Der Chef ist völlig neben sich. Er glaubt, Gutemine werde ihn verlassen. Sie fuhr - klammheimlich - nach Lutetia. Nur die Nachricht, dass sie einen Freskenwechsel brauche, hinterließ sie Majestix, ihrem "Schnäuzelchen". Majestix bekommt einen Schwermutsanfall. Denn er ahnt: Hinter dem Aufbruch steckt ein Guru. Später sitzt der Häuptling regungslos auf dem Wagen, mit dem Asterix und Obelix in die Hauptstadt aufbrechen, um Gutemine zurückzuholen.
Einmal im Rampenlicht: Gutemine und Majestix
"Die weiße Iris", das neue Abenteuer unserer gallischen Freunde, erzählt auch von einer handfesten Beziehungskrise. Fabcaro, Szenarist des neuen Asterix-Comics, sagt, er liebe Gutemine und Majestix: "Sie streiten sich andauernd und machen sich immer wieder Vorwürfe. Vor allem Gutemine gegenüber Majestix. Ihre Beziehung ist etwas konfliktbeladen. Aber man spürt: Sie lieben sich. Ich hatte Lust, dieses Paar einmal ins Rampenlicht zu stellen". Gutemine erliege dem Charme des charismatischen Guru. Sie habe schon immer gerne nach Lutetia - also nach Paris - gewollt. Das bringe ihre Beziehung durcheinander. Und es habe ihm Spaß gemacht, einen depressiven Majestix zu zeigen, so Fabraco, der mit bürgerlichem Namen Fabrice Caro heißt.
Visusversus, der Guru und Achtsamkeitsapostel
"Die weiße Iris" nimmt auf wunderbare Weise den Coaching- und Selbstoptimierungs-Hype unserer Zeit aufs Korn - und mehr noch: seine Verkünder. Visusversus - Guru und Achtsamkeitsapostel - dient sich Cäsar an. Er will die Kampfbereitschaft der römischen Soldaten im Lager Babaorum aufpimpen, mit seiner Methode namens "Die weiße Iris". Also: mit Sprüchen wie "Angst bannt nicht die Gefahr" und Psycho-Rollenspielen.
Weil das bei den Legionären nicht so recht ankommt, zieht Visusversus ins gallische Dorf weiter - nun mit dem Ziel, die Unbeugsamen zu verweichlichen. "Man weiß, dass er kein 'Guter' ist, dass er - als Römer auf Cäsars Seite - den Galliern schaden will. Es ist nicht ganz klar, ob ihm das gelingt", sagt Autor Didier Conrad. Nur eine einzige Figur im ganzen Band blicke von Anfang an hinter die Maske: Asterix, mit seinem scharfen Verstand. Die anderen Gallier ließen sich von Visusversus einlullen, so Conrad. Auch als Leser akzeptiert man einige Dinge, die als "gut" erscheinen. Und es ist schwer, diese Doppeldeutigkeit in Bilder umzusetzen.
Wildschwein-Konsum geht zurück
Didier Conrad zeichnet Visusversus als lange, hagere Figur: eitler Gesichtsausdruck, das Kinn markant, im dunklen Haar dicke weiße Strähnen, an der grünen Toga eine weiße Iris. Er zieht die Dorfbewohner mit seinen Sprüchen immer mehr in seinen Bann. Kaum jemand isst noch Wildschwein, weil der Fleischkonsum den Arterien zusetzt. Schmied Automatix bietet positive Schwingungen auf dem Amboss an, Verleihnix hat plötzlich - ja! - frischen Fisch im Angebot, Troubadix singt vor den Dorfbewohnern, ohne dass sich jemand an seiner Musik stört. Die spinnen, die Gallier!
Goscinny und Uderzo hätten sich immer wieder mit aktuellen Fragen der Gesellschaft beschäftigt und sie in das Dorf jener Zeit versetzt, so Fabcaro. Ihm scheine, dass Themen wie positives Denken und persönliche Entwicklung gut funktionieren könnten, sehr en vogue seien mit den ganzen Gurus. "Gleichzeitig ist das Thema zeitlos. Deshalb war es interessant, dieses Denken einem Dorf voller Gallier gegenüberzustellen, die diese Philosophie nicht teilen. Sie prügeln sich, essen und trinken gerne viel."
Voller Achtsamkeit, die Pariser!
Visusversus - charismatisch und böse zugleich - ermuntert Gutemine, nach Lutetia zu gehen. Er will sie dort gefangen nehmen lassen und Cäsar als Geisel übergeben: Wenn die First Lady in der Gewalt der Römer ist, müssen sich die unbeugsamen Gallier endlich ergeben, so der schurkische Plan. Auch deshalb sind jetzt Asterix und Obelix gefragt. Auf geht es nach Lutetia, den immer traurigeren Majestix im Schlepptau. "Die weiße Iris", hinreißend übersetzt von Klaus Jöken, schlägt auch einen schönen Bogen zum 18. Band: "Asterix und die Lorbeeren des Cäsar". Wieder gibt es Stau auf dem Weg in die Hauptstadt. Und wieder hat Gutemines Bruder Homöopatix einen schönen Auftritt.
Goscinny und Uderzo hatten immer auch ein wenig das moderne Lutetia (Paris) gezeigt. Das hätten sie jetzt auch wieder aufgenommen. Damals hätten sie das bewerkstelligt, indem sie die charakteristischen Staus in Paris zeigten. "Wir knüpfen daran an, zeigen aber auch, was sich verändert hat im Vergleich zu 'Die Lorbeeren des Cäsar'. Seit dem Erscheinen dieses Bandes Anfang der 70er ist eine Menge passiert."
Und klar: Auch in Lutetia erfreut sich die Philosophie der "Weißen Iris" großer Beliebtheit: Alle sind so dermaßen auf Motivation und Achtsamkeit aus und fahren überdies mit Rollern durch die Stadt. Ob Asterix und Obelix Gutemine aus dem Bann des Visusversus befreien und damit den Seelenkummer des Chefs zerstreuen können? Es kommt zum Showdown in einem Theater. Unter anderem erfährt man dabei: Obelix hat Lampenfieber. Großartig!
"Die Weiße Iris", der 40. Asterix-Band ist bei Egmont erschienen.
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