Marko Pustišek (links), Marin Semmelrogge (Mitte), Mariella Ahrens
Bildrechte: Komödie im Bayerischen Hof

Trennung mit Hindernissen: Abschiedsdinner

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Erdnüsse müssen es richten: "Abschiedsdinner" in München

Mit dem "Vornamen" landeten die französischen Komödienautoren Matthieu Delaporte und Alexandre de la Pattellière 2010 einen Riesenhit auf den Boulevardbühnen. So überzeugend ist das "Abschiedsdinner" nicht, aber durchaus unterhaltsam und zeitgemäß.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Klar, heutzutage muss alles optimiert werden, damit das Leben auch wirklich reif ist für Twitter, Instagram und WhatsApp: Schließlich will dort jeder glänzen, angeben, Eindruck schinden, überwältigen. Also müssen auch die Freunde allesamt perfekt sein, und die nervigen Bekannten werden aussortiert. Kein Anruf unter dieser Nummer! In ihrer Komödie "Un dîner d'adieu" (Abschiedsdinner) zeigten die französischen Erfolgsautoren Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière bei der Uraufführung 2014 in Paris ein Ehepaar, das seine Freizeit aufhübschen will. Keine Zeitverschwendung mehr mit anstrengenden und langweiligen Abendessen, nur noch gemütliche Runden mit den Leuten, die man wirklich mag: Sich selbst. Also verfallen Pierre und Clotilde auf die abstruse Idee, sich bei einem pompösen Dinner von ihrem alten Kumpel Antoine zu verabschieden, ohne das der Betreffende das mitbekommt. Er wird danach halt stets vergeblich klingeln.

Von der Jogginghose in die Chinos

Das hört sich arg konstruiert an und ist es auch, denn warum sollten moderne Großstadtmenschen sich nicht kurz und knapp Adieu sagen und die Nummer im Handy löschen? Passiert doch dauernd. Wer kauft schon eine Flasche Petrus Pomerol Rotwein Jahrgang 1967, die aktuell mit rund 8.500 Euro aufgerufen wird, um einem alten, aber aufreibenden Freund zuzuprosten und anschließend in die Wüste zu schicken? Die Handlung ist vorhersehbar: Das Abschiedsdinner kommt Pierre und Clotilde in jeder Hinsicht teuer zu stehen, finanziell und emotional, und der unerwünschte Antoine hat die Lacher auf seiner Seite.

Jochen Busse inszenierte das für das Theater an der Kö in Düsseldorf schwungvoll, ohne Mätzchen und in jeder Hinsicht kurzweilig. Nach knapp zwei Stunden ist alles vorbei, wie es im Boulevard sein sollte. Vor allem aber überzeugen Marko Pustišek als Pierre und Mariella Ahrens als Clotilde. Ein absolut unaufgeregtes Ehepaar, wie es jederzeit aus der Fußgängerzone kommen könnte: Nicht hysterisch, nicht überdreht, nicht auf Effekte aus, sondern einfach nur bemüht, sich von unerwünschten Einladungen zu befreien. Wer länger als zehn Jahre mit seinem Partner zusammen ist, kennt das Problem: Schon das Umziehen von der ausgeleierten Jogginghose in die smarten Chinos fällt schwer, die Frauen hadern mit der Farbe ihrer Pumps und der Gedanke an die immer gleichen Gesprächsthemen bei mittelmäßigen Speisen an liebevoll dekorierten Tischen ist schier unerträglich.

Paris ist teuer, München auch

Wunderbar, wie glaubwürdig Pustišek diesem Pierre Charakter gibt, beeindruckend, welche Textmassen er lässig und teils in rasendem Tempo bewältigt. Mariella Ahrens macht ihre Sache ebenfalls gut: Sie hat Herz, verschließt sich aber nicht kühlen Argumenten, was ihren Charme keineswegs beeinträchtigt. Dagegen wirkt Martin Semmelrogge als Antoine seltsam abwesend in seiner Rolle: Er spielt gern ins Publikum, statt mit seinen Kollegen und rattert eher mechanisch durch seinen Part. Den schrulligen Außenseiter nimmt man ihm nicht ab, schon gar nicht den Psycho. Dafür ist er viel zu sehr "Star" und will das Geschehen beherrschen, was der Inszenierung nicht bekommt. Dass er den Proll geben muss, der das Sofa mit seinen Schuhen und Clotilde mit seinen Händen malträtiert, passt nicht zum Porträt eines Menschen, der sich vier Mal die Woche Therapiestunden leisten kann. Paris ist bekanntlich teuer, München nicht weniger.

Insgesamt dennoch ein launiger Abend über "einsame Menschen" in der bürgerlichen Gesellschaft, wie sie 1890 schon Gerhart Hauptmann auf die Bühne brachte. Die Erdnüsse müssen es schließlich richten, wie genau, wird natürlich nicht verraten. Die Komödie im Bayerischen Hof in München sollte sich auf jeden Fall weiterhin am französischen Repertoire bedienen: Von Boulevard verstehen sie an der Seine einfach mehr als in anderen Gegenden. Und wenn sie es mal übertreiben mit den Absurditäten, wie in diesem Fall, ist es immer noch witziger als die meisten Lustspielversuche deutscher Autoren.

Bis 14. August in der Komödie im Bayerischen Hof in München

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