Benin-Bronzen im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
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Forscher fordern neuen Umgang mit der Kolonialgeschichte

Forscher fordern neuen Umgang mit der Kolonialgeschichte

Sollen Kunstobjekte aus der Kolonialzeit an die Herkunftsländer zurückgegeben werden? Das ist eine wichtige, aber nicht die entscheidende Frage, so ein Appell von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt – der sehr konkrete Vorschläge macht.

Benin-Bronzen im Leipziger Völkerkundemuseum, Inka-Kunst im Museo de America in Madrid, der berühmte ägyptische Hieroglyphen-Stein von Rosette im British Museum in London: In europäischen Sammlungen finden sich viele Objekte, die in kolonialer Zeit ihren Herkunftsländern entwendet wurden. Ist das ein Kunstraub, der der Enteignung jüdischer Sammler im Dritten Reich gleichkommt? Müssten diese Objekte also nicht zurückgegeben werden?

Gefangenschaft in europäischen Museen

Die Debatte um diese schwierigen Fragen wird seit einiger Zeit mit größerem Nachdruck geführt als zuvor. Im Mai veröffentlichte der Deutsche Museumsbund einen "Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten", im November erschien in Frankreich ein wissenschaftlicher Bericht, der die Rückgabe kolonial angeeigneter Werke fordert. Auftraggeber der Studie war Präsident Macron selbst, der bei einem Besuch in Burkina Faso an der Universität Ouagadougou bereits ein Jahr zuvor erklärt hatte, das afrikanische Kulturerbe dürfe "nicht länger in Gefangenschaft der europäischen Museen bleiben".

Wie heikel die Einordnung solcher Positionen in einen größeren Zusammenhang gerade für politische Akteure ist, hatte gerade Macron schon zu spüren bekommen: Noch im Status des hoffnungsvollen Präsidentschafts-Kandidaten nannte er bei einem Besuch in Algerien die Kolonialzeit ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" – und sah sich anschließend genötigt, sich bei den Franzosen, die er mit dieser Wortwahl "verletzt und beleidigt" haben könnte, zu entschuldigen.

Die gemeinsame Geschichte dem Vergessen entreißen

Genau diese komplizierten Interessenlagen und Empfindlichkeiten in eine "gemeinsame Geschichte" zu fassen, dafür macht sich nun ein Appell von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen stark. "Was wir jetzt brauchen", ist der Aufruf betitelt, erschienen ist er in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Initiiert haben ihn die Historikerinnen Rebekka Habermas (Göttingen), Ulrike Lindner (Köln) und drei weitere in Deutschland lehrende Wissenschaftler.

Für die Autoren muss das Ziel der Debatte um koloniale Kulturgüter sein, ein Bild zu zeichnen, in dem "die Menschen, die diese Dinge in Afrika, Ozeanien, Asien, Australien und den Amerikas hergestellt, genutzt, gehandelt, verkauft und durch koloniale Gewalt verloren haben, genauso eine Rolle spielen wie die Menschen, die sie geraubt oder gekauft, nach Europa verschifft und dort gebraucht und eventuell ausgestellt haben." Dazu fordern die Unterzeichner des Appells sehr konkret die Unterstützung von Initiativen zur Aufarbeitung lokaler Kolonialgeschichte, mehr Engagement in der Bildungspolitik und mehr Hilfe für Museumsinitiativen zur Provenienzforschung. Und nicht zuletzt: "Eine zentrale Institution, zum Beispiel eine Stiftung, die das enorme Wissen, das bereits zusammengetragen wurde, in Berlin bündelt, Forschung, Museumsarbeit und Politik in Deutschland und perspektivisch auch in Europa vernetzt."

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Politikwissenschaftler Achille Mbembe

Das Erbe der ganzen Menschheit

Die Erklärung bezieht sich ausdrücklich auf den aus Kamerun stammenden Politikwissenschaftler Achille Mbembe, einen prominenten Theoretiker des Postkolonialismus. Für ihn könne durch die aktuelle Diskussion um koloniale Objekte die einzigartige Möglichkeit entstehen, auf der Grundlage der gemeinsamen Vergangenheit die Zukunft zwischen den ehemaligen Kolonisten und Afrika, Ozeanien oder Südamerika neu zu denken.

Zur Frage der Rückgabe hat Mbembe durchaus provokante Ideen formuliert: Er begrüßt Erklärungen wie die von Emanuel Macron. Allerdings nicht so sehr, weil er tatsächlich alle kolonialen Stücke aus europäischen Museen entfernen will. Ihm geht es vor allem darum, dass der Westen seine historische Schuld gegenüber den ehemaligen Kolonien anerkennt. Dazu kann auch Restitution gehören. Viel schöner aber wäre für Mbembe die Vorstellung, Kunstwerke über Grenzen hinweg von Museum zu Museum, von Kontinent zu Kontinent zirkulieren zu lassen – als Erbe der ganzen Menschheit. Eine schöne Vision, die wiederum politische Konsequenzen hätte. Denn für Mbembe geht es eben darum, "die Eindeutigkeit durch Vielstimmigkeit zu ersetzen". Was freilich nicht nur für historische Kunstobjekte, sondern auch für Menschen von heute gilt, für Flüchtlinge zum Beispiel. Wir reden nicht nur über Geschichte, wenn wir über Kolonialismus reden.

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