Wer als Musiker Geld verdienen möchte, der kommt kaum drum herum, die eigene Musik auf Streamingdiensten anzubieten. Wobei vor allem die Klänge junger und unbekannter Bands in den Untiefen von Algorithmus-gesteuerten Anbietern wie Spotify leicht verloren gehen – ohne einen einzigen Cent abzuwerfen.
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100 Millionen Dollar direkt an die Künstler
Doch seit 2007 gibt es die in Kalifornien aufgesetzte Musikplattform Bandcamp, an der alternative und unabhängige Musiker aus aller Welt angedoggt haben, um ihre Songs preisgünstig bewerben und verkaufen zu können. Bandcamp behält nur 10 bis 15 Prozent des Verkaufssumme ein und verzichtet zum Teil auf seine Ansprüche, womit in den vergangenen drei Jahren mehr als 100 Millionen Dollar direkt an die Künstler gingen. Die ausgefallensten Klänge, Stimmen und Jodelkünste wurden hier gehört, Bandcamp wurde als der Good Guy der Musikszene gefeiert und wirtschaftete angeblich auch profitabel.
Inhaltliche Differenzen und moralische Fragen
Umso verwunderlicher war 2022 der Verkauf der Plattform an eines der weltweit führenden Computerspieleunternehmens Epic Games. Warum das Ganze, darüber lässt sich nur spekulieren. Neben inhaltlichen Differenzen mussten sich die Bandcamp Musikerinnen und Musiker die moralische Frage stellen, ob sie mit einem hyperkapitalistisch orientierten Techkonzern, der Waffen und Gewalt verherrlichende Spiele anbietet, zusammenarbeiten möchte.
Die Künstler fühlen sich verraten
Seit dem Verkauf fühlen sich die Künstlerinnen und Künstler vom Bandcamp CEO Ethan Diamond verraten, so schallt es aus den sozialen Netzwerken. Hinzu kommt, dass Bandcamp nun den Gesetzen der Techbranche unterliegt, was bedeutet, dass es alle Risiken und kapitalistischen Kalkulationen mittragen muss. So kündigte Epic Games zuletzt 60 Bandcamp-Mitarbeitern und trat den Musikservice Ende September an das kalifornische B2B-Unternehmen Songtradr ab, das mit Musiklizenzen handelt.
Auch hier muss nun fast die Hälfte der Bandcamp-Belegschaft die Zelte abbrechen und gehen, darunter vor allem diejenigen, die zuletzt einen Betriebsrat gründen wollten. Davon betroffen sind besonders Redakteure und der Kundenservice, deren Dienste in Zukunft auch eine KI übernehmen könnte. Bandcamp verlieren hieße, den Weg in die Zukunft der Musik verlieren, twittert der Musikkritiker Cris Richards auf X.
Keine guten Vorzeichen für eine Plattform, die einst scheinbar integre und vielversprechende Ziele hatte. Die Bandcamp Kunstschaffenden sind wohl nicht schlecht beraten, wenn sie das "Camp" verlassen und wieder ihre eigenen Wege gehen. Nur so könnten sie der Gefahr entkommen, einverleibt zu werden.
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