Ihr Lebensthema sind intergenerationelle Kriegstraumata, die von Eltern über Kinder bis zu den Enkeln fortwirken. Damit beschäftigt sich die Kölner Journalistin Sabine Bode schon seit vielen Jahren, in Sachbüchern wie "Die vergessene Generation" und "Nachkriegskinder" oder zuletzt in einem Roman: "Geschwister im Gegenlicht". Allesamt Bestseller, die den Blick vieler Leser und Leserinnen auf die eigene Familie veränderten.
"Man erbt das Schweigen"
Bodes Appell: "Redet darüber, traut euch!" Denn: "Man erbt das Schweigen", sagt sie. "Das ist es. Die meisten erben das Schweigen." In ihrem Roman habe sie mal schreiben wollen, wie gut das ausgehen kann. "Dass es eine Geschwisterbeziehung heilt, dass es nicht niederschmetternd ist, was man über die Eltern erfährt, obwohl es wirklich schlimm ist."
Die Trauma-Forschung weiß heute, dass das Unausgesprochene und das Verdrängte in Täter- wie Opferbiografien sich zu Kindern und Enkeln weitertransportiert. Die erleben Phänomene wie existenzielle Verunsicherung, Scham- und Schuldgefühle, stille Vorwürfe – oft ohne zu ahnen, wie weit deren Wurzeln zurückreichen. Bodes aufklärerischer Ansatz und Appell zu einem aktiven Umgang mit der eigenen Familiengeschichte wurde im Laufe der Zeit durch Erkenntnisse der Wissenschaft gestützt.
- Zum Podcast: "Die Quellen sprechen"
Prügel in jeder zweiten Familie
In "Geschwister im Gegenlicht" lässt Bode die Geschwister Sonja und Rolf quasi exemplarisch durchexerzieren, was das bedeuten kann. Anfangs will keiner der beiden an die Geheimnisse der Eltern rühren, auch wenn immer klar war, dass die im Dritten Reich aktive Nazis waren. Ganz langsam fügen sich Bekanntes und nicht Gewusstes zusammen – zum Beispiel die gewaltvolle Erziehung, die die beiden erfahren haben. "Bei diesen Nachkriegskindern – die sind mit diesen Kriegserwachsenen konfrontiert gewesen – war Prügel in jeder zweiten Familie. Das kann man sagen. Danach hörte das auf. Die Eltern haben dadurch Spannung abgebaut. Und Ohrfeigen waren wirklich nix Besonderes."
Die Geschichte in jeder Handlung
Für Sabine Bode steckt in jeder Handlung auch persönliche Geschichte – besonders bei den Kriegsgenerationen. "Was hat denn der Vater gemacht? Wir wissen nicht, wo er das Prügeln gelernt hat." Im Roman war der Vater Rottenführer bei der SS, hinter dem Beruf der Mutter – Krankenschwester – verbirgt sich Euthanasie, die Tötung dessen, was die Diktatur als unwertes Leben einstufte. Für beide Geschwister ist es am Ende befreiend, beängstigende Leerstellen gegen klare Informationen zu tauschen.
Bodes Botschaft ist klar: Nur wer sich der Familienvergangenheit stellt, hat die Chance, eigene Lebensblockaden zu überwinden. Rolf im Buch beauftragt schließlich sogar einen Historiker mit der Recherche. "Man kann warten, bis einem der Zufall wieder ein Mosaiksteinchen zuspielt – plötzlich taucht ein Foto auf, ach was hat der denn für Schulterklappen! SS? – und man geht dem Verdacht nach, nach Polen. Oder man engagiert einen Historiker, gute Idee, das geht schneller."
Archive, die einem viel erzählen
Wenn sie auf die zwei Jahrzehnte zurückblickt, in denen sie sich mit dem Thema beschäftigt, und die Veränderungen im öffentlichen Bewusstsein bewertet, sieht Sabine Bode viele Schritte nach vorne. Zwiespältig ihr Befund dennoch, weil sie beim Wissensstand über den Nationalsozialismus – trotz der viel beschworenen Bemühungen im Schulunterricht und in der politischen Bildung – bis heute zu viele Lücken erkennt. "Wir haben zum Beispiel immer Zugriff auf die Entnazifizierungsakten, Archive, die einem viel erzählen können. Ich kann es nur empfehlen. Es tut nur am Anfang weh. Aber in dem Moment, wo man zu recherchieren beginnt, ist das Leben schon leichter."
Sabine Bode: "Geschwister im Gegenlicht" ist bei Klett Cotta erschienen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!