Der Weg vom Museumseingang zur Taststation ist weit und voller Hürden, jedenfalls für Menschen mit bestimmten körperlichen Beeinträchtigungen. Schwere Türen und enge Aufzüge sind echte Barrieren.
Ausstellungskuratorin Frauke Maria Petry führt Verena Bentele an zahlreichen Säulen vorbei. Bentele ist blinde Präsidentin des Sozialverbands VdK. Sie macht den Test und probiert die inklusiven Taststationen, die ab sofort dem Publikum zugänglich sind, aus.
Die Taststation liegt im Tiefgeschoss. In einem riesigen Raum mit Hochregalen für schicke Designobjekte. An einer Wand: eine lange Reihe von Tischen mit 17 Objekten. Anfassen ist hier erlaubt.
Verena Bentele, die von Geburt an blind ist, ertastet das erste Designobjekt und murmelt vor sich hin: "Was hat es mit dieser Fernbedienung auf sich?" "Das ist ein Nokia-Handy." "Ach Gott, süß, ein altes Handy. Ist ja lustig, ist ja lange her. Mein Gott, mein erstes war auch so."
Modernste Technik im Sinne der Inklusion
Sie ertastet einen Akkuschrauber und kriegt dazu die Erklärung auf dem Kopfhörer: "Hier können Sie den Akkuschrauber IXO6 der Firma Bosch ertasten. Der Akkuschrauber ist aus Kunststoff und hat eine einfache, gebogene Form. Sein schwarzer Griff ist aus weichem Gummi und hat Rillen."
Die Stimme im Kopfhörer ist mit einem Bildschirm verbunden, erklärt Kuratorin Frauke Maria Petry: "Über den interaktiven Bildschirm wird dieses Objekt erkannt, und die Beschreibung wird dann automatisch auf den Kopfhörer übertragen. Wir nennen das Audiodeskription."
Ob man das Ganze als Video in Gebärdensprache oder in leicht verständlicher Sprache, in Englisch braucht, ob man es sich vorlesen lässt oder selbst liest: All das kann man am Bildschirmrand wählen.
Alle Sinne sollten angesprochen werden
Super Sache, findet Bentele, die schon ähnliche Erfahrungen in anderen Museen gemacht hat: "Ich war neulich im Deutschen Museum in München und konnte dort eine dreidimensionale Bronze-Abbildung einer Blume von van Gogh befühlen. Was ich ganz spannend fand, weil das sonst immer nur als Bild zu sehen ist." Auch im Historischen Museum in Berlin habe sie gute Erfahrungen gemacht: "Es wird schon mehr gemacht inzwischen."
Bentele reicht das trotzdem nicht. Sie wünscht sich für Menschen mit Beeinträchtigungen noch deutlich bessere Zugänge zu Ausstellungen: "In Zukunft wäre es natürlich toll, wenn es an allen Ausstellungsstücken zumindest kleine Fühlproben oder kleine Gebärdensprach-Videos gäbe." Am besten also ein Angebot, das alle Sinne anspräche.
Versäumnisse - in der Kultur und der Gesellschaft
Man hätte früher mit der Inklusion anfangen können, sagt die Kuratorin. Frauke Maria Petry sieht Probleme und Versäumnisse nicht nur im Kulturbereich, sondern in der gesamten Gesellschaft.
Die Pinakothek der Moderne hat sich nun entschlossen, in ihre digitale Strategie auch die Inklusion mit aufzunehmen. Dazu gibt es Fördermittel vom bayerischen Staatsministerium für Kunst und Wissenschaft.
Es gehe voran, aber Schritt für Schritt, meint Petry: "Wenn man ehrlich ist: Wir satteln das Pferd ein bisschen von hinten auf, weil ich nur Handlungsfreiheit innerhalb der Räume des Designmuseums habe. Es wäre superschön, wenn die ganze Pinakothek der Moderne mitzieht und wir die Besuchenden schon am Eingang barrierefrei abholen könnten."
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