"Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" machte ihn weltberühmt. Zahlreiche weitere Erzählungen und Romane wurden zu großen Erfolgen. Nun ist der tschechisch-französische Schriftsteller Milan Kundera im Alter von 94 Jahren verstorben.
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Milan Kundera

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Nachruf: Zum Tod des tschechischen Autors Milan Kundera

"Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" machte ihn weltberühmt. Zahlreiche weitere Erzählungen und Romane wurden zu großen Erfolgen. Nun ist der tschechisch-französische Schriftsteller Milan Kundera im Alter von 94 Jahren verstorben.

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Sein Bestseller "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" hat Milan Kundera 1984 weltberühmt gemacht und gezeigt, dass die tschechische Literatur zur Weltliteratur gehört, wie Kunderas Dichter-Kollege Milan Děžinský an Kunderas 90. Geburtstag sagte. Kunderas Romane rücken die zentralen Fragen menschlicher Existenz in den Mittelpunkt: das Leben, die Liebe, den Tod – das stets in konkreten historischen Zeiträumen, was ihn schließlich zum Dissidenten wider Willen machte.

Langmut und ein wenig Trotz

Als "altmodischer Romancier", wie er sich sah, setzte er der Eile und der Reduktion seiner Zeitgenossen bewusst Langsamkeit und Fülle entgegen, eine Feier der Komplexität und der Vieldeutigkeit. Ein Leitmotiv für Milan Kundera, war, sich nie unter Druck zu setzen, "etwas veröffentlichen zu müssen. Vom Rhythmus der Kulturindustrie will ich mich nicht beherrschen lassen. Ich werde immer meinen eigenen Rhythmus beibehalten, der in der Regel sehr langsam ist". Das erklärte er in einem seiner seltenen Radio-Interviews.

Jazzmusiker, Filmer, Schriftsteller

Der 1929 in Brünn in der damaligen Tschechoslowakei geborene Kundera verdiente sein Geld nach dem Zweiten Weltkrieg erst einmal als Arbeiter und Jazzmusiker, studierte Literatur und dann an der Filmakademie Drehbuch und Regie. Er war als junger Mann in die Kommunistische Partei eingetreten, wurde aber nach zwei Jahren wieder ausgeschlossen. Nach seinem Studium publizierte er während seiner Arbeit am Prager Filminstitut erste Texte: Gedichte, Theaterstücke und Essays. In den 60er Jahren gehörte er zu den wichtigen Protagonisten einer literarischen und auch kritischen Avantgarde. Sein Romandebüt "Der Scherz" galt als literarische Abrechnung mit der vorangegangenen stalinistischen Epoche in der Tschechoslowakei.

Dissident wider Willen

Berühmt wurde Kundera 1969 durch "Das Buch der lächerlichen Liebe". Auch hier steht der Konflikt zwischen dem Einzelnen sowie seinen privaten Wünschen und Hoffnungen und einem totalitären Regime, das jede Individualität bekämpft, im Zentrum. Kundera wurde damit immer mehr zum Dissidenten wider Willen. Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen und dem Ende des Prager Frühlings durfte Kundera an der Filmhochschule nicht mehr lehren, seine Bücher wurden verboten, Kundera konnte im Kulturleben seiner Heimat nicht mehr mitmischen.

Daher nahm er 1975 eine Einladung an die Universität Rennes zum Anlass, nach Frankreich zu gehen. Dort publiziert er 1979 "Das Buch vom Lachen und Vergessen", eine kritische Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Regime, das ihm daraufhin die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzog. Der Roman beginnt mit der Beschreibung einer Fotografie aus dem Jahr 1948: Sie zeigt den kommunistischen Staatschef Klement Gottwald, neben ihm Außenminister Vladimir Clementis. Der wurde später von den eigenen Genossen zum Tod verurteilt und aus dem Bild heraus retuschiert.

Mirek, eine der Figuren Kunderas, äußert dazu einen großen Satz: "Der Kampf des Menschen gegen die Macht sei der Kampf des Gedächtnisses gegen das Vergessen". Mirek wird nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 selbst aus dem Gedächtnis getilgt.

Kein politischer Autor?

Milan Kundera selbst wehrte sich immer wieder gegen die politische Lesart seiner Bücher, er verweigerte sich der politischen Vereinnahmung: "In unserem dümmlicherweise völlig politisierten Jahrhundert verstehen die Leute nicht mehr, einen Roman wirklich als Roman zu lesen. Sie wollen vielmehr im Roman die Illustration vereinfachter politischer Thesen sehen. Und auch deshalb muss der Romanschriftsteller von Zeit zu Zeit schweigen können, um seine Romanschöpfungen gegen vereinfachte und politisierende Interpretationen zu schützen."

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