denkmalpflege. Seine Behörde beschäftigt sich seit dem Jahr 2020 intensiv mit der Architektur von Kaufhäusern in Bayern. Der Nürnberger Kaufhof gilt als typisch für die 1950-er Jahre. Herausragend sei die Rasterfassade mit den vielen hohen und schmalen Fenstern. Auch das Dach gilt als besonders. "Es wurde so konstruiert, dass es von unten aussieht, als ob es über dem Haus schweben würde", sagt Experte Ullrich.
Denkmalpfleger kämpfen für Erhalt des Erscheinungsbilds
Das alles macht den Kaufhof zu einem Baudenkmal. Und es bedeutet, dass dieses Erscheinungsbild nicht verändert werden darf. "Die Architektur, die Fassade, auch das sogenannte Flugdach und die Größe der gesamten Anlage müssen erhalten bleiben", erläutert Ullrich. Eine Entscheidung, die bei den Passanten in der Fußgängerzone kontrovers aufgenommen wird. Während die einen meinen, dass der Kaufhof inzwischen – so wie die Lorenzkirche – längst zur City gehört und auch moderne Häuser erhalten werden müssten, können andere den Schutz gar nicht nachvollziehen. Zu wenig historisch, zu teuer. Und: Wie soll das Gebäude künftig genutzt werden?
Forderung nach altstadtgerechtem Neubau
Die Altstadtfreunde denken radikal, ganz nach dem Motto: Was schon lange stört, soll weg – Denkmalschutz hin oder her. "Da ist ja nichts mehr da, was irgendwie Respekt vor der Umgebung zeigt", sagt Enderle. Doch genau das mache doch ein Baudenkmal aus. Dass jetzt eine "falsche Entscheidung von damals festzementiert wird, das stört mich gewaltig", sagt er. Er fordert: Abriss und altstadtgerechter Neubau mit einer gegliederten Fassade. Eine Rekonstruktion der zerstörten Vorkriegsbebauung will er nicht.
Abriss heilt "Bausünde" nicht
Abriss ist keine Lösung, kontert der Denkmalschutz. Baudenkmäler sollen genutzt werden. Das Schlimmste sei ein langer Leerstand. Deshalb sind Umbauten im Inneren des Gebäudes möglich, erklärt Manfred Ullrich vom Landesamt, etwa um es als Hotel oder für Büros zu nutzen. Nur der alte Aufzug mit der noch originalen Beschriftung aus den 1950-er Jahren müsse erhalten bleiben. Ullrich: "Selbst wenn das Ganze als Bausünde aus den 50-er und 60-er Jahren gesehen wird: Die wird ja nicht dadurch geheilt, dass man ein Objekt beseitigt, das inzwischen selbst zu einem Träger von Geschichte geworden ist."
Den "Schocken" hat der Denkmalschutz übersehen
Altstadtfreund Enderle kann schon nachvollziehen, dass alte Kaufhaus-Architektur geschützt werden muss – nur eben nicht in der Form des Kaufhofs in der Nürnberger Innenstadt. Er verweist auf den ehemaligen "Schocken" am Aufseßplatz in der Südstadt. Das traditionsreiche Warenhaus wurde im Jahr 1926 eröffnet und war damals eine Sensation.
Für das Kaufhaus "Schocken", das später zum "Merkur", dann zum "Horten" und schließlich zum "Kaufhof" wurde, kommt die Fokussierung der bayerischen Denkmalpflege auf die Konsumtempel zu spät. "Wir hatten das 2020, als wir uns mit dem Thema intensiv zu beschäftigen begannen, nicht im Blick", sagt Denkmalschützer Ullrich. Heute ist alles weg. Inzwischen klafft auf dem Aufseßplatz, wo früher der "Schocken" stand, eine tiefe Baugrube. Es soll ein Komplex mit Wohnungen und Einzelhandel entstehen.
Wie es mit dem Kaufhof in der Innenstadt weitergeht, ist völlig offen. Der Immobilien-Eigentümer Signa Holding von René Benko hat sich bisher nicht zu seinen Plänen geäußert.
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