Hochzeitspaar, dass sich in der Kirche die Ringe ansteckt.
Bildrechte: stock.adobe.com/Viktar Vysotski

Die Ehe soll in der "Beziehungsethik" zwar die "Höchtgeltung" aber nicht die "Alleingeltung" haben.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Augsburger Theologin fordert Update der kirchlichen Sexualmoral

Ein Paradigmenwechsel in der katholischen Sexualmoral, hin zu einer "Beziehungsethik": Das fordern die Augsburger Theologin Kerstin Schlögl-Flierl und ihr Südtiroler Kollege Martin M. Lintner. Die Sexualmoral diene immer noch als "Machtmittel".

Über dieses Thema berichtet: Theo.Logik am .

Kein Sex vor der Ehe, Geschlechtsverkehr dient nur dem Zeugen von Kindern, gleichgeschlechtliche Liebe und künstliche Verhütungsmethoden, wie die Antibabypille oder das Kondom, sind verboten: Diese Regeln verbindet man mit der Sexualmoral der katholischen Kirche. Für die meisten sind diese Vorstellungen veraltet und Umfragen unter gläubigen Katholikinnen und Katholiken belegen immer wieder, dass sich etwa Dreiviertel von ihnen in Deutschland nicht an die Vorgaben der katholischen Sexualmoral halten.

Sexualmoral "nicht nachvollziehbar" und "abschreckend"

Heute sei die katholische Sexualmoral für viele trotz "gutem Willen" und "bestem Wissen" nicht mehr nachvollziehbar, sogar abschreckend, schreibt die Augsburger Moraltheologin Kerstin Schlögl-Flierl zusammen mit dem Brixener Professor Martin M. Lintner in der aktuellen "Herder Korrespondenz", einem monatlich erscheinenden Magazin über Kirche, Religion und Gesellschaft. Dabei sollte die kirchliche Sexuallehre in erster Linie "lebensdienlich" und "glaubwürdig" sein. Sie fordern in der Sexualmoral eine Abkehr vom "moralischen Zeigefinger", wie es bereits im Zweiten Vatikanischen Konzil angedacht war.

Beitrag zur Überwindung der Missbrauchskrise leisten

Unter dem Titel "Weg von Verboten hin zum Gelingen" fordern die Theologen einen "Paradigmenwechsel" in der katholischen Sexualmoral, hin zu einer "Beziehungsethik". Das "Damoklesschwert der Sexualmoral" schwebe über allem und führe ihrer Meinung nach zu einer Art "Sprachlosigkeit". Diese "Sprachlosigkeit" müsse überwunden werden, damit die Moraltheologie ihren "Beitrag zur Überwindung der Missbrauchskrise" leisten könne.

Mit Blick auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche sehen die beiden Professoren eine Verantwortung der Moraltheologie, Menschen zur "sexuellen Selbstbestimmung" zu befähigen. Dazu müsse man weg von der aktuell herrschenden "Verbots- und Gebotsmoral". "Wenn Fragen der Sexualmoral wieder ein Machtmittel werden, um zu disziplinieren, widerspricht das dem Ansatz des Zweiten Vatikanischen Konzils", schreiben sie in der Herder Korrespondenz.

Sexualmoral als "Markenkern" der katholischen Kirche?

Schlögl-Flierl und Lintner sehen sich als Moraltheologen in einer "kritischen Loyalität" zur katholischen Lehrmeinung. Viele würden bei einer Veränderung der Sexualmoral aber befürchten, die katholische Kirche könnte ihren "Markenkern verlieren".

Was die beiden Theologen jetzt fordern, steht ihrer Ansicht nach im Einklang mit den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Damals war die Ehe nicht mehr als "Vertrag", sondern als "Bund" zweier gleichberechtigter Partner definiert worden, deren Qualität im Vordergrund stehen sollte. Kinder sollten ein Zweck der Ehe sein, aber nicht mehr ihr primärer.

Es gehe um "Qualität der Beziehung"

In der "Beziehungsethik" geht es laut Kerstin Schlögl-Flierl weniger um Verbote, sondern vor allem um die "Qualität einer Beziehung" und "die Würde des Partners". "Das möchte ich noch stärker in den Diskurs einbringen", sagt Schlögl-Flierl dem BR. Sexualität hätte ihrer Meinung nach natürlich die "Dimension von Nachkommenschaft", sei aber unter anderem eben auch "Lust".

Die Ehe sei eine Art erstrebenswerter Idealzustand, "eine Lebensentscheidung, die aber, wie auch eine Berufung in den Orden oder zum Priesteramt, scheitern kann." "Die Ehe wird als Prozess und als Weg aufgefasst. Sie hat eine Höchstgeltung, aber keine Alleingeltung", sagte Schlögl-Flierl dem BR.

Synodaler Weg diskutierte auch über "neue Sexualethik"

Um eine Reform der Sexualmoral in der katholischen Kirche wird schon lange gerungen. Der BDKJ, ein Zusammenschluss katholischer Jugendverbände, fordert schon seit Jahren zur Sexualmoral: "Sie sollte nicht aus detaillierten Geboten und Verboten bestehen." Vielmehr schlägt der BDKJ eine Beziehungsethik auf Grundlage des Evangeliums vor.

Auch Papst Franziskus hatte in seinem Schreiben "Amoris Laetitia" erste Weichenstellungen vorgenommen. "Es hat sich viel verändert: Weg von Verboten, hin zu Tugenden, weg vom Vorschreiben, hin zu Narrativen", sagt Schlögl-Flierl. Beim Synodalen Weg, dem Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, war allerdings der Antrag zu einer neuen Sexualethik abgelehnt worden. Dieser sah auch eine Liberalisierung der Empfängnisverhütung und eine neue Position zu Homosexualität vor. "Die Inhalte sollten unterstützt werden", sagt Kerstin Schlögl-Flierl im BR-Gespräch.

Im Video: Verdammte Lust - Ausstellung in Freising

Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553) - Adam und Eva (Der Sündenfall) (Ausschnitt)
- Ausstellung: Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst im Diözessanmuseum Freising
Bildrechte: KHM-Museumsverband - Wien
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553) - Adam und Eva (Der Sündenfall) (Ausschnitt) - Ausstellung: Verdammte Lust!

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.