Der Autor Hans Pleschinski im Jahr 2021 in München
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"Der Flakon": Hans Pleschinskis Roman über ein Fast-Attentat

Im August 1756 marschierte die preußische Armee in Sachsen ein. Davon erzählt der Münchner Schriftsteller Hans Pleschinski in seinem neuen Roman "Der Flakon". Vor allem aber berichtet er von einer Frau, die sich mit diesem Krieg nicht abfinden will.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Tagelang ist das Verschwörer-Trio mit der Postkutsche unterwegs, auf einer beschwerlichen Reise von Dresden nach Leipzig: Reichsgräfin Maria Anna Franziska von Brühl, ihre Kammerdame Luise von Barnhelm und der preußische Offizier Georg Wilhelm von der Marwitz. Die Reichsgräfin will die Dichter Gottsched und Gellert treffen – und sie bitten, ihr bei der Verwirklichung eines tödlichen Plans zu helfen. Sie möchte den preußischen König, Friedrich II. vergiften, mit ein paar Tropfen aus dem Flakon, den sie bei sich trägt.

Ein Attentat auf Friedrich den Großen

Die Empörung über die "Vernichtungssucht der Preußen" sei es gewesen, die die Reichsgräfin angetrieben habe, meint der Autor Hans Pleschinski im BR-Interview. "Sie lebte in einem Palais in Dresden, das ausgeplündert wurde. Sie wollte sich rächen und wahrscheinlich auch, dass der Wohlstand und die Ruhe zurückkehren."

Pleschinskis Roman "Der Flakon" beruht auf einer historischen Anekdote: Es gibt Hinweise, aber keine unwiderlegbaren Beweise für einen solchen Anschlag auf den preußischen König. Friedrich II. überfiel das Kurfürstentum Sachsen im August 1756 ohne jede Kriegserklärung, ein eklatanter Verstoß gegen das Recht im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

"Er war ein genialer Denker, aber ein furchtbarer Kriegsmensch, der in Leipzig nach dem Einmarsch gleich einen Galgen auf dem Marktplatz aufrichten ließ und systematisch die Schlösser seines Erzfeindes – des Grafen Brühl – zerstören ließ", so Pleschinski über Friedrich den Großen. "Die Türklinken aus dem Brühlschen Palais findet man dann in den Potsdamer Schlössern wieder."

Pleschinski erzählt von deutscher Kulturlandschaft vor Goethe

Wobei die Türklinken eines der kleinsten Übel dieses Siebenjährigen Krieges gewesen sind. Vor allem verschob sich das Machtgefüge im föderal organisierten Deutschen Reich zugunsten von Preußen – mit erheblichen Folgen. In der historischen Perspektive, die der Roman eröffnet, wurde mit dem Krieg gegen Sachsen ein grimmiges Deutschland geboren, ein Land im Zeichen des Exerzierplatzes, ohne Lebensfreude, ohne Heiterkeit, wie es einmal heißt.

Auch dagegen will Maria Anna Franziska von Brühl mit ihren Attentats-Plänen aufbegehren. Doch Pleschinski erzählt nicht nur von den Haupt- und Staatsaktionen. Sondern auch von einer reichen Kulturlandschaft im Zeitalter der Aufklärung. "Unsere kulturelle Wahrnehmung reicht oft nur bis Goethe zurück", meint der Autor. "Goethe ist wie ein eiserner Vorhang. Und es sieht so aus, als hätten die Deutschen vorher in ihren Stuben gesessen, Däumchen gedreht und gefragt: Wo bekommen wir nur Kultur her? Völliger Blödsinn! Es quoll über von Kultur!"

Parallelen zum Krieg in der Ukraine

Der Roman "Der Flakon" zeigt das unter anderem am Beispiel der Leipziger Heroen Johann Christoph Gottsched und Christian Fürchtegott Gellert. Gottsched war Theaterdichter und Autor einer "Kritischen Dichtkunst" und einer Sprachlehre für die Deutschen. Gellert schrieb unter anderem geistliche Lieder und galt als einer der meistgelesenen Autoren der Zeit. Er war Pazifist und appellierte eindringlich an den Preußenkönig, zurück zum Frieden zu kehren. Neben Zeitgeschehen und Kultur erzählt Pleschinski auch von einer Gesellschaft im Krieg, gezeichnet von Gewalt, Besatzung, Zerstörung und Vertreibung.

Der Münchner Schriftsteller begann mit der Arbeit am Roman vor dem Ausbruch des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. In der Lektüre können aber dennoch immer wieder gedankliche Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart entstehen. Episode um Episode entsteht das Bild einer gewaltigen Umbruchszeit – hin zum Militaristischen. Der Exerzierplatz sollte fatalerweise bestimmend werden.

Der Roman "Der Flakon" von Hans Pleschinski ist im Verlag C.H. Beck erschienen.

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Ansicht des Buchcovers von "Der Flakon", erschienen bei C.H. Beck

Transparenzhinweis: Hans Pleschinski war langjähriger Mitarbeiter der Redaktion "Kulturkritik und Literatur" im Bayerischen Rundfunk.

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